Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe
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<strong>Die</strong>se Sehnsucht verliert sich. Es bleibt jedoch ein geheimes Hinneigen zu <strong>die</strong>sen<br />
Zuständen, das von Tag zu Tag tiefer und einfacher, inniger und verborgener wird.<br />
Wer dagegen Hang, Neigung, Bestreben sagt, mag es noch so zart sein, der erinnert an<br />
etwas, das man als Besitz hat, und das außerhalb von uns <strong>ist</strong>. Hier aber machen <strong>die</strong><br />
Neigungen Jesu Chr<strong>ist</strong>i den Stand des Menschen aus. Sie sind ihm einen, wohnen in<br />
ihm gleichsam natürlich. Sie sind ihm nicht von außen angepaßt oder angehängt<br />
worden. Nein! Sie sind dem Menschen wahres Sein und eigentliches Leben. Jesus<br />
Chr<strong>ist</strong>us selber übt <strong>die</strong> aus <strong>die</strong>sem Menschen hervorgehenden Tugenden, ohne aus<br />
sich herauszugehen, und der Mensch übt sie mit ihm und in ihm, ohne aus ihm<br />
herauszugehen (Joh. 5, 19).<br />
Nicht wie etwas Unterschiedenes, was er kennt, sich vornimmt, oder ausübt, sondern<br />
wie etwas, das ihm das Natürlichste vom Natürlichen <strong>ist</strong>. Wie das Atemholen ganz<br />
natürlich und nach Maß der Bedürfnisse erfolgt, ohne das der Atmende an sich oder an<br />
das Atmen denkt, so verhält es sich mit den Neigungen Jesu Chr<strong>ist</strong>i auf <strong>die</strong>ser Stufe.<br />
<strong>Die</strong>ser Zustand steigert sich in dem Maß, wie der Mensch in ihn umgestaltet und mit<br />
ihm eins wird.<br />
Jetzt also <strong>ist</strong> <strong>Gott</strong> allein der Schatz des Menschen, nicht seine Gaben. Ein Schatz, aus<br />
dem er nach Bedarf schöpft, ohne Maß und ohne Ende, ohne daß er jemals abnimmt<br />
oder versiegt. Von nun an <strong>ist</strong> der Mensch wahrhaftig mit Jesus Chr<strong>ist</strong>us bekleidet.<br />
Unser Herr Jesus Chr<strong>ist</strong>us <strong>ist</strong> es eigentlich, der in dem Menschen redet, handelt, sich<br />
offenbart. Er <strong>ist</strong> das Prinzip, das ihn bewegt. Deshalb bereitet <strong>die</strong> Zukunft hier keine<br />
Unruhe mehr: sein Herz erweitert sich täglich durch neues Fassungsvermögen. Er hat<br />
keine Neigung mehr, weder für <strong>die</strong> Aktion, noch für <strong>die</strong> Zurückhaltung, wohl aber, daß<br />
er sein muß wozu Jesus ihn jeden Augenblick macht.<br />
Da <strong>die</strong> Fortschritte des Menschen von nun an ins Unendliche gehen, so überlasse ich<br />
es denen, <strong>die</strong> es aus eigener Erfahrung kennen, sie zu beschreiben. Mir persönlich<br />
mangelt es an Licht in Bezug auf <strong>die</strong> ferneren Stufen, da meine Seele noch nicht weit<br />
genug in <strong>Gott</strong> eingedrungen <strong>ist</strong>, um sie zu erkennen und zu unterscheiden. <strong>Die</strong>ses nur<br />
sei mir erlaubt zu sagen, daß es nicht so leicht <strong>ist</strong>, in <strong>Gott</strong> anzulangen, und daß <strong>die</strong><br />
Reise zu ihm nicht so schnell zurückgelegt wird, wie Manche zu glauben scheinen.<br />
Mir wenigstens <strong>ist</strong> klar geworden, daß auch <strong>die</strong> gottseligsten und erleuchtetsten<br />
Menschen nicht selten <strong>die</strong> Vollendung des empfangenden Standes der Lichter und der<br />
<strong>Liebe</strong> für das Ende des ganzen Standes halten, während <strong>die</strong>s doch weiter nichts <strong>ist</strong>, als<br />
dessen Anfang.<br />
Und das <strong>ist</strong> der Grund, weshalb <strong>die</strong>se Menschen nicht weiter fortschreiten, sich nicht<br />
ganz entblößen zu lassen, oder um <strong>die</strong>s zu früh zu tun.