19.02.2015 Aufrufe

Winter/zima 2007/2008 - Pavelhaus

Winter/zima 2007/2008 - Pavelhaus

Winter/zima 2007/2008 - Pavelhaus

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Alter – neuer Nachbar?<br />

Alter – neuer Nachbar?<br />

frage zwar distanziert, aber politisch wurden<br />

keine klaren Trennlinien zu alten Nationalsozialismen<br />

gezogen. In Ljubljana wurde auch<br />

von manchen diese Problematik genutzt, wobei<br />

vor allem medial offensichtlich von einem<br />

„old boys network“ die Spannungen auch am<br />

Leben gehalten wurden. Zeitweise spielten<br />

auch die Auseinandersetzungen um die verbliebene<br />

kleine deutschsprachige Minderheit<br />

eine Rolle, wenngleich es Schritt um Schritt<br />

einer klugen Nachbarschaftspolitik gelungen<br />

ist, praktikable Wege zu finden. Wenngleich<br />

der Osimo-Vertrag den Italienern mehr Möglichkeiten<br />

gibt, ist dort die Spannungslage<br />

zweifellos aus der lokalen Situation (Triest!)<br />

höher. Wirtschaftlich ist das Verhältnis der<br />

beiden Länder eine Erfolgsstory, wenngleich<br />

es Slowenien bislang verstanden hat, traditionell<br />

etwas nationalistische Verhaltensweisen<br />

beizubehalten, die allerdings der österreichischen<br />

Politik rund um die „Verstaatlichte“<br />

sehr nahe sind.<br />

Was heißt Nachbar sein? Jedes Land hat<br />

aufgrund seiner geopolitischen Lage, aus der<br />

Geschichte und natürlich auch aus den wirtschaftlichen<br />

Gegebenheiten ein komplexes<br />

Verhältnis zu seinen Nachbarn. Man kann<br />

das am Beispiel Österreichs ohne Schwierigkeiten<br />

ablesen: wir sind gegenüber der Schweiz<br />

Nachbarn mit dem Rücken zueinander, Liechtenstein<br />

unterliegt manchmal einer obskuren<br />

Betrachtungsweise, die Deutschen sind für<br />

uns eine Mischung von Bewunderungsobjekt<br />

aus Minderwertigkeitskomplexen und<br />

freundschaftlicher Distanziertheit (Piefke),<br />

mit den Tschechen wieder verbindet uns so<br />

viel, dass daraus jede Menge von Abneigungen<br />

und sinnlos kultivierten Problemen (Beneš-<br />

Dekrete, Temelin etc.) entstanden sind, die<br />

die offizielle Szene beherrschen, während das<br />

pragmatische tagtägliche Verhältnis mehr als<br />

normal ist. Wir Österreicher haben Schwierigkeiten,<br />

überhaupt zu begreifen, was die Slowakei<br />

ist, wobei sich heimlich, still und leise<br />

der Raum Wien – Bratislava zu einer gemeinsamen<br />

Zone entwickelt. Ungarn ist ein typischer<br />

Fall der Romantik, weil der Schatten<br />

der Donaumonarchie emotional ein positives<br />

Bild produziert, das auch in der Praxis gut umgesetzt<br />

wird. Mit den Italienern wieder gab es<br />

jahrzehntelang das Südtirolproblem als Zankapfel,<br />

heute ist es ein gutes Beispiel, wie man<br />

ein Verhältnis gestalten kann, das mutatis mutandis<br />

auch angesichts der slowenischen Minderheit<br />

anzuwenden wäre. Natürlich sind die<br />

Situationen nicht vergleichbar, aber in Wahrheit<br />

sind wir einer tiefinnigen Freundschaft<br />

mit den Slowenen weitaus näher, als sich das<br />

manche eingestehen wollen, die von diesen<br />

Spannungsverhältnissen leben. Interessanterweise<br />

hat sich die Relation über die steirische<br />

Grenze weitaus entspannter entwickelt, wenngleich<br />

die Veränderungen durch die politische<br />

Geschichte betreffend Untersteiermark – heute<br />

in Slowenien „Štajerska“ genannt – viel besser<br />

entwickelt. Wenn die Universität Maribor<br />

auf ihrem Weingut nach wie vor Produkte verkauft,<br />

die den Namen „Erzherzog Johann“ tragen,<br />

kann man sehen, was man positiv aus der<br />

Geschichte machen kann. Es sei auch einmal<br />

angemerkt, dass die slowenische Minderheit in<br />

Österreich alles andere als eine fünfte Kolonne<br />

des Nachbarlandes ist. Sie hat aktiven Anteil<br />

an der kulturellen Gestaltung, sie präsentiert<br />

sich etwa mit ihren studentischen Aktivitäten<br />

in Wien ganz ausgezeichnet. Sie hat ein Verlagswesen<br />

entwickelt, das der so notwendigen<br />

Kenntnis des südosteuropäischen Raums in<br />

Österreich, ja im deutschsprachigen Raum,<br />

wesentliche Beiträge geleistet hat (Hermagoras-Verlag,<br />

Wieser-Verlag, Drava-Verlag). Das<br />

ist eine eigenständige Leistung, die man nicht<br />

hoch genug einschätzen kann. Es mag auch<br />

daran liegen, dass viele Angehörige der slowenischen<br />

Minderheit aus Kärnten nach Wien<br />

„emigriert“ sind, die im intellektuellen Leben<br />

der Bundeshauptstadt eine entscheidende Rolle<br />

spielen. Ich werde nie vergessen, als ich 1991<br />

im von mir geleiteten Wissenschaftsministerium<br />

eine Erhebung machte, wer eine Sprache<br />

unserer südöstlichen Nachbarn spricht, wie<br />

groß die Zahl derer war, die Slowenisch angaben,<br />

was mir weder bewusst noch bekannt<br />

war. Das allein sollte schon mehr Nachdenklichkeit<br />

in gewissen politischen Kreisen Kärntens<br />

erzeugen.<br />

Europäische Perspektiven Sloweniens. Slowenien<br />

ist in der aktuellen Situation der EU<br />

gefragt. Zwar haben wir seit dem EU-Gipfel<br />

Thessaloniki 2003 die explizite Festlegung,<br />

dass Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien,<br />

Montenegro, Albanien und Mazedonien Mitglieder<br />

werden sollen, aber der Weg dahin ist<br />

steinig. Im Moment tendiert Slowenien dazu,<br />

eine Reihe dieser Steine für den Nachbarn<br />

Kroatien politisch zu bereiten. Da sind nicht<br />

nur die leidige Frage der Bucht von Koper sowie<br />

einige andere Grenzprobleme, sondern<br />

auch die ungelöste Liste der Nachfolgefragen<br />

Jugoslawiens. Die EU kann nur einen möglichen<br />

Standpunkt haben: vor dem Beitritt<br />

Kroatiens müssen diese Fragen bilateral gelöst<br />

werden, wobei sie kein Anlass dafür sein<br />

dürfen, den Eintritt des immerhin nur 27 Kilometer<br />

von der österreichischen Grenze entfernten<br />

Landes zu behindern. Auch da hält die<br />

Geschichte einige Restposten zur Verfügung,<br />

die der Bearbeitung bedürfen. So halten die<br />

Slowenen den Kroaten immer noch die Entscheidung<br />

des damaligen Präsidenten Tudjman<br />

vor, die jugoslawische Volksarmee am<br />

Durchmarsch nach Slowenien nicht gehindert<br />

zu haben. Ich weiß allerdings nicht, was<br />

sie hätten tun sollen. Besser sieht die Situation<br />

im Hinblick auf die anderen Kandidaten aus.<br />

Slowenien hat es bisher verstanden, als Advokat<br />

aufzutreten, wobei zu hoffen ist, dass insbesondere<br />

im Hinblick auf Mazedonien die<br />

slowenische EU-Präsidentschaft <strong>2008</strong> für die<br />

Öffnung von Verhandlungen eintritt.<br />

Gebraucht wird auch die gute Kenntnis unserer<br />

slowenischen Nachbarn in dieser Region,<br />

die sich nicht zuletzt dadurch auszeichnet,<br />

dass inzwischen, nach dem Zerfall des alten<br />

Jugoslawiens, längst wieder slowenische Unternehmen<br />

in diesem Raum investieren, wirtschaftliche<br />

Erfolge haben und auf diese Weise<br />

ein wichtiger Integrationsfaktor sind. Jede slowenische<br />

Regierung hat es bisher auch verstanden,<br />

ihre Kenntnisse auch in Brüssel zu artikulieren,<br />

wie sich auch an der eindrucksvollen<br />

Figur des EU-Kommissars für Forschung und<br />

Entwicklung Janez Potočnik, früherer Europaminister,<br />

zeigt. Unter dem Außenminister<br />

Dimitrij Rupel wurde auch ein eindrucksvoller<br />

OSZE-Vorsitz hingelegt, der zeigt, dass<br />

auch ein kleines Land geopolitisch durchaus<br />

kompetent aktiv sein kann. An dieser Stelle sei<br />

auch etwas bemerkt, was ich bislang für problematisch<br />

halte: die slowenischen Freunde<br />

kokettieren ein wenig damit, dass sie nur zwei<br />

Millionen sind, ein kleines Land und von allen<br />

verkannt. Gerade die Kleinstaaten haben<br />

aber im Kontext der europäischen Integration<br />

eine bedeutende Rolle: ihre Nachbarschaftspolitik<br />

ist von Großmachtsträumen der Vergangenheit<br />

nicht belastet, sie haben eine au-<br />

12<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!