Abschlussbericht der Arbeitsgruppe SC der ...

Abschlußbericht der Arbeitsgruppe SC der Verfassungsschutzbehörden 99
2.6.3 Auf der Grundlage dieser - insoweit nicht einmal vollständigen - Zusammenstellung
ideologisch-programmatischer Aussagen L. Ron Hubbards bzw. der SC
ist eine Vielzahl tatsächlicher Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß sich die Programmatik
der SC keinesfalls nur auf die geistige Befreiung des einzelnen oder
die Regelungen der internen Abläufe der SC selbst bezieht, sondern daß sie auf
konkrete, politisch bestimmte und von SC auch so verstandene Ziele gerichtet ist.
Ihre Absicht ist "nicht bloß die ideale Org, sondern eine neue Zivilisation" 223 - der
Begriff Org wird in der Fußzeile des Textes als "eine Scientology-Organisation"
beschrieben -, die sie nach scientologischen Grundsätzen erschaffen will. 224
Die hier zitierten Beispiele zeigen auch, daß die politischen Auswirkungen keineswegs
lediglich eine faktische Konsequenz der Ideologie oder Aktivität der Scientology
darstellen würden, sondern daß die politische Ausrichtung ein den SC-
Prinzipien untrennbar innewohnendes Merkmal ist.
2.6.4 In dem hier relevanten Prüfungszusammenhang könnte es letztlich auch offen
bleiben, ob SC als Organisation selbst die Macht im Staate erlangen will, da
dies vom Gesetz als Merkmal der Voraussetzung für die Zuständigkeit der Verfassungsschutzbehörden
weder ausdrücklich erwähnt wird noch aus dem Sinnzusammenhang
des Gesetzes ersichtlich ist. Eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung ist keinesfalls auf die Fälle beschränkt, in denen eine
Veränderung der "entsprechenden Machtverhältnisse" angestrebt oder verwirklicht
wird. 225 Vielmehr können Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung
auf ganz unterschiedliche Art und Weise herbeigeführt werden. Zutreffend
stellt insoweit das Gutachten des niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz
fest:
"Eine demokratiegefährdende Veränderung der Gesellschaft vollzieht sich nicht
nur durch revolutionären Umsturz oder durch auf parlamentarischem Wege erzielte
Erlangung der Staatsmacht". 226
Deswegen würde es - im Hinblick auf den in § 1 Abs. 1 BVerfSchG beschriebenen
Gesetzeszweck auch folgerichtig - genügen, daß eine in irgendeiner Weise politisch
bestimmte Verhaltensweise vorliegt. Eine durch Machtstreben entstehende
politische Bestimmtheit ist dagegen nicht erforderlich.
Doch selbst ein solches Machtstreben ist bei Scientology ohne weiteres erkennbar.
So heißt es in einem HCO-PL mit dem Titel "DEPT OF GOVT AFFAIRES"
(Department of Government Affaires = Abteilung für Regierungsfragen) u.a.:
"Das Ziel der Abteilung ist es, die Regierung und feindliche Philosophien oder Gesellschaften
in einen Zustand vollständiger Gefügigkeit mit den Zielen der Scientology
zu bringen." 227
Daß solche Zielsetzungen auch keineswegs nur visionäre, in einer ungewissen
Zukunft liegende Vorstellungen mit überwiegend individualistischem, teilweise therapeutischem
Ansatz, sind, sondern daß das Streben nach Einflußnahme und
Macht aktueller und konkreter Bestandteil der Aktivitäten auch in Deutschland sein
soll, zeigen die Aufforderungen des Präsidenten von Scientology International Heber
C. Jentzsch in der Zeitschrift "Scientology Heute". Dort heißt es:
"Da die Kirche in immer mehr Gesellschaftsbereiche hinein expandiert, ständig
neue Wege erschließt und mehr Völker erreicht, ist es ebenso notwendig, unsere
Kommunikationslinien 228 auszudehnen. Wir müssen in der Lage sein, die richtigen
Leute zu erreichen, um Dinge getan zu bekommen." 229