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Winter/zima 2007/2008 - Pavelhaus

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Und immer wieder das deutsche Bollwerk<br />

Und immer wieder das deutsche Bollwerk<br />

„Es ist wohl verständlich, daß sich Graz mit<br />

seiner weit überwiegenden deutschen Bewohnerschaft<br />

und seiner rein deutschen Intelligenz,<br />

in dieser Stadt nahe der Staatsgrenze<br />

und angesichts der slawischen Brandung, die<br />

ihre Schwesterstädte im steirischen Unterlande<br />

bedrohen, das lange Zeit fast latent gebliebene<br />

Deutschtum zur nationalen Empfindlichkeit<br />

steigerte, und daß sich hier ein nicht<br />

bloß von der Studentenschaft getragenes völkisches<br />

Leben entwickelte […].“ 29<br />

Graz war in der Monarchie das regionale<br />

Hochschulzentrum für die slowenische Untersteiermark<br />

und den gesamten südslawischen<br />

Raum. 30<br />

Die Universität wurde bereits in der ersten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer „Keimzelle“<br />

der slowenischen und kroatischen nationalkulturellen<br />

Erneuerungs- und Widerstandsbewegung.1848<br />

entstanden hier, wie auch an<br />

der Wiener Universität, die ersten politischen<br />

Programme. Damals ging es den südslawischen<br />

wie den deutschsprachigen Studenten<br />

noch primär um die Befreiung von den absolutistischen<br />

Fesseln. In der Folge jedoch trat der<br />

nationale Gedanke in den Vordergrund, wobei<br />

zu betonen ist, dass die Beziehungen der<br />

slowenischen Studenten untereinander nicht<br />

restriktionsfrei waren. So etwa hatten im Verein<br />

„Triglav“ die nationalbewussten Studenten<br />

aus Krain Anstoß daran genommen, dass sich<br />

ihre untersteirischen Kollegen mit Vorliebe<br />

29 Die Stadt Graz, S. 22.<br />

30 Vgl. Harald Heppner: Die Studenten aus den slowenischen Ländern<br />

an der Universität Graz 1848-1914. Die geographische<br />

Herkunft, in: Südosteuropa-Fallstudien. 20 Jahre „Südosteuropäische<br />

Geschichte“ in Graz, Graz 1990, S. 27-47; Ders.: Die<br />

nationale und soziale Herkunft der Studenten aus den slowenischen<br />

Ländern an der Universität Graz 1884-1914, in: Zeitschrift<br />

des Historischen Vereins für Steiermark 82 (1991) (Festschrift<br />

Fritz Posch), S. 199-212.<br />

der deutschen Sprache bedienten. 31 Der Verein<br />

„Triglav“ galt als Sammelbecken der in Graz lebenden<br />

slowenischen Führungsschichte, ebenso<br />

wie der „Tabor“.<br />

Als beide 1909 ein gemeinsames Frühlingsfest<br />

abhalten wollten, mussten sie in den damaligen<br />

Vorort Andritz ausweichen, weil sie<br />

in der Stadt kein geeignetes Lokal bekommen<br />

konnten. Aber selbst in Andritz waren sie vor<br />

Störaktionen deutscher Studenten nicht gefeit.<br />

32<br />

Es mussten aber gar keine Feste sein, um SlowenInnen<br />

aus Lokalen zu verwiesen, wie aus<br />

einer studentischen Ballade hervorgeht:<br />

„Nach des Sandwirts<br />

[Griesgasse] offnen Halligen<br />

Muß ich nun einmal auch walligen,<br />

Wo der Studio sich bezecht,<br />

Wo ertönen deutsche Lieder,<br />

Und die edlen wind'schen Brüder,<br />

Wirft hinaus des Hauses Knecht.“ 33<br />

Universität und Technische Hochschule hoben<br />

ihren deutschen Charakter hervor. 1911<br />

betonte die Festschrift des Joanneums, aus<br />

dem die Technische Hochschule hervorgegangen<br />

war:<br />

„Auch in nationaler Hinsicht haben die Studenten<br />

der Technischen Hochschule stets ihre<br />

Pflicht getan. Trotzdem zu den nichtdeutschen<br />

31 Günter Cerwinka: Die Anfänge der nichtdeutschen Studentenvereine<br />

in Graz, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark<br />

68 (1975), S. 201.<br />

32 Promitzer/Petrowitsch, S. 191.<br />

33 Zit. aus: Günther Cerwinka: Student und Gasthaus in Graz,<br />

in: Grazer Gastlichkeit. Beiträge zur Geschichte des Beherbergungs-<br />

und Gastgewerbes in Graz. Wissenschaftliche Leitung<br />

Herwig Ebner, Redaktion Gerhard M. Dienes (Publikationsreihe<br />

des Grazer Stadtmuseums IV, 1985, hg. von Wilhelm Steinböck),<br />

Graz/Wien 1985, S. 99<br />

Studierenden immer gute kollegiale Beziehungen<br />

bestanden, haben die deutschen Techniker doch<br />

jedes nationale Ereignis benutzt, um den deutschen<br />

Charakter der Technischen Hochschule<br />

in Graz in würdiger Weise zu betonen. Auch<br />

die Bestrebungen der deutschen Schutzvereine<br />

(Schulverein und Südmark) fanden in der deutschen<br />

Technikerschaft erfolgreiche Förderer.“<br />

– Eine Feststellung ganz im Sinne jener, die<br />

den Schutz des Deutschtums an der südlichen<br />

Sprachgrenze forderten. 34<br />

Etliche Professoren, unter denen es neben<br />

„Deutschnationalen“ auch „Deutschvölkische“<br />

gab, kritisierten, dass die Statuten der Slowenischen<br />

Studentenvereine nicht in Deutsch<br />

verfasst waren. 35<br />

„Deutschvölkisch“ eingestellt war zum Beispiel<br />

Rudolf Polland, ein Wegbereiter des<br />

akademisch gelehrten Rassismus, der 1924<br />

die Grazer Gesellschaft für Eugenetik (=Rassenhygiene)<br />

gründete. In seinen rassentheoretischen<br />

Gedanken sah Polland die Funktion<br />

der Steiermark aufgrund der vorwiegend<br />

„nordisch-dinarischen Rassenzusammensetzung“<br />

der Bevölkerung als „tapferen, standhaften<br />

Grenzwächter darin, Schutzwall für<br />

das [...] stärker nordisch bedingte [...] Binnendeutschtum“<br />

zu sein. So gewährleiste die Steiermark,<br />

„dass sie bei der erstrebten Einigung<br />

des deutschen Volkes [...] eine treue Hüterin<br />

des Deutschtums im Südosten bilden wird“. 36<br />

Auch Geisteswissenschafter stimmten in diesen<br />

Canon ein.<br />

34 Vgl. Gerhard M. Dienes: Kulturbeziehungen. Graz als Residenz<br />

von Innerösterreich. Rückblicke und Ausblicke, grazer stadtmuseum<br />

in serie 1/93, Graz 1993, S. 30.<br />

35 Promitzer/Petrowitsch, S. 189.<br />

36 Stefan Karner: Die Steiermark im Dritten Reich. 1938-1945. Aspekte<br />

ihrer politischen, wirtschaftlich-sozialen und kulturellen<br />

Entwicklung, Graz/Wien 1986, S. 168.<br />

1924 hoben der Kunsthistoriker Walter Semetkowski<br />

und der Historiker Fritz Popelka<br />

in einem Fremdenführer hervor, dass Graz<br />

weiter daran arbeiten müsse, den Ruhmestitel,<br />

„die Vorkämpferin für das Deutschtum im<br />

Südosten zu sein“, beizubehalten; und Popelka<br />

führte in seiner Stadtgeschichte von Graz aus,<br />

dass „selbst die Einwanderung aus slawischen<br />

Gebieten im 19. Jahrhundert“ die Dominanz<br />

„nordischer Typen“ nicht mindern konnte. 37<br />

Popelkas aus der Untersteiermark stammender<br />

Kollege Hans Pirchegger verkündete<br />

nach dem Anschluss an Hitlerdeutschland:<br />

„Unser Land wurde wieder, was es unter Karl<br />

d. Gr. und Otto I. war: eine Grenzmark des<br />

Reiches, die Südmark.“ 38<br />

Der spätere „Landeshistoriker“ bedient sich<br />

hier, wie ein Reiseführer aus dem Jahre 1939<br />

verdeutlicht, ganz der Diktion der NS-Touristiker:<br />

„Graz ist nunmehr wieder das geworden, was<br />

es schon im Mittelalter war: der starke Eckpfeiler<br />

des Deutschtums im Südosten des geeinten<br />

Reiches aller Deutschen.“ 39<br />

Das „Bollwerk Steiermark“ stand im Vordergrund,<br />

ebenso der Befreiungskampf der Steirer,<br />

die im „südöstlichsten Winkel Deutschlands<br />

im Laufe der deutschen Geschichte<br />

Unerhörtes“ erlitten hatten. 40 Als Adolf Hit-<br />

37 Nöst, S. 8, Fritz Popelka: Geschichte der Stadt Graz, Bd. II, mit<br />

dem Häuser- und Gassenbuch der Vorstädte am rechten Murufer<br />

von Hans Pirchegger, Graz 1935, Neudrucke 1959, 1984, S.<br />

310.<br />

38 Karner, S. 167; über Pirchegger vgl. ebda. S. 124.<br />

39 Christian Ehetreiber: Die touristische Mobilmachung der heimlichen<br />

Literaturhauptstadt, in: Stadtkultur-Kulturstadt. Eine<br />

Bestandsaufnahme aus Anlaß des Europäischen Kulturmonats,<br />

Graz, Mai 1993, hg. von Gerhard Melzer, Graz 1994, S. 278<br />

40 Manfred Jasser: Die Stadt der Volkserhebung, hg. vom Gaupropagandaamt<br />

Steiermark, o.O., o.J., o.S.<br />

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