Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe
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Da nämlich <strong>Gott</strong> <strong>die</strong> Menschen gleichsam aus sich selbst herauszieht, um sie in sich zu<br />
versenken, sie aber weder rein noch stark genug sind, um <strong>Gott</strong> zu ertragen, so muß<br />
entweder <strong>Gott</strong> aufhören, sie zu ziehen, so, daß <strong>die</strong> Entzückung ein Ende hat, oder <strong>die</strong><br />
Natur muß unterliegen und sterben, wovon es an Beispielen nicht fehlt. Hier jedoch <strong>ist</strong><br />
<strong>die</strong> Entzückung von Dauer und nicht vorübergehend.<br />
Kein Wechsel <strong>ist</strong> in ihr von Überspannung und Abspannung, denn <strong>Gott</strong> hat den<br />
Menschen dermaßen gereinigt und gekräftigt, daß er stark genug <strong>ist</strong>, eine so<br />
übernatürliche Erhebung zu ertragen. Er wird aus sich selbst herausgezogen, um in <strong>die</strong><br />
Abgründe <strong>Gott</strong>es versenkt und verloren zu werden. <strong>Die</strong> Schranken weichen. <strong>Die</strong> Enge<br />
wird Weite. Das Unvollkommene wird verschlungen von dem Vollkommenen, das<br />
Dürftige und Arme von der unermesslichen und allgenügsamen Fülle.<br />
Seliges Nichts: wie herrlich endest du! Entblößung, Verlassenheit, Vernichtigung, ihr<br />
Schrecken und Schauder des Mystischen Todes: wie überschwänglich werdet ihr<br />
vergolten! 0 Mensch, welcher Gewinn <strong>ist</strong> dir für alle deine Verluste zugefallen! Hattest<br />
du das ahnen können, als du in der Asche vermodertest, das eben, was dir Grauen<br />
macht, dir <strong>die</strong>nen mußte, zu einer Herrlichkeit zu gelangen, <strong>die</strong> keinen Ausdruck<br />
duldet? Ein Engel hätte es dir sagen können, und du hättest es nicht geglaubt! So lerne<br />
aus eigener Erfahrung, wie gut es sei, <strong>Gott</strong> zu vertrauen, und daß alle, <strong>die</strong> auf ihn<br />
hoffen, nicht zuschanden werden.<br />
Sich selbst rückhaltlos aufgeben und unbedingt sich <strong>Gott</strong> überlassen, was kann dem<br />
Menschen Heilsameres widerfahren als <strong>die</strong>s? Welche Fortschritte würde er machen,<br />
welche Quälereien sich selbst ersparen, wenn er <strong>Gott</strong> von Anfang an ganz gewähren<br />
ließe! Aber leider! Man will sich <strong>Gott</strong> nicht ganz überlassen! Man will sich nicht vor<br />
ihm niederwerfen. Auch <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> behaupten, es getan zu haben und sich in ihrer<br />
„Ganzhingabe“ ganz sicher sind, begnügen sich, den Schein zu erhaschen, wahrend das<br />
Wirkliche ihnen entfloh.<br />
Sicher wollen sie sich <strong>Gott</strong> überlassen, aber nur, wenn es nichts kostet, wenn Fleisch<br />
und Blut sich nicht allzu sehr dagegen empören. Sie wollen mit <strong>Gott</strong> handeln. Sie<br />
wollen sich mit ihm um <strong>die</strong> Hälfte einigen. Sie wollen sich ihm übergeben, jedoch mit<br />
Vorbehalt und Bedingungen. Nein, das <strong>ist</strong> nicht <strong>die</strong> Überlassung, <strong>die</strong> es gilt! <strong>Die</strong><br />
wahre, rechte Überlassung, <strong>die</strong> der Schlüssel des ganzen Inneren <strong>ist</strong>, behält sich nichts<br />
vor, gar nichts: nicht Tod noch Leben, noch Vollkommenheit, noch Seligkeit, noch<br />
Para<strong>die</strong>s, noch Hölle.<br />
„Wenn ich nur dich habe, so frage ich nicht nach Himmel und Erde, wenn mir gleich<br />
Leib und Seele verschmachten ...“ „Wer nicht absagt allem, was er hat, der kann nicht<br />
mein Junger sein“.