bibliotheks - Staatsbibliothek zu Berlin
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BIbliotheks<br />
m agazin<br />
Der Schriftsteller Falko Hennig im<br />
Gespräch mit Kindern<br />
ner 1867 im Winckelmann-Verlag erschienenen<br />
Struwwelpetriade „Kinderstreiche“.<br />
Einen Vorlesespaß besonderer Art für<br />
Kinder und Erwachsene bot die Begleitveranstaltung<br />
„Sieh einmal, hier steht er:<br />
<strong>Berlin</strong>er Literaten lesen aus dem Struwwelpeter“,<br />
<strong>zu</strong> der die <strong>Staatsbibliothek</strong> am<br />
13. Juni 2009 in den Ausstellungsraum im<br />
Haus Potsdamer Straße 33 einlud. Sechs<br />
namhafte <strong>Berlin</strong>er Autoren und eine<br />
Autorin, die dem Publikum auch durch<br />
ihre Auftritte auf den Lesebühnen der<br />
Stadt bekannt sind, lasen aus dem Struwwelpeter,<br />
aus Struwwelpetriaden und<br />
aus eigenen Texten vor. Mit sichtlichem<br />
Vergnügen moderierte Jakob Hein die<br />
Veranstaltung, an der außer ihm Ahne,<br />
Daniela Böhle, Heiko Werning, Jürgen<br />
Witte, Falko Hennig und Andreas Gläser<br />
mitwirkten. Kinder und Erwachsene<br />
lauschten wie gebannt den Geschichten<br />
vom „bösen Friedrich“ bis <strong>zu</strong>m „fliegenden<br />
Robert“ und waren besonders begeistert,<br />
als Jürgen Witte seine eigens für<br />
diesen Nachmittag geschriebenen Texte<br />
über den Raufbold und Gernegroß „Dennis<br />
das kleine Großmaul“ und die handysüchtige<br />
„Denise Klingelton“ vortrug.<br />
Die Veranstaltung machte einmal mehr<br />
deutlich, dass der immer wieder von<br />
Pädagogen und Psychologen geäußerten<br />
Kritik am „verderblichen Einfluss“ des<br />
„Struwwelpeters“ bis heute der ungebrochene<br />
Wille vieler Kinder gegenübersteht,<br />
sich durch dieses Buch um keinen<br />
Preis belehren, dafür aber umso besser<br />
unterhalten <strong>zu</strong> lassen. Auch wenn die<br />
meisten der hoffmannschen Helden ein<br />
trauriges Schicksal erleiden, so wird<br />
damit ihr aufrührerischer Geist nicht gebrochen.<br />
Marie-Luise Könneker hat in<br />
ihrer Monographie „Dr. Heinrich Hoffmanns<br />
‚Struwwelpeter‘“ die Geschichten<br />
als „Kurzdramen“ bezeichnet. So wie im<br />
Drama sind auch die Figuren in Hoffmanns<br />
Bilderbuch herausgehoben aus<br />
der Alltagsrealität in eine Welt, in der<br />
Unvorstellbares geschieht. Da hungert<br />
sich ein dicklicher Junge im Laufe von nur<br />
fünf Tagen <strong>zu</strong> Tode und ein anderer<br />
Junge – welch ein Kindertraum! – fliegt<br />
einfach davon. Hoffmann bedient mit seinen<br />
drastischen Geschichten die Sensationslust<br />
von Kindern und ihren Hang <strong>zu</strong><br />
„Was-wäre-wenn“-Spielen. Der „Struwwelpeter“<br />
gehört deshalb noch immer<br />
<strong>zu</strong>r Lektüre von Kindern und er ist nicht<br />
– anders als die meisten Kinderbücher<br />
aus seiner Entstehungszeit – <strong>zu</strong>m bloßen<br />
Studien- und Sammelobjekt kenntnisreicher<br />
Spezialisten geworden. Auch <strong>zu</strong>m<br />
Geburtstag von Heinrich Hoffmann verkündet<br />
er stolz sein Motto „Frechheit<br />
siegt!“. Er lebt, lässt seine Nägel wachsen<br />
und wir wünschen ihm, dass er noch<br />
lange seine ungebändigte Mähne schüttelt.