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Winter/zima 2007/2008 - Pavelhaus

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Bojan Adamič – Fotopoet und Traditionsforscher<br />

Bojan Adamič – Fotopoet und Traditionsforscher<br />

ge deutlich machte: „Ich selbst ging davon aus,<br />

dass, wenn du in der Fotografie nichts Schöpferisches,<br />

nichts von dir, nichts Neues, nichts,<br />

was wir noch nicht gesehen haben, zu zeigen<br />

hast, dann ist es besser, die Finger davon zu<br />

lassen.“ 8<br />

Seine Vitalität, Geschicklichkeit, geistige<br />

Schärfe, sein Hang zur Provokation, seine<br />

technologische Ausrüstung und sein technisches<br />

Geschick, seine Abneigung gegenüber<br />

bestehenden fotografischen Poetiken und<br />

„Richtgrößen“, seine Unkonventionalität, das<br />

Experimentieren mit Motiven und Techniken<br />

kennzeichneten ihn als ausgesprochen arbeitsamen<br />

und geistreichen, nicht fassbaren und<br />

unberechenbaren Andersdenkenden, als einen<br />

Menschen mit außergewöhnlicher Fantasie,<br />

der trotz seiner Träume und Fantasien fest im<br />

realen Alltag des Lebens verwurzelt war.<br />

Seine Fotografien sind raum- und zeitübergreifend,<br />

hielt sich doch der Weltbürger Adamič<br />

nicht mit der fotografischen Dokumentation<br />

bzw. Illustration traditioneller Masken in realer<br />

Zeit und realem Raum auf. „Meine Fotografien<br />

– alle sind sie mit gewöhnlicher Technik<br />

gemacht – sind beinahe alle absichtlich ein<br />

wenig „verwackelt“, beinahe immer „falsch“<br />

belichtet. Alles, was unter Fotografen als<br />

„Sünde“ gilt, habe ich versucht, im kreativen<br />

Sinn zu nutzen“, meinte Bojan Adamič 1994<br />

im Interview mit Rok Zavrtanik. 9<br />

Mit seiner Abweichung hin zur Abstraktion,<br />

mit der absichtlichen Entschärfung der Motive,<br />

mit der Überlagerung bzw. Beschich-<br />

tung größerer Expositionen potenzierte er den<br />

Rhythmus, der gerade Masken eigen ist, wodurch<br />

er in seiner eigenen, unverkennbaren<br />

Weise einen Übergang aus realer Zeit und realem<br />

Raum in den musealisierten Raum schuf.<br />

Zwei- oder dreifache Exposition wirkt wie eine<br />

verdoppelte oder verdreifachte Realität, wie<br />

ein Akzent unkonventioneller Vorstellungen<br />

von im Grunde genommen traditioneller Faschingskultur.<br />

Adamič platzierte neue Einlagen in ausgesuchte<br />

Motive der ersten Exposition, die die<br />

Grundlage für den fotografischen und inhaltlichen<br />

Aufbau bilden, bei den Fotografien<br />

am liebsten auf Köpfe bzw. Masken und<br />

insbesondere deren Gesichter. Statt des herausgerissenen<br />

bzw. verdeckten Gesichts einer<br />

einzelnen Faschingsfigur erscheint noch ein<br />

zweites Gesicht oder sogar ein ganzes Ereignis.<br />

So kann man z.B. bei den Perchten anstatt der<br />

Perchtenköpfe Bären- oder Schafsköpfe entdecken,<br />

das Gesicht eines Zvončars 10 aus Istrien<br />

oder anstatt des Perchtengesichts ausgelassene<br />

Tänzer. An der Seite des Strohbräutigams einer<br />

Gruppe von Ploharji 11 aus Cirkovce wird<br />

das Plastikgesicht der Strohbraut zum Gesicht<br />

eines hübschen Mädchens. Ein besonders<br />

geglücktes Spiel mit Expositionen stellt<br />

das Beispiel des Glöcklerlaufs einer Gruppe<br />

aus Trieben dar. Diese trägt Kappen in Form<br />

von Kirchenglocken, die Adamič meisterhaft<br />

durch Bilder der Kirche Sv. Jurij aus Ptuj ersetzte.<br />

12 Wie das Unfassbare einfangen? – das<br />

ist die grundlegende Frage bei Adamič‘ Fotografien.<br />

Wie lässt sich das Wesen der Perchten<br />

visualisieren? Lässt sich das Wesen der Perchten<br />

mit ihrer realistischen fotografischen Darstellung<br />

einfangen? Wahrscheinlich nicht.<br />

Deshalb wechselt Adamič von einer einfachen<br />

Exposition in eine doppelte oder dreifache,<br />

vom Hübschen ins Groteske, vom Dokumentarischen<br />

ins Mythologische. Die Flucht<br />

weg von der realistischen Dokumentation<br />

hin zur Abstraktion, zu einer „höheren“ und<br />

verborgenen Bedeutung, die Flucht weg von<br />

der grundlegenden Niederschrift von Fakten<br />

hin zum Schaffen neuer Bedeutungen ist ein<br />

Weg, dem er mehrere Jahrzehnte treu blieb.<br />

Bojan Adamič präsentierte seine Fotografien<br />

im Rahmen einiger weniger öffentlicher, multimedialer<br />

Vorstellungen, für die er auch die<br />

Originalmusik - meist elektronische Musik,<br />

durchdrungen von verschiedenen Geräuschen<br />

und Tönen - schrieb und aufnahm.<br />

Die fotografischen Kunstwerke des Meisters<br />

zeugen von der starken Ausdruckskraft des<br />

Autors, von seiner fotografischen Anders- und<br />

Einzigartigkeit. Sein umfangreiches und außergewöhnlich<br />

qualitatives Opus ist für die<br />

slowenische Kultur und das kulturelle Erbe<br />

vor allem aus drei Gründen von Bedeutung:<br />

∙∙<br />

∙∙<br />

∙∙<br />

Geschichte der Fotografie<br />

Geschichte der fotografischen<br />

Dokumentation von Masken<br />

Multimedia-Geschichte<br />

In einem seiner zahlreichen Interviews wurde<br />

der Künstler um einen Ausspruch für die<br />

„Nachwelt“ gebeten, mit dem ich die Vorstellung<br />

von Bojan Adamič als Fotograf beschließen<br />

möchte: „Ich denke, es sind zwei Dinge,<br />

die ganz klar sind: Erstens – traut euch, zweitens<br />

– ihr müsst es können!“ 13 Meister Bojan<br />

Adamič richtete sich mit einem visionären Gedanken<br />

an uns, mit einer Art zu denken und<br />

zu wirken, die auch noch in der heutigen Zeit<br />

sehr aktuell sein kann.<br />

Bojan Adamič liebte die Technik und die<br />

Kunst. Er lebte ein Leben voll von verführerischen<br />

und nicht fassbaren Musen des Schönen,<br />

Innovativen und Andersartigen! Und<br />

man nannte ihn „Meister“. Völlig zu Recht!<br />

8 Zavrtanik, Rok; Bojan Adamič, Obstaja samo glasba; in Mzin,<br />

Nr. 23/25, Dez./Jän. 1994, S. 26<br />

9 Zavrtanik, Rok; Bojan Adamič, Obstaja samo glasba; in Mzin,<br />

Nr. 23/25, Dez./Jän. 1994, S. 26<br />

10 Perchte mit Glocken um den Bauch, die aus dem slowenischen<br />

Teil Istriens stammt.<br />

11 Faschingsumzug aus dem Draufeld, südlich von Maribor.<br />

12 Gačnik, Aleš; Adamičeve fotografije mask med muzealizirano<br />

realnostjo in fantazijo. In: Zven maske / Fotografske mojstrovine<br />

Bojana Adamiča, S. 39.<br />

13 Gačnik, Aleš; Adamičeve fotografije mask med muzealizirano<br />

realnostjo in fantazijo In: Zven maske / Fotografske mojstrovine<br />

Bojana Adamiča, S. 42.<br />

124<br />

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