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Madam Guyon - Die geistlichen Stroeme - Gott ist die Liebe

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verwundern <strong>ist</strong>, wenn er, der an sich selbst nicht einmal denkt, wenig auf <strong>die</strong><br />

Unebenheiten des Weges acht hat. So kommt es dann vor, daß er anstößt und<br />

strauchelt und fällt. Er beschmutzt sich auch wohl mit dem Staub und Kot, in den er<br />

fällt.<br />

Aber <strong>Gott</strong> behütet ihn, daß er sich nicht verletzt. Natürlich erschrickt er über seinen<br />

Fall. Er schämt sich seiner Unvorsichtigkeit wie der schreiensten Untreue. Er streckt<br />

<strong>die</strong> Hände aus nach dem Geliebten. Obwohl <strong>die</strong>ser ihn mit seiner unsichtbaren Hand<br />

stützt, so hütet er sich, <strong>die</strong>s auf eine wahrnehmbare Weise zu tun. Seine Absicht <strong>ist</strong>, daß<br />

der Mensch durch das Fallen und seine vergeblichen Bemühungen, sich wieder<br />

aufzuhelfen, zur Erkenntnis seiner eigenen Untüchtigkeit gelangen soll. Er sucht sich<br />

auch wieder aufzuraffen. Jedoch umsonst! Ohnmächtig und kraftlos sinkt er zurück er<br />

verzagt am Ende an sich selbst. Er läßt ab von den vergeblichen Bestrebungen. Er<br />

entsagt aller Hoffnung. Er möchte mit Hiob sprechen: „Was soll ich harren? Und wer<br />

achtet auf mein Hoffen? Hinunter in <strong>die</strong> Hölle muß er fahren, und meine Hoffnung<br />

wird zu Staub“!<br />

Hier endlich fängt der Mensch an, sich wirklich kennen zu lernen, und infolgedessen<br />

auch sich aufrichtig zu hassen. Das würde nicht geschehen, wenn unser Herr ihn nicht<br />

empfinden und einsehen ließe, wer er eigentlich <strong>ist</strong>. Alle Einsichten, <strong>die</strong> man sich von<br />

seinem Inneren erwirbt durch all <strong>die</strong> Lichter der früheren Stände, reichen lange nicht<br />

hin, den Menschen dahin zu bringen, sich selbst zu hassen. „Wer seine Seele lieb hat“,<br />

steht geschrieben, „der wird sie verlieren, wer sie aber hasset, der wird sie retten“. Nur<br />

<strong>die</strong> Erfahrungen, <strong>die</strong> der Mensch gemacht hat, und <strong>die</strong> ihm so schwer erschienen,<br />

vermochten den bodenlosen Abgrund seines Elends aufzudecken. Kein anderer Weg<br />

hilft da zur wahren Reinigung. Er reinigt höchstens auf der Oberfläche. Der Grund<br />

hingegen bleibt unberührt von ihm. Gerade der Grund <strong>ist</strong> es, in dem <strong>die</strong> Unreinigkeit<br />

sich verbarg, ohne daß sie bis jetzt aus <strong>die</strong>sem ihrem letzten Zufluchtsort und Versteck<br />

hätte herausgepreßt und hinausgetrieben werden können.<br />

<strong>Die</strong>se urgründliche Unreinheit, <strong>die</strong> Wirkung der Eigensucht und Eigenliebe <strong>ist</strong> es, <strong>die</strong><br />

der große Läuterer und Schmelzer jetzt in den Tiefen des Gemütes aufsucht und durch<br />

gewaltiges Pressen und Drücken den Unrat hervorzutreten nötigt. Nehmt einen mit<br />

Schmutz übersättigten Schwamm, wascht ihn, so viel ihr wollt, und ihr werdet nur sein<br />

äußeres reinigen. Den Grund werdet ihr nicht eher säubern, als bis ihr durch kräftiges<br />

zusammendrücken den verborgenen Schmutz herauspreßt. So wird es euch leicht<br />

werden, ihn vollends zu säubern. Genau so verfährt <strong>Gott</strong> mit den Menschen. Er preßt<br />

ihn zusammen auf eine ihm freilich äußerst unangenehme und schmerzhafte Weise. So<br />

nur aber wird das hervortreten, was in seinem inneren verborgen gewesen war.

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