18.11.2013 Aufrufe

Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Züchtigung würde ihm weniger peinlich sein als <strong>die</strong>se unver<strong>die</strong>nte, nicht zu ertragende<br />

Güte seines <strong>Gott</strong>es.<br />

Der Mensch <strong>ist</strong> jetzt so voll von dem, was er empfindet, daß er es aller Welt kundtun<br />

möchte. Er möchte <strong>die</strong> ganze Welt in Brand stecken, mit der Flamme, <strong>die</strong> ihn selbst<br />

verzehrt. Seine Gefühle sind so lebendig, so rein und so entblößt von aller Eigenliebe,<br />

daß der Seelsorger, der ihn reden hört und etwa auf <strong>die</strong>sen Wegen weniger geübt <strong>ist</strong>,<br />

glauben müßte, er stehe bereits auf dem Gipfel der Vollkommenheit. In <strong>die</strong>sem<br />

Zustand wird er durchblitzt von Bildern und Gedanken, <strong>die</strong> er mit<br />

bewundernswürdiger Leichtigkeit niederschreibt. Es <strong>ist</strong> nur Empfundenes, was er<br />

schreibt, tief und lauter lebendig Empfundenes. Vernünfteleien sind nicht darin, nur<br />

<strong>Liebe</strong>, brennende, unendliche <strong>Liebe</strong>.<br />

Den ganzen Tag über fühlt der Mensch sich hingenommen und umfangen von einer<br />

göttlichen Kraft, <strong>die</strong> ihn durchdringt und verzehrt. <strong>Die</strong> Augen fallen ihm ganz von<br />

selber zu. Er hat Mühe, sie offen zu halten. Er möchte blind, taub und stumm sein, um<br />

nur nicht gestört zu werden in seiner Freude. Er <strong>ist</strong> wie <strong>die</strong> Trunkenen, <strong>die</strong> derart vom<br />

Wein eingenommen sind, daß sie nicht wissen, was sie tun, noch Herr ihrer selbst sind.<br />

Wollen sie in <strong>die</strong>sem Zustande lesen, so fällt ihnen das Buch aus den Händen, und eine<br />

Zelle genügt ihnen. Kaum vermögen sie während eines ganzen Tages auch nur eine<br />

Seite zu lesen, so fleißig sie auch damit beschäftigt sein mögen. Aber sie verstehen auch<br />

nicht, was sie lesen, sie denken nicht einmal daran, sondern es bedarf nur eines Wortes<br />

von <strong>Gott</strong>, nur das Aufschlagens eines <strong>Gott</strong>eswortes, um jenen geheimen Zug zu<br />

wecken, der sie hinnimmt und fortreißt, so daß <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong> ihnen Mund und Augen<br />

zuschließt.<br />

Daher kommt es, daß <strong>die</strong>se Menschen auch kein mündliches Gebet tun können. Sie<br />

sind außerstande, <strong>die</strong> Gebete auszusprechen. Ein „Vater Unser“ würde sie eine Stunde<br />

hinhalten. Ein Mensch, der nicht gewöhnt <strong>ist</strong> an ähnliche Erscheinungen, weiß nicht,<br />

was er davon halten soll. Er hat nichts ähnliches gesehen, nie davon reden hören, er<br />

begreift nicht, warum er nicht beten<br />

kann. Trotzdem kann er nicht der Macht widerstehen, <strong>die</strong> ihn von sich selbst wegführt.<br />

Er kann nicht fürchten, damit Übles zu tun. Auch macht ihm solches keinen Kummer.<br />

Er, der ihn festhält, gestattet ihm nicht zu zweifeln, daß er es sei, der ihn bindet, noch<br />

kann der Mensch sich seiner erwehren. Denn sobald er sich Gewalt antun will zu<br />

beten, fühlt er, daß derjenige, der ihn besitzt, ihm den Mund verschließt und ihn mit<br />

sanfter Gewalt still zum Schweigen nötigt.<br />

Freilich <strong>ist</strong> es nicht so, daß das Geschöpf nicht widerstehen könnte und mit großer<br />

Anstrengung doch sprechen. Aber, auch abgesehen von dem Zwang, den man sich<br />

antut, verliert man durch solche Anstrengungen den Frieden und wird ganz welk und<br />

trocken. Darum soll sich der Mensch <strong>Gott</strong>es Willen fügen und nicht seinem eigenen<br />

folgen. Sollte ein weniger erfahrener Seelsorger ihn auf <strong>die</strong>ser Stufe zum mündlichen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!