Abschlussbericht der Arbeitsgruppe SC der ...

Abschlußbericht der Arbeitsgruppe SC der Verfassungsschutzbehörden 64
Führung. SC stelle diese wertausfüllungsbedürftigen Begriffe so dar, als handele
es sich um Werte, deren Inhalt absolut feststehe. Ganz offen wird selbst in den
propagandistischen Schriften der SC gesagt, daß das scientologische "Rechts"-
Verfahren auch dazu diene, Abweichler auf Linie zu bringen. 122
Umfang und Komplexität unseres Rechtssystems spiegeln die Vielfalt der Lebensverhältnisse
in einer pluralistischen Gesellschaft wider. Dem entsprechend ist die
Gerichtsbarkeit hier in unterschiedlichen Zweigen spezialisiert und organisiert.
Demgegenüber kennt das scientologisch bestimmte Rechtssystem lediglich vier
Gremien für alle Rechtsfragen. Die sollen die anstehenden Rechtsangelegenheiten
binnen Wochenfrist lösen. Dem Verzicht auf Anwälte und "technischen Förmlichkeiten"
entspricht die versprochene schnelle Rechtsprechung zum Schutz der
"Anständigen und Produktiven". Dieses auf Schnelligkeit und Simplizität reduzierte
Rechtssystem dürfte nur schwerlich mit Rechtsweggarantie und Gewährleistung
des rechtlichen Gehörs in Einklang zu bringen sein. Wer rechtliche Probleme auf
"Richtig oder Falsch, Unschuld oder Schuld" verkürzt, ohne eine Differenzierung
zuzulassen, wird dem Einzelfall ebensowenig gerecht werden können wie derjenige,
der nur dem Anständigen und Produktiven Schutz verspricht. Die zitierten
Textstellen belegen, daß das scientologische Rechtssystem nur unter Verzicht auf
fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien, wie Anspruch auf einen gesetzlichen
und unabhängigen Richter, verwirklicht werden kann.
Die totalitären, auf den jeweiligen Leiter des RTC-Boards zugeschnittenen Führungs-
und Leitungsfunktionen, die jede Teilorganisation von Scientology erfassen
und die dementsprechende Abhängigkeit der Rechtsprechung von "eingesetzten
Autoritäten" legen nahe, daß die von SC für die Regelung von Rechtsfragen vorgesehenen
vier Gremien nicht unabhängig entscheiden können. Die von diesen
auszusprechenden Empfehlungen an die zur Entscheidung berufene Autorität legen
vielmehr nahe, daß auch die Rechtsprechung durch leitende Mitglieder der
Organisation wahrgenommen wird. Da diese innerorganisatorischen Abläufe auch
das jeweilige Rechtssystem bürgerlicher Prägung ersetzen soll, wäre in der scientologischen
Gesellschaft das Prinzip der Gewaltenteilung beseitigt.
Das Rechtsverständnis der SC orientiert sich ausschließlich an den Interessen der
Organisation. Da die SC-"Technologie" den Anspruch erhebt, den Weg zu einer
perfekten Gesellschaft der Zukunft zu eröffnen, ist dieses Rechtsverständnis aber
nicht allein im Hinblick auf die Regelung SC-interner Verhältnisse zu betrachten.
Die Bewahrung der Menschheit vor dem Untergang und der Aufbau einer neuen
Zivilisation erfordern nach scientologischem Verständnis die von der Führung detailgenau
vorgegebene, standardisierte Umsetzung der SC-"Technologie". Die E-
tablierung des beschriebenen scientologischen Rechtssystems dürfte daher zu einer
Beseitigung fundamentaler rechtsstaatlicher Prinzipien führen und die im
Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte - zumindest für Teile der Bevölkerung
- außer Geltung setzen.
III.2.4 Umgang der SC mit Kritikern
Es ist zu prüfen, inwieweit der Umgang der SC mit ihren Kritikern weitere Anhaltspunkte
erkennen läßt, daß in einer scientologisch ausgerichteten Gesellschaft die
im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte sowie das Recht auf Bildung einer
parlamentarischen Opposition beseitigt oder außer Geltung gesetzt sind; § 4
Abs. 2 lit c) und g) BVerfSchG.