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bibliotheks - Staatsbibliothek zu Berlin

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16<br />

BIbliotheks<br />

m agazin<br />

Buch als solches achten, das Bibliothekarische<br />

im Neugeborenen prädestiniert.<br />

Das Entscheidende aber kommt auf Kindesbeinen,<br />

also im Erstlesealter, wenn<br />

dem lesehungrigen Kinde <strong>zu</strong> Geburtsund<br />

Weihnachtstagen Bücher beschert<br />

werden, deren Anzahl bei Gefallen<br />

immerfort wächst. Werden später dann<br />

auch die Taschengelder in Buchläden<br />

ausgegeben, sind bald sechzig oder gar<br />

hundert Bände <strong>zu</strong>sammen, die, um<br />

benutzbar <strong>zu</strong> bleiben, nach einer Ordnung<br />

verlangen, und bei Versuchen <strong>zu</strong><br />

einer solchen wird schon der Anfänger<br />

mit Bibliotheksproblemen konfrontiert.<br />

Wer vor ihnen kapituliert, zeigt damit die<br />

mangelnde Achtung vor Büchern, wird<br />

vielleicht später nur <strong>zu</strong>m Benutzer elektronischer<br />

Geräte, die teilweise fälschlich<br />

auch Bücher genannt werden, oder er<br />

gibt das Leben mit Büchern ganz auf.<br />

Wer aber daran geht, die Probleme <strong>zu</strong><br />

lösen, beginnt damit eine bibliothekarische<br />

Selbstausbildung, die sein weiteres<br />

Lebens so oder so bestimmen wird.<br />

Ich, der ich das Glück hatte, in eine zwar<br />

arme, aber nicht bücherlose Familie hineingeboren<br />

<strong>zu</strong> werden, rang schon als<br />

Zehn- oder Zwölfjähriger mit all den<br />

Problemen, deren Lösungen sich in Jahren<br />

und Jahrzehnten auch in großen<br />

Bibliotheken immer wieder als zeitlich<br />

begrenzt erweisen, wie das wegen<br />

beständiger Bestandserweiterung nie<br />

endgültig <strong>zu</strong> lösende Raumproblem. Aus<br />

dem Bücherfach im Spielzeugschrank<br />

wurden bald Wandregale, die, kaum<br />

angeschafft, schon <strong>zu</strong> klein waren, so<br />

dass die Büchertürme auf Stühlen,<br />

Tischen und Fußböden immer mehr<br />

wuchsen, Auslagerungen nötig wurden,<br />

die den Zugriff erschwerten und im weiteren<br />

Lebenslauf da<strong>zu</strong> führten, dass bei<br />

Wohnungswechseln das Hauptkriterium<br />

die mögliche Unterbringung der Bücher<br />

war.<br />

Relativ rasch wird der mit Büchern<br />

Lebende <strong>zu</strong> der Erkenntnis kommen,<br />

dass alle auftretenden Bibliotheksprobleme<br />

einander bedingen. Das Problem<br />

des Raumes ist auch das der Aufstellung,<br />

das der Aufstellung auch das der Systematik,<br />

und alle haben mit den Anschaffungstendenzen<br />

<strong>zu</strong> tun. Diesen aber<br />

fehlte im Kindesalter noch das Konstante,<br />

sie änderte sich mit der Änderung<br />

der Vorlieben und der Finanzkräfte, so<br />

wie auch im Großen häufig das Budget<br />

und das öffentliche Interesse manche<br />

Änderung mitbestimmt. Da wurde dann<br />

das vom Zwölfjährigen Angeschaffte vom<br />

Fünfzehnjährigen nur noch aus Pietät<br />

geduldet; in die inzwischen nötig gewordene<br />

zweite Reihe des untersten Faches<br />

verschoben und schließlich ausgesondert<br />

– was nach Jahrzehnten dann wieder eine<br />

verspätete Reue nach sich zog.<br />

Da die Indianerbücher sich mit Schillers<br />

Balladen nicht gut vertrugen und der<br />

geliebte ‚Pinocchio‘ trotz des in ihm auftretenden<br />

Paars von Fuchs und Katze<br />

nicht so recht <strong>zu</strong> Brehms Tierleben<br />

passte, mussten gesonderte Abteilungen<br />

gebildet werden, doch die Leerstellen im<br />

Regal, die sie markierten, füllten sich bald<br />

wieder mit neuen Bänden, die bald so<br />

eng standen, dass beim Herausnehmen<br />

die Gefahr des Aufreißens des Rückens<br />

bestand. Als die Indianer von den Dichtern<br />

verdrängt wurden, musste das ganze<br />

Ordnungssystem grundlegend verändert<br />

werden und die fünfzehn gleichgroßen<br />

und gleichgrünen Karl-May-Bände der<br />

Radebeuler Ausgabe, die einmal den

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