Abschlussbericht der Arbeitsgruppe SC der ...

Abschlußbericht der Arbeitsgruppe SC der Verfassungsschutzbehörden 94
2.5.2 Ist - wie im Regelfall - eine Organisation oder ein Personenzusammenschluß
Gegenstand der Prüfung nach den Kriterien der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 lit c
BVerfSchG, so können sich die tatsächlichen Anhaltspunkte aus der Programmatik,
aber auch aus Veröffentlichungen der Gruppierung sowie aus dem Verhalten
und den Äußerungen von Mitgliedern oder Funktionären ergeben 207 . Nicht erforderlich
ist allerdings, daß sich die geforderten Tatbestandsmerkmale sowohl aus
der Programmatik als auch gleichzeitig aus dem konkreten Verhalten der Mitglieder
ergeben. Vielmehr genügt es, wenn entweder das Verhalten oder die Programmatik
Indizien in diesem Sinne beinhalten.
Die Programmatik eines Personenzusammenschlusses reicht schon deswegen für
sich allein aus, um tatsächliche Anhaltspunkte für entsprechende Bestrebungen zu
begründen, weil es das Wesen und die Zweckbestimmung einer Programmatik ist,
ein auf die Erreichung eines ganz bestimmten Zieles bezogenes Handlungskonzept
zumindest in Grundzügen vorzugeben. Im Hinblick auf den Personenzusammenschluß
als Gesamtheit der Mitglieder ergibt sich dies ohne weiteres. Bei den
Mitgliedern einer Organisation ist dagegen im Grundsatz davon auszugehen, daß
sie deren erkennbare Zielsetzungen mittragen und im wesentlichen entsprechend
dem bestehenden Verhaltens- bzw. Handlungsprogramm umsetzen wollen. Daher
ergeben sich aus einer entsprechenden Programmatik in Verbindung mit der Mitgliedschaft,
die sich nicht bloß in völliger Inaktivität erschöpft, auch in Bezug auf
das Mitglied selbst tatsächliche Anhaltspunkte in dem hier verstandenen Sinne.
Das Vorliegen solcher tatsächlichen Anhaltspunkte ist insofern nur dann auszuschließen,
wenn positiv festgestellt werden kann, daß die Mitglieder einer Organisation
die vorgegebenen Zielsetzungen und Handlungskonzeptionen der Organisation
ignorieren und mit völlig anderen Methoden abweichende Ziele verfolgen.
2.5.3 Tatsächliche Anhaltspunkte für "politisch bestimmtes, ziel- und zweckgerichtetes
Verhalten" gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung liegen daher
auch bei einem Mitglied vor, wenn dessen Verhalten ein Element der Handlungskonzeption
der Organisation, die den politischen Erfolg der Beseitigung der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung herbeiführen soll, verwirklicht. Nicht erforderlich
ist dagegen, daß diese Handlung isoliert betrachtet einen finalpolitischen
Charakter aufweist. Vielmehr genügt es insoweit, wenn anzunehmen ist, daß der
Handelnde weiß, durch sein Verhalten eine Programmatik umzusetzen oder zu
fördern, welche letztlich, wenn auch ggf. erst nach einer Vielzahl weiterer für sich
genommen ebenfalls "wertneutraler" Schritte die politisch bestimmte Zielsetzung
erreicht. Insofern ist jedes Handeln entsprechend oder zu Gunsten einer verfassungsfeindlichen
Programmatik als tatsächlicher Anhaltspunkt für verfassungsfeindliches
Handeln anzusehen.
2.5.4 Im übrigen ist die Frage, ob ein einzelnes Mitglied oder eine Vielzahl von
Mitgliedern die Beobachtungsvoraussetzungen erfüllt von der Frage zu unterscheiden,
ob die Organisation, der sie angehören, Bestrebungen gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung verfolgt. Selbst wenn von der grundsätzlichen
Zulässigkeit der Beobachtung einer solchen Organisation ausgegangen werden
kann, so ist dennoch in jedem konkreten Einzelfall und bei jedem Verhalten
eines Mitgliedes die Frage zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine
Datenspeicherung vorliegen oder nicht. Es handelt sich hierbei jedoch um ein
Problem der konkreten Durchführung der Beobachtung, nicht aber um ein solches
der grundsätzlichen Zulässigkeit.