Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe
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eingestehen, daß, so rau auch <strong>die</strong> Bahn <strong>ist</strong>, <strong>die</strong> zu ihm ein einziger Tag eines solchen<br />
Lebens lange Jahre voll Mühseligkeiten überschwenglich vergelten kann. Freilich sind<br />
<strong>die</strong> Wege, auf welchen <strong>Gott</strong> zu einem so hohen Ziel führt, ganz anders, als man es sich<br />
vorstellt. Er baut, indem er niederreißt und gibt Leben, indem er in den Tod führt.<br />
0, daß ich reden dürfte und könnte von den verborgenen und seltsamen Wegen, auf<br />
denen man hierher geführt wird. Aber stille! <strong>Die</strong> Menschen können es doch nicht<br />
fassen (Matth. 19, 11)!<br />
Wer den Weg geht, versteht mich! Man braucht hier keine besonderen Zeiten noch<br />
Orte. Jede Zeit <strong>ist</strong> recht und gut und jeder Ort bequem und passend. <strong>Die</strong> Mittel sind<br />
nun unnütz geworden. Sie liegen in weiter Ferne hinter uns. Wer ans Ziel gelangt <strong>ist</strong>,<br />
hat weiter nichts zu suchen.<br />
Hier <strong>ist</strong> alles <strong>Gott</strong>. <strong>Gott</strong> <strong>ist</strong> überall und in allem. So <strong>ist</strong> auch der vergottete Mensch<br />
überall und in allen derselbe. Seine Hoffnung <strong>ist</strong> <strong>Gott</strong>. Seine Freude <strong>ist</strong> <strong>Gott</strong>. Sein<br />
Gebet <strong>ist</strong> <strong>Gott</strong>. Immer dasselbe, immer und ununterbrochen. Sein Gebet <strong>ist</strong> inhaltslos,<br />
ununterbrochen, formlos. <strong>Die</strong>s <strong>ist</strong> der Stand des Menschen. Er betet allezeit, allezeit!<br />
Und sollte auch manchmal ein Strahl der Herrlichkeit <strong>Gott</strong>es durch <strong>die</strong> Kräfte und <strong>die</strong><br />
Sinne blitzen, so bleibt der Grund davon unbetroffen. Er bleibt immer derselbe. Es <strong>ist</strong><br />
dem Menschen völlig gleich, ob er in der Einöde sei, oder unter den Menschen, ob er<br />
der Bande des Leibes entledigt sei, oder ihn noch weiter mit sich herumtragen muß. Er<br />
<strong>ist</strong> schon hier vereinigt mit dem Vielgeliebten. Und nicht nur vereinigt, er <strong>ist</strong> selbst<br />
umgestaltet und verwandelt in das Bild des Herrn, den Gegenstand seiner <strong>Liebe</strong>, so,<br />
daß er überall nicht weiter an das <strong>Liebe</strong>n denkt. Er liebt <strong>Gott</strong> mit seiner <strong>Liebe</strong>, <strong>die</strong> <strong>Gott</strong><br />
selbst <strong>ist</strong>. <strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>ist</strong> der Stand der Seele.<br />
III. Entwerdung<br />
Es fällt mir ein Gleichnis ein, das vielleicht dazu <strong>die</strong>nt, <strong>die</strong>se so einfachen und den<br />
Sinnen so fernliegenden Zustande zu erläutern. Es <strong>ist</strong> das Weizenkörnlein, das<br />
verarbeitet werden soll zum Brot für <strong>die</strong> Tafel des Königs. Zu solchem Zweck muß es<br />
zuerst wohl geworfelt und durchsiebt werden, auf daß es von allem Unrat Verschieden<br />
werde. <strong>Die</strong>ses deutet auf <strong>die</strong> vorläufige Bekehrung der Seele und ihre Scheidung von<br />
der Sünde hin. Danach wird das so gereinigte und gesonderte Korn vermahlen und<br />
verrieben auf der Mühle, durch <strong>die</strong> Trübsale nämlich, durch Kreuze, durch<br />
Krankheiten usw. Nachdem es vermahlen und in Mehl verwandelt worden <strong>ist</strong>, muß es<br />
wieder tüchtig gesiebt, gebeutelt werden, damit von ihm abgesondert wird nicht der