Winter/zima 2007/2008 - Pavelhaus
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Alter – neuer Nachbar?<br />
Alter – neuer Nachbar?<br />
frage zwar distanziert, aber politisch wurden<br />
keine klaren Trennlinien zu alten Nationalsozialismen<br />
gezogen. In Ljubljana wurde auch<br />
von manchen diese Problematik genutzt, wobei<br />
vor allem medial offensichtlich von einem<br />
„old boys network“ die Spannungen auch am<br />
Leben gehalten wurden. Zeitweise spielten<br />
auch die Auseinandersetzungen um die verbliebene<br />
kleine deutschsprachige Minderheit<br />
eine Rolle, wenngleich es Schritt um Schritt<br />
einer klugen Nachbarschaftspolitik gelungen<br />
ist, praktikable Wege zu finden. Wenngleich<br />
der Osimo-Vertrag den Italienern mehr Möglichkeiten<br />
gibt, ist dort die Spannungslage<br />
zweifellos aus der lokalen Situation (Triest!)<br />
höher. Wirtschaftlich ist das Verhältnis der<br />
beiden Länder eine Erfolgsstory, wenngleich<br />
es Slowenien bislang verstanden hat, traditionell<br />
etwas nationalistische Verhaltensweisen<br />
beizubehalten, die allerdings der österreichischen<br />
Politik rund um die „Verstaatlichte“<br />
sehr nahe sind.<br />
Was heißt Nachbar sein? Jedes Land hat<br />
aufgrund seiner geopolitischen Lage, aus der<br />
Geschichte und natürlich auch aus den wirtschaftlichen<br />
Gegebenheiten ein komplexes<br />
Verhältnis zu seinen Nachbarn. Man kann<br />
das am Beispiel Österreichs ohne Schwierigkeiten<br />
ablesen: wir sind gegenüber der Schweiz<br />
Nachbarn mit dem Rücken zueinander, Liechtenstein<br />
unterliegt manchmal einer obskuren<br />
Betrachtungsweise, die Deutschen sind für<br />
uns eine Mischung von Bewunderungsobjekt<br />
aus Minderwertigkeitskomplexen und<br />
freundschaftlicher Distanziertheit (Piefke),<br />
mit den Tschechen wieder verbindet uns so<br />
viel, dass daraus jede Menge von Abneigungen<br />
und sinnlos kultivierten Problemen (Beneš-<br />
Dekrete, Temelin etc.) entstanden sind, die<br />
die offizielle Szene beherrschen, während das<br />
pragmatische tagtägliche Verhältnis mehr als<br />
normal ist. Wir Österreicher haben Schwierigkeiten,<br />
überhaupt zu begreifen, was die Slowakei<br />
ist, wobei sich heimlich, still und leise<br />
der Raum Wien – Bratislava zu einer gemeinsamen<br />
Zone entwickelt. Ungarn ist ein typischer<br />
Fall der Romantik, weil der Schatten<br />
der Donaumonarchie emotional ein positives<br />
Bild produziert, das auch in der Praxis gut umgesetzt<br />
wird. Mit den Italienern wieder gab es<br />
jahrzehntelang das Südtirolproblem als Zankapfel,<br />
heute ist es ein gutes Beispiel, wie man<br />
ein Verhältnis gestalten kann, das mutatis mutandis<br />
auch angesichts der slowenischen Minderheit<br />
anzuwenden wäre. Natürlich sind die<br />
Situationen nicht vergleichbar, aber in Wahrheit<br />
sind wir einer tiefinnigen Freundschaft<br />
mit den Slowenen weitaus näher, als sich das<br />
manche eingestehen wollen, die von diesen<br />
Spannungsverhältnissen leben. Interessanterweise<br />
hat sich die Relation über die steirische<br />
Grenze weitaus entspannter entwickelt, wenngleich<br />
die Veränderungen durch die politische<br />
Geschichte betreffend Untersteiermark – heute<br />
in Slowenien „Štajerska“ genannt – viel besser<br />
entwickelt. Wenn die Universität Maribor<br />
auf ihrem Weingut nach wie vor Produkte verkauft,<br />
die den Namen „Erzherzog Johann“ tragen,<br />
kann man sehen, was man positiv aus der<br />
Geschichte machen kann. Es sei auch einmal<br />
angemerkt, dass die slowenische Minderheit in<br />
Österreich alles andere als eine fünfte Kolonne<br />
des Nachbarlandes ist. Sie hat aktiven Anteil<br />
an der kulturellen Gestaltung, sie präsentiert<br />
sich etwa mit ihren studentischen Aktivitäten<br />
in Wien ganz ausgezeichnet. Sie hat ein Verlagswesen<br />
entwickelt, das der so notwendigen<br />
Kenntnis des südosteuropäischen Raums in<br />
Österreich, ja im deutschsprachigen Raum,<br />
wesentliche Beiträge geleistet hat (Hermagoras-Verlag,<br />
Wieser-Verlag, Drava-Verlag). Das<br />
ist eine eigenständige Leistung, die man nicht<br />
hoch genug einschätzen kann. Es mag auch<br />
daran liegen, dass viele Angehörige der slowenischen<br />
Minderheit aus Kärnten nach Wien<br />
„emigriert“ sind, die im intellektuellen Leben<br />
der Bundeshauptstadt eine entscheidende Rolle<br />
spielen. Ich werde nie vergessen, als ich 1991<br />
im von mir geleiteten Wissenschaftsministerium<br />
eine Erhebung machte, wer eine Sprache<br />
unserer südöstlichen Nachbarn spricht, wie<br />
groß die Zahl derer war, die Slowenisch angaben,<br />
was mir weder bewusst noch bekannt<br />
war. Das allein sollte schon mehr Nachdenklichkeit<br />
in gewissen politischen Kreisen Kärntens<br />
erzeugen.<br />
Europäische Perspektiven Sloweniens. Slowenien<br />
ist in der aktuellen Situation der EU<br />
gefragt. Zwar haben wir seit dem EU-Gipfel<br />
Thessaloniki 2003 die explizite Festlegung,<br />
dass Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien,<br />
Montenegro, Albanien und Mazedonien Mitglieder<br />
werden sollen, aber der Weg dahin ist<br />
steinig. Im Moment tendiert Slowenien dazu,<br />
eine Reihe dieser Steine für den Nachbarn<br />
Kroatien politisch zu bereiten. Da sind nicht<br />
nur die leidige Frage der Bucht von Koper sowie<br />
einige andere Grenzprobleme, sondern<br />
auch die ungelöste Liste der Nachfolgefragen<br />
Jugoslawiens. Die EU kann nur einen möglichen<br />
Standpunkt haben: vor dem Beitritt<br />
Kroatiens müssen diese Fragen bilateral gelöst<br />
werden, wobei sie kein Anlass dafür sein<br />
dürfen, den Eintritt des immerhin nur 27 Kilometer<br />
von der österreichischen Grenze entfernten<br />
Landes zu behindern. Auch da hält die<br />
Geschichte einige Restposten zur Verfügung,<br />
die der Bearbeitung bedürfen. So halten die<br />
Slowenen den Kroaten immer noch die Entscheidung<br />
des damaligen Präsidenten Tudjman<br />
vor, die jugoslawische Volksarmee am<br />
Durchmarsch nach Slowenien nicht gehindert<br />
zu haben. Ich weiß allerdings nicht, was<br />
sie hätten tun sollen. Besser sieht die Situation<br />
im Hinblick auf die anderen Kandidaten aus.<br />
Slowenien hat es bisher verstanden, als Advokat<br />
aufzutreten, wobei zu hoffen ist, dass insbesondere<br />
im Hinblick auf Mazedonien die<br />
slowenische EU-Präsidentschaft <strong>2008</strong> für die<br />
Öffnung von Verhandlungen eintritt.<br />
Gebraucht wird auch die gute Kenntnis unserer<br />
slowenischen Nachbarn in dieser Region,<br />
die sich nicht zuletzt dadurch auszeichnet,<br />
dass inzwischen, nach dem Zerfall des alten<br />
Jugoslawiens, längst wieder slowenische Unternehmen<br />
in diesem Raum investieren, wirtschaftliche<br />
Erfolge haben und auf diese Weise<br />
ein wichtiger Integrationsfaktor sind. Jede slowenische<br />
Regierung hat es bisher auch verstanden,<br />
ihre Kenntnisse auch in Brüssel zu artikulieren,<br />
wie sich auch an der eindrucksvollen<br />
Figur des EU-Kommissars für Forschung und<br />
Entwicklung Janez Potočnik, früherer Europaminister,<br />
zeigt. Unter dem Außenminister<br />
Dimitrij Rupel wurde auch ein eindrucksvoller<br />
OSZE-Vorsitz hingelegt, der zeigt, dass<br />
auch ein kleines Land geopolitisch durchaus<br />
kompetent aktiv sein kann. An dieser Stelle sei<br />
auch etwas bemerkt, was ich bislang für problematisch<br />
halte: die slowenischen Freunde<br />
kokettieren ein wenig damit, dass sie nur zwei<br />
Millionen sind, ein kleines Land und von allen<br />
verkannt. Gerade die Kleinstaaten haben<br />
aber im Kontext der europäischen Integration<br />
eine bedeutende Rolle: ihre Nachbarschaftspolitik<br />
ist von Großmachtsträumen der Vergangenheit<br />
nicht belastet, sie haben eine au-<br />
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