J ... I - Digitale Bibliothek Braunschweig
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />
Hoffnung, diese Professur könne zukünftig an Winkelmann fallen, erfüllte sich nicht. Konrad<br />
Heyer, sein älterer Freund, der bereits promoviert, seine Examina abgelegt hatte,<br />
wurde berufen. Der plötzliche Typhus-Tod des jungen Anatomen und Anthropologen Professor<br />
Roose im März 1803 eröffnete dann eine Vakanz, die in der Tat am 19. 7. 1803 durch<br />
die Ernennung Winkelmanns zum Professor für Physiologie und Anatomie ausgefüllt<br />
wurde; das Gehalt belief sich auf 300 Taler jährlich. So schloß dieser mit der Promotion<br />
zum Dr. med. ab, die medizinischen Fakultätsexamina lagen erfolgreich bestanden hinter<br />
ihm, und verließ am 1. April, eilig aufbrechend, Göttingen, ohne von seinen Marburger<br />
Freunden Abschied nehmen zu können.<br />
In ßraunschweig fand er eine Bleibe in der Süderstraße 1 (484), unweit der Wohnung<br />
von Mutter und Großmutter am Ziegenmarkt, die beide nach dem Tod seines Vaters und<br />
dem Bankrott des Handelshauses das große Anwesen Schützenstr. 4 geräumt hatten. Nach<br />
einer kurzen Prüfung durch das Ober-Sanitäts-Collegium am 18.5.1803 wurde er als Arzt<br />
zugelassen und begann unverweilt eine erfolgversprechende Praxis - mit Beginn der warmen<br />
Jahreszeit zog er hinaus in ,seiner Mutter Garten', vermutlich am Maschfuhrweg gelegen.<br />
Dieser blieb von den verschiedenen Gärten aus dem väterlichen Besitz am längsten in<br />
der Familie, und von dort draußen klangen seine Briefe nach Marburg noch heiterer und<br />
gelöster. Dieser Sommer brachte eine wichtige Entscheidung für ihn, denn trotz dringlicher<br />
Briefe Savignys schlug er es aus, sich um den durch den Tod von Professor Dietrich Tiedemann<br />
erledigten Lehrstuhl für Philosophie in Marburg zu bewerben - endgültig erst, seit<br />
Savigny, der zwar alle Vorteile heraushob, eine Bedingung übermittelte: er müsse in Marburg<br />
auf seine Medizin ganz und gar verzichten. "Zum Arzt bin ich gebohren" ,43) war seine<br />
Antwort und er nahm damit Abschied vom Hervortreten als Philosoph, nicht vom Philosophieren,<br />
und auch zunächst von seinen ,historischen Projekten'. Ebenso bekannte er im<br />
Laufe des Sommers, daß seine "poetischen Bestrebungen wohl in jeder Rücksicht ... ein<br />
Irrthum gewesen, der mir aber eine unschuldige Freude gewährte" (an Savigny, 19. 8.<br />
1803).44) So ist die "Para mythe" seine letzte größere Dichtung; es ist möglich, daß sich doch<br />
in dem Herbst 1804 vorgelegten Sammelband "Gedichte" auch einiges jüngst Entstandene<br />
findet.<br />
Im übrigen erschienen in diesen freieren <strong>Braunschweig</strong>er Monaten eine erhebliche<br />
Anzahl von Publikationen, jetzt in den heimischen Verlagen: darunter zunächst Winkelmanns<br />
"Entwurf eines Lehrgedichtes": "Paramythe". Es enthält in seinen vier auf einen<br />
"Eingang" folgenden Gesängen und einem Epilog auf den englischen Gefängnisreformer<br />
John Howard (1726-1790) den Versuch, diejenigen Bereiche seines geistigen Strebens,<br />
denen er sich verpflichtet fühlte, miteinander zu einer Einheit zu verknüpfen. Im Gedicht<br />
ist es die Muse, die ihn "dem Leiden der Menschen zuführen und ihn die Kunst des Trostes<br />
lehren" will. Die Terzinen des "Eingangs" sind voller Anklänge an Goethes "Zueignung"<br />
vom 8. 8. 1784, ebenso hat Winkelmann dem Werkchen ein Motto aus "Hermann und<br />
Dorothea" vorausgestellt. Der junge Arzt wird im Ersten Gesang an das Lager eines kran-<br />
43) S.fW., S. 256 an Gunda Brentano. Winkelmanns Briefe an diese ebd. S. 254-260, an Sophie<br />
Mcreau S. 266--272 (Erstdrucke)<br />
44) S.fW., S. 178; zu ,Historischen Projekten' S. 180<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042616<br />
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