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Winter/zima 2007/2008 - Pavelhaus

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Und immer wieder das deutsche Bollwerk<br />

Und immer wieder das deutsche Bollwerk<br />

ler nach Graz kam und im Landeszeughaus die<br />

vielen Rüstungen sah, die ihm für die heutige<br />

Bevölkerung viel zu klein schienen, schloss er,<br />

dass im Laufe der Jahrhunderte die „Aufnordung<br />

fremden Blutes“ gerade in diesem Grenzraum<br />

im hohen Maße vor sich gegangen sei.<br />

Um diesen Rasseneffekt zu verstärken, verlegte<br />

er Eliteeinheiten der Waffen-SS nach Graz. 41<br />

Von Graz aus wurde das „neue“ Schulwesen<br />

im „Unterland“ organisiert, getreu dem Auftrag,<br />

den Siegfried Uiberreither von Hitler<br />

erhalten hatte: „Machen Sie mir dieses Land<br />

wieder deutsch!“ Für den Gauleiter hatte „darinnen<br />

nur Platz […] der Deutsche und jene<br />

Steirer, die Jahre und Jahrzehnte und Jahrhunderte<br />

hindurch kameradschaftlich Schulter<br />

zu Schulter mit unseren Volksgenossen gekämpft<br />

haben“. 42<br />

Nach 1945 blieb das Grazer Bürgertum so,<br />

wie es vor 1938 war: „national, konservativ,<br />

reaktionär“. 43<br />

Personen, die in der NS-Zeit reüssiert hatten,<br />

kamen rasch wieder zu Ehren, beispielsweise<br />

Hans Pirchegger, der es bis zum Ehrenbürger<br />

der Stadt Graz brachte, oder der gleichfalls<br />

aus der Untersteiermark stammende Josef<br />

Papesch. Papesch, der in der NS-Gaukultur<br />

hohe Ämter bekleidet hatte, redigierte die<br />

Rundbriefe des Alpenländischen Kulturvereins<br />

„Südmark“, heute „Lot und Waage“, ein<br />

Periodikum, in dem immer wieder gegen die<br />

Ableitung des Namens Graz vom slawischen<br />

„gradec“ zu Felde gezogen wird. 1963 erhielt<br />

41 Vgl. Josef F. Desput: Presse, Rundfunk, Theater und Kino in<br />

Graz 1938, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 18/19, Graz<br />

1988, S. 375f.<br />

42 Karner, S. 131.<br />

43 Alfred Kolleritsch: Gegenliebe, in: Graz von innen. Eine Anthologie,<br />

Graz, o. J., S. 24.<br />

Papesch den Peter-Rosegger-Preis. 44 Dem Autor<br />

dieses Artikels, der ab 1963 das Gymnasium<br />

in Knittelfeld besuchte, ist nicht erinnerlich,<br />

dort jemals von Slowenien oder den<br />

SlowenInnen etwas gehört zu haben.<br />

Dementsprechend findet sich im „Steirischen<br />

Liederbuch“ (Ausgabe 1961) neben heimischen<br />

Weisen zwar eine aus dem Odenwald,<br />

eine aus dem Westerwald, aus Schlesien,<br />

aus den Masuren, dem Elsass und Frankreich<br />

(!), aus Italien, England und Schottland, aus<br />

den USA etc., man findet ein Volkslied aus<br />

Serbien, aber kein einziges aus dem slowenischen<br />

Nachbarraum! 45<br />

Von diesem witterten die Herausgeber des<br />

steirischen „Jungbürgerbuches“ 1959 Gefahr<br />

für Österreich:<br />

„Wohl hatten seit der Machtergreifung des<br />

Nationalsozialismus in Österreich im Jahre<br />

1938 die bevölkerungspolitischen Maßnahmen<br />

dieses Systems vorübergehend eine wesentliche<br />

Besserung unserer biologischen Situation<br />

zur Folge, aber unter dem Einfluß des Krieges<br />

wurde das wiedererstandene Österreich während<br />

der Nachkriegsjahre zum zweiten Male<br />

der geburtenärmste Staat der Welt mit einer<br />

für die Bestandserhaltung unseres Volkes unzureichenden<br />

Geburtenzahl. […] Hoffentlich<br />

wird sich aus der Tatsache, dass gerade in den<br />

österreichischen Grenzgebieten unserer sehr<br />

kinderfreudigen Nachbarn im Nordosten, Osten<br />

und Südosten (in Jugoslawien zählt man<br />

fast doppelt so viele Kinder auf das Tausend<br />

44 Gerhard M. Dienes: Über den reaktionären braunen Sumpf. Aspekte<br />

zu einer Literaturgeschichte von Graz und der Steiermark<br />

im 20. Jahrhundert, in: manuskripte. Zeitschrift für Literatur<br />

170/2005, S. 126.<br />

45 Steirisches Liederbuch. Hg vom Steirischen Volksbildungswerk.<br />

Zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Schwarz und Emil<br />

Seidl, Wien 1961, S. 38, 145, 151, 46, 120, 150f., 231, 260.<br />

der Bevölkerung als in Österreich!) die nachwuchsschwächsten<br />

bäuerlichen Siedlungen befinden,<br />

nicht einmal eine unerwünschte, gewaltsame<br />

Einwanderung ergeben.“46 Eine<br />

eindeutige Trennlinie zum Nachbarn im Süden<br />

zog 1962 auch Hanns Koren: „Es war die<br />

alte Landesgrenze gegen Zagorien, Kroatien<br />

und Krain hin und es ist die neue Grenze seit<br />

1919, die einmal den geschlossenen Bereich<br />

des Landes in zwei verschiedene Sprachgebiete<br />

trennte und heute die Grenze der Steiermark,<br />

der Republik Österreich, der deutschen Muttersprache<br />

und des abendländischen Begriffes<br />

der Freiheit ist.“ 47<br />

Koren erkannte jedoch die geistige Enge eines<br />

falsch verstandenen Heimatbegriffes, den er<br />

mit dem Brückenschlag des „Trigon“-Gedankens<br />

im Bereich der Bildenden Kunst zu überschreiten<br />

versuchte. Graz sollte zum Ort der<br />

Begegnung germanischer, slawischer und romanischer<br />

Kulturkreise werden. 48<br />

Von einer anderen Gedankenwelt determiniert,<br />

entstand 1970 auf dem Schlossberg<br />

ein Denkmal zum „Gedächtnis der ehemals<br />

deutschen Gebiete in der Untersteiermark“.<br />

Bürgermeister Gustav Scherbaum hatte „aus<br />

Achtung vor so viel Heimatliebe, die zu den<br />

idealsten Gefühlen der Menschheit zählt, die<br />

Aufstellung genehmigt“.<br />

Vor allem seit dem EU-Beitritt Sloweniens hat<br />

das Denkmal seine letzte Brisanz eingebüßt.<br />

Es ist zum Denkmal eines Denkmals geworden<br />

– oder kündet es für manche noch immer<br />

46 Die Heimat lädt dich ein. Eine Gabe an die steirischen Jungbürger.<br />

Hg. vom Landesjugendreferat der Steiermärkischen Landesregierung,<br />

Graz 1959, S. 41f., 46f.<br />

47 Dieter Binder: Die Heimat machen. Das restaurative Klima der<br />

Steiermark 1955, in: Graz 1955, Historisches Jahrbuch der Stadt<br />

Graz, Graz 2005, S. 180.<br />

48 Dienes, Kulturbeziehungen, S. 51ff.<br />

vom „deutschen Leid in Untersteier“? 49 Graz<br />

präsentiert sich seit geraumer Zeit touristisch<br />

zwar „mit kosmopolitischer Weltoffenheit<br />

als Europastadt“, aber noch immer und vielleicht<br />

sogar wieder stärker als „südöstlichste<br />

deutsche Großstadt“ und mit „Frontier-Frontalität“<br />

als „Bollwerk des Abendlandes“ auch<br />

ohne Ostmark und Südmark. 50<br />

Schließlich betonen PolitikerInnen im Sinne<br />

der erfolgreichen Abwehr aller Gefahren aus<br />

dem Südosten, dass es in der Steiermark keine<br />

SlowenInnen gäbe und dass im Artikel 7<br />

des Österreichischen Staatsvertrages das Land<br />

„irrtümlich“ erwähnt wird. 51<br />

Österreich sieht heute Slowenien als wirtschaftliches<br />

Interessens- und Invasionsgebiet 52 und<br />

geht nicht nur im Ökonomischen auf der „ausgetretenen<br />

Einbahnstraße der Dummheit und<br />

der Arroganz der großen gegenüber den kleinen,<br />

der etwas Größeren gegenüber den noch<br />

etwas Kleineren […]“, wie Lojze Wieser kritisiert.<br />

53 Und Graz macht da keine Ausnahme.<br />

49 Gustav Scherbaum: Erinnerungen eines Grazer Bürgermeisters,<br />

Graz/Wien/Köln 1985, 122f.; Dienes, Schlossberge, S. 162.<br />

50 Ehetreiber, S. 261, 266.<br />

51 Karl Smolle, Hubert Mikel: Vorwort, in: Steirische Slowenen,<br />

Bd. 9, Österr. Volksgruppenhandbücher, Graz 1996, S. 9.<br />

52 Veronika Canaval: Slowenen fürchten sich vor dem Ausverkauf,<br />

in: Salzburger Nachrichten, 17. 9. 2005, S. 18<br />

53 Ein Nebel, der die Seele verhüllt. Ein literarisches Resümee von<br />

Lojze Wieser, in: Die Zeit, 6. 7. 2006, S. 10.<br />

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