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Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

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um seine Gaben wenig bekümmert, wenn er nur aufhört, mit ihm zu zürnen. Er<br />

bezeugt dem Herrn, daß er nur darum weine, weil er das Unglück gehabt hat, ihm zu<br />

mißfallen. Und es <strong>ist</strong> tatsachlich war, daß in <strong>die</strong>sem Augenblick das Mißfallen des<br />

göttlichen Geliebten ihm so Empfindlich <strong>ist</strong>, daß er nicht mehr an <strong>die</strong> verlorenen<br />

Schätze denkt, sondern nur an <strong>die</strong> Trauer des Freundes. Er sucht <strong>Gott</strong> zu besänftigen<br />

durch seine Demütigung, seine Hingabe und seine Klagen. Auch das <strong>ist</strong> dem<br />

himmlischen Freund nicht ganz recht. Er schont aber seine Schwäche, und läßt es ihn<br />

einstweilen nicht merken.<br />

Nachdem er den Menschen eine Weile zagen und zappeln lassen mußte, stellt er sich<br />

so, als sei er nun besänftigt. Trocknet ihm selbst <strong>die</strong> Tränen und tröstet ihn. Wer<br />

beschreibt <strong>die</strong> Freude, das Übermaß von Seligkeit, das der Mensch wegen der ihm<br />

wieder zugewendeten <strong>Liebe</strong> <strong>Gott</strong>es empfindet. Zwar gibt <strong>Gott</strong> ihm <strong>die</strong><br />

zurückgenommenen Pfänder nicht wieder, aber danach fragt der Mensch nicht. Er <strong>ist</strong><br />

froh, nur wieder angeschaut, getröstet und geliebt zu werden von dem Vielgeliebten.<br />

Da jedoch jeder Genuß des Augenblicks vergangene Entbehrungen gewöhnlich<br />

vergessen läßt, so verliert sich der Mensch ganz und gar bei dem wiedergefundenen<br />

Freund. Er gedenkt nicht mehr des überstandenen Jammers, sondern schwelgt in den<br />

neuen Erweisen seiner <strong>Liebe</strong>, so, daß der Bräutigam genötigt wird, sich ihm mit Gewalt<br />

zu entreißen und ihn sofort noch weiter aller Gnaden zu entblößen. Es muß bemerkt<br />

werden, daß <strong>Gott</strong> dem Menschen seine Schätze nur allmählich raubt: Das eine<br />

Kleinod <strong>die</strong>smal, das andere ein andermal.<br />

Je schwächer der Mensch <strong>ist</strong>, desto langwieriger <strong>ist</strong> seine Entblößung. Je stärker er <strong>ist</strong>,<br />

desto früher kann es geschehen, indem <strong>Gott</strong> <strong>die</strong> Kräftigeren auch schärfer und weniger<br />

schonend behandelt. Wie hart auch <strong>die</strong>se Entblößung sei, sie beschränkt sich doch nur<br />

auf das überflüssige und Entbehrliche, auf <strong>die</strong> Gnadengaben, Gnaden und Pfänder.<br />

Auf das Wesentliche erstreckt sie sich in <strong>die</strong>ser Zeit noch nicht. Aber auch das<br />

geschieht nur nach und nach gemäß der Schwäche des Menschen. <strong>Die</strong>se Führung<br />

<strong>Gott</strong>es <strong>ist</strong> so Bewunderungswürdig, sie fließt aus einer so unergründlichen <strong>Liebe</strong> des<br />

Schöpfers für sein Geschöpf, daß man selbst Gegenstand <strong>die</strong>ser <strong>Liebe</strong> gewesen sein<br />

muß, um sie nur einigermaßen zu ermessen. Der Mensch <strong>ist</strong> so erfüllt von sich selbst,<br />

er <strong>ist</strong> so durchwachsen und durchwurzelt von der Eigenliebe, daß er verloren ginge,<br />

wenn <strong>Gott</strong> nicht so mit ihm verführe.<br />

Man möchte fragen: wenn <strong>die</strong> Gnadengaben <strong>Gott</strong>es dem Menschen so gefährlich sind,<br />

warum werden sie ihm dann erst gegeben?<br />

Sie werden ihm gegeben, um ihn von der Sünde loszureißen, um ihn zu erretten von<br />

dem Ankleben an <strong>die</strong> Geschöpfe, um ihn zurückzuziehen zu dem, der <strong>die</strong>se kostbaren<br />

Gaben spendet. Aber eben <strong>die</strong>se Gnadengaben, womit <strong>Gott</strong> den Menschen beschenkt,

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