Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe
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um ihn abzulösen von den Geschöpfen und von sich selbst und um ihn dahin zu<br />
bringen, daß er wenigstens aus Dankbarkeit den Geber liebt, eben <strong>die</strong>se <strong>die</strong>nen dem<br />
armseligen Geschöpf nur zum neuen Fallstrick. <strong>Die</strong> Eigenliebe <strong>ist</strong> so tief gewurzelt in<br />
der Kreatur, daß <strong>die</strong> Gaben ihr nur neue Nahrung geben. Der Mensch, der sich in<br />
ihnen bespiegelt, entdeckt neue Liebreize in sich, <strong>die</strong> er früher nicht wahrgenommen<br />
hatte. Er vertieft sich darin. Er klebt an sich selbst. Er eignet sich zu, was <strong>Gott</strong>es <strong>ist</strong>. Er<br />
wird verwöhnt durch <strong>die</strong> Vertraulichkeit, deren der Hocherhabene ihn würdigt. Er<br />
vergißt <strong>die</strong> Sklaverei, woraus <strong>Gott</strong> ihn gerissen hat. Sicher könnte <strong>Gott</strong> den Menschen<br />
von <strong>die</strong>ser Erbkrankheit seiner Natur erlösen, wie er ihn von seinem begehrlichen<br />
Grunde befreien könnte. Er tut es nicht, aus Gründen, <strong>die</strong> nur ihm bekannt sind.<br />
Der auf solche Weise der göttlichen Gnadengaben beraubte Mensch verliert ein wenig<br />
von seiner Eigenliebe. Er fängt an einzusehen, daß er nicht so reich sei, wie er es sich<br />
eingebildet hatte, und daß seine Reichtümer nicht ihm selbst gehörten, sondern dem<br />
Freund. Er wird inne, daß er <strong>die</strong>selben mißbraucht hat und willigt ein, daß <strong>Gott</strong> sie<br />
zurücknimmt und behält.<br />
„Ich werde reich sein“, spricht er, „in Kraft und Reichtum meines Freundes. Mag er sie<br />
behalten. Es wird alle Zeit <strong>die</strong> Gemeinschaft der Güter unter uns sein, und er<br />
wenigstens wird sie nicht verlieren“. Der Mensch <strong>ist</strong> am Ende ganz zufrieden damit,<br />
daß er <strong>die</strong>se Ketten und Spangen und Ringe und Kleino<strong>die</strong>n verloren hat. Er fühlt sich<br />
nicht mehr so belastet und kann in der Zukunft seinen Weg umso schneller beenden.<br />
Er gewöhnt sich an <strong>die</strong>se Entblößung.<br />
Er sieht ein, daß <strong>die</strong>se ihm nützlich und heilsam gewesen <strong>ist</strong>. Er kümmert sich nun<br />
nicht weiter darum. Nun putzt er sich mit seiner eigenen Kleidung auf, so gut er es<br />
kann. Und da er sich schön vorkommt, so lebt er in der Hoffnung, daß er auch mit<br />
seinen angeborenen Annehmlichkeiten und in der eigenen Kleidung dem Bräutigam<br />
gefallen werde, wie es ja geschehen war, ehe er ihn noch mit seinen Gaben geziert<br />
hatte.<br />
B) <strong>Die</strong> Enthüllung<br />
Der Mensch hat sich mit dem erlittenen Verlust abgefunden. Schon überlässt er sich<br />
der Hoffnung, daß keine weiteren Opfer von ihm verlangt werden, als er mit Schrecken<br />
wahrnimmt, daß sein himmlischer Geliebter noch schonungsloser und noch<br />
gewalttätiger anfängt, ihn nun auch seiner Kleider zu berauben. 0 Ärmster, was soll nun<br />
werden? Jetzt widerfährt ihm noch Schlimmeres als bisher. Was ihm bis heute