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Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

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verborgene Etwas, das das Leben der Seele ausmacht, so würde er nicht sterben. Auch<br />

wenn zugleich mit jener Stütze <strong>die</strong> Empfindung seines Zustandes ihn verlassen würde,<br />

würde er sich noch halten können und nicht sterben. Er weiß und begreift es gut, daß<br />

er, um zu seinem Ziel zu gelangen, durch langwierige und schauervolle Finsternisse<br />

tappen müsse, da er alles verlieren müsse, was ihm Geschmack und Empfindung<br />

verursacht, so zart es auch gewesen <strong>ist</strong>. Er erträgt daher auch mit Kraft deren<br />

Beraubung besonders dann, wenn es ihm sonst nicht an Erleuchtung und Einsicht<br />

fehlt. Jedoch auch jeden im innersten kaum wahrnehmbaren Widerhall zu verlieren,<br />

vor Schwäche umzusinken, in den Staub und Kot zu fallen, hierein kann der Mensch<br />

nicht willigen, weil er nie darin einwilligen darf. Hier <strong>ist</strong> es, wo <strong>die</strong> Vernunft sich<br />

verliert, und sich Schauder und Schrecken des Todes des Menschen bemächtigen, der<br />

nur noch zu leben scheint, um seinen Tod zu fühlen.<br />

Der Mensch muß sehr treu sein in <strong>die</strong>sem nackten und schweren Zustand, damit <strong>die</strong><br />

Sinne sich nicht freiwillig zu den Geschöpfen neigen, und in ihnen <strong>die</strong> Erholung und<br />

Zerstreuung suchen, <strong>die</strong> sie begehren. Nur von einem freiwilligen und Selbsterwählten<br />

hinneigen der Sinne <strong>ist</strong> hier <strong>die</strong> Rede. Denn was <strong>die</strong> Ertötung und das bewußte<br />

Aufmerken auf sich selbst anbelangt, so <strong>ist</strong> der Mensch deren jetzt nicht fähig. Je mehr<br />

er ertötet worden <strong>ist</strong>, in dem Sinne nämlich, worin <strong>die</strong> weniger Geübten das Ertöten<br />

sehen, desto mehr Hang hat er zum Gegenteil, ohne dessen gewahr zu werden. Er <strong>ist</strong><br />

ähnlich dem seiner Sinne Beraubten, der ziellos und bewußlos umherwandert. Wollt<br />

ihr nun seine Zügel zu straff anziehen, so wäre das nicht nur vergeblich, sondern es<br />

würde auch <strong>die</strong>se Richtung des Gemüts, auch das äußerliche, das wirkliche Sterben,<br />

verzögern und hindern.<br />

Darum soll den Sinnen nicht erlaubt werden, auf eine strafbare oder <strong>die</strong><br />

Vervollkommnung hindernde Weise sich zu erleichtern. Dagegen kann ihnen gestattet<br />

werden, sich dann und wann an unschuldigen Dingen zu erholen. Denn weil sie nicht<br />

schaffen können, was im Inneren gewirkt wird, so könnte <strong>die</strong> Gesundheit, <strong>die</strong><br />

Ge<strong>ist</strong>eskraft, das Innere selbst gefährdet werden, wenn man sie in allzugroßem Zwang<br />

halten wollte. Man muß das als eine Zucht der Anfänger ansehen, worüber man hinaus<br />

<strong>ist</strong>, und nicht allzu streng sein in der Gestaltung das Harmlosen und Erlaubten.<br />

Das gilt allerdings nur für <strong>die</strong> Stufe, von der wir reden. Denn wenn der Mensch sich<br />

ähnliches in den Tagen seiner ersten Erleuchtung und seiner ersten <strong>Liebe</strong> erlauben<br />

würde, so wäre das übel. Unser lieber Herr weiß schon sehr gut <strong>die</strong> Menschen so zu<br />

leiten und zu führen, wie es ihnen in ihrem jeweiligen Stand <strong>die</strong>nt. In den Anfängen<br />

zügelt und züchtigt er <strong>die</strong> Sinne nämlich so, daß er ihnen nicht <strong>die</strong> geringste Freiheit<br />

gestattet. Wenn sie auch nur irgendetwas wollen, sofort wird es ihnen entrissen. Ein<br />

Blick, ein Wort, <strong>die</strong> geringste Befriedigung verursacht unendliche Leiden.

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