bibliotheks - Staatsbibliothek zu Berlin
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BIbliotheks<br />
m agazin<br />
Buch als solches achten, das Bibliothekarische<br />
im Neugeborenen prädestiniert.<br />
Das Entscheidende aber kommt auf Kindesbeinen,<br />
also im Erstlesealter, wenn<br />
dem lesehungrigen Kinde <strong>zu</strong> Geburtsund<br />
Weihnachtstagen Bücher beschert<br />
werden, deren Anzahl bei Gefallen<br />
immerfort wächst. Werden später dann<br />
auch die Taschengelder in Buchläden<br />
ausgegeben, sind bald sechzig oder gar<br />
hundert Bände <strong>zu</strong>sammen, die, um<br />
benutzbar <strong>zu</strong> bleiben, nach einer Ordnung<br />
verlangen, und bei Versuchen <strong>zu</strong><br />
einer solchen wird schon der Anfänger<br />
mit Bibliotheksproblemen konfrontiert.<br />
Wer vor ihnen kapituliert, zeigt damit die<br />
mangelnde Achtung vor Büchern, wird<br />
vielleicht später nur <strong>zu</strong>m Benutzer elektronischer<br />
Geräte, die teilweise fälschlich<br />
auch Bücher genannt werden, oder er<br />
gibt das Leben mit Büchern ganz auf.<br />
Wer aber daran geht, die Probleme <strong>zu</strong><br />
lösen, beginnt damit eine bibliothekarische<br />
Selbstausbildung, die sein weiteres<br />
Lebens so oder so bestimmen wird.<br />
Ich, der ich das Glück hatte, in eine zwar<br />
arme, aber nicht bücherlose Familie hineingeboren<br />
<strong>zu</strong> werden, rang schon als<br />
Zehn- oder Zwölfjähriger mit all den<br />
Problemen, deren Lösungen sich in Jahren<br />
und Jahrzehnten auch in großen<br />
Bibliotheken immer wieder als zeitlich<br />
begrenzt erweisen, wie das wegen<br />
beständiger Bestandserweiterung nie<br />
endgültig <strong>zu</strong> lösende Raumproblem. Aus<br />
dem Bücherfach im Spielzeugschrank<br />
wurden bald Wandregale, die, kaum<br />
angeschafft, schon <strong>zu</strong> klein waren, so<br />
dass die Büchertürme auf Stühlen,<br />
Tischen und Fußböden immer mehr<br />
wuchsen, Auslagerungen nötig wurden,<br />
die den Zugriff erschwerten und im weiteren<br />
Lebenslauf da<strong>zu</strong> führten, dass bei<br />
Wohnungswechseln das Hauptkriterium<br />
die mögliche Unterbringung der Bücher<br />
war.<br />
Relativ rasch wird der mit Büchern<br />
Lebende <strong>zu</strong> der Erkenntnis kommen,<br />
dass alle auftretenden Bibliotheksprobleme<br />
einander bedingen. Das Problem<br />
des Raumes ist auch das der Aufstellung,<br />
das der Aufstellung auch das der Systematik,<br />
und alle haben mit den Anschaffungstendenzen<br />
<strong>zu</strong> tun. Diesen aber<br />
fehlte im Kindesalter noch das Konstante,<br />
sie änderte sich mit der Änderung<br />
der Vorlieben und der Finanzkräfte, so<br />
wie auch im Großen häufig das Budget<br />
und das öffentliche Interesse manche<br />
Änderung mitbestimmt. Da wurde dann<br />
das vom Zwölfjährigen Angeschaffte vom<br />
Fünfzehnjährigen nur noch aus Pietät<br />
geduldet; in die inzwischen nötig gewordene<br />
zweite Reihe des untersten Faches<br />
verschoben und schließlich ausgesondert<br />
– was nach Jahrzehnten dann wieder eine<br />
verspätete Reue nach sich zog.<br />
Da die Indianerbücher sich mit Schillers<br />
Balladen nicht gut vertrugen und der<br />
geliebte ‚Pinocchio‘ trotz des in ihm auftretenden<br />
Paars von Fuchs und Katze<br />
nicht so recht <strong>zu</strong> Brehms Tierleben<br />
passte, mussten gesonderte Abteilungen<br />
gebildet werden, doch die Leerstellen im<br />
Regal, die sie markierten, füllten sich bald<br />
wieder mit neuen Bänden, die bald so<br />
eng standen, dass beim Herausnehmen<br />
die Gefahr des Aufreißens des Rückens<br />
bestand. Als die Indianer von den Dichtern<br />
verdrängt wurden, musste das ganze<br />
Ordnungssystem grundlegend verändert<br />
werden und die fünfzehn gleichgroßen<br />
und gleichgrünen Karl-May-Bände der<br />
Radebeuler Ausgabe, die einmal den