J ... I - Digitale Bibliothek Braunschweig
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />
zügen des "alten Friedrichs" ist unverkennbar; besonders Bildung und Ausdruck der<br />
Augen vermitteln noch jenen Eindruck von Lebhaftigkeit und scharfen, wachen Verstandeskräften,<br />
wie er sich anhand der testamentarischen Ausführungen als ein wesentliches<br />
Charaktermerkmal der alten Herzogin herauskristallisiert hat.<br />
3. Zeitgenössische Urteile über Philippine Charlotte im Alter<br />
Für die späteren Lebensjahre der Herzogin stimmen die zeitgenössischen Urteile weitgehend<br />
überein. Besonders aufschlußreich sind die tagebuchartigen privaten Aufzeichnungen<br />
des herzoglichen Leibarztes Brückmann,I07) der fast ein halbes Jahrhundert engen<br />
Kontakt zur herzoglichen Familie hatte. Er hielt weniger die großen politischen Ereignisse<br />
in seinen Aufzeichnungen fest, sondern vertraute dem Tagebuch vor allem Beobachtungen<br />
aus der persönlichen Sphäre an. AIs Arzt interessierten ihn insbesondere die Krankheiten<br />
in der herzoglichen Familie. Sein Urteil über die Herzogin Philippine Charlottc verrät eine<br />
gewisse Distanz. Offenbar besaß er nicht in dem Maße ihr Vertrauen wie das des Herzogs<br />
Kar! und seines Sohnes Karl Wilhelm Ferdinand; denn die Herzogin ließ sich stets von<br />
eigenen Leibärzten behandeln. Es waren dies zunächst Keck junior und dann Pott. Dieser<br />
wurde auch in ihrem Testament mit einem Legat von 1000 Goldtalern bedacht. Brückmann<br />
charakterisiert die Herzogin als "gute, ehrliche" Frau mit einem Hang zur Sparsamkeit, die<br />
an Geiz grenzte. Er fand, daß Philippine Charlottes Aussehen demjenigen ihres Bruders<br />
Friedrichs des Großen sehr glich, aber "sein großer Geist hatte sie nicht beseelt. Sie las<br />
philosophische Schriften, die sie nicht verstand und hielt in den mehrsten Schriften, die sie<br />
las, stcts nur das für wahr, was sie zuletzt gelesen hatte. Sie tat 1000 Fragen, die nicht zu<br />
beantworten waren und ehe man eine beantwortet hatte, tat sie schon eine neue".<br />
Zu einem ähnlichen Urteil kommt auch der spätere <strong>Braunschweig</strong>er Stadtdirektor<br />
Wilhe1m Bode (1779-1854). Seinen Aussagen licgen teils eigene Beobachtungen<br />
zugrunde, teils basieren sie auf allerdings stark mit Klatsch durchsetzte Erzählungen des<br />
Oberstallmeisters v. Thielau.10l!) Bode hat die Herzogin noch persönlich gekannt und<br />
beschreibt sie als eine "im hohen Alter dürre, wenig Leibesreize darbietende Dame, die<br />
auch in früherer Zeit ihren Lebensgefährten nicht sonderlich gefesselt zu haben scheint".<br />
Aus einer von Bode mitgeteilten Erzählung v. Thielaus geht hervor, daß Philippine Charlotte<br />
die amourösen Abenteuer ihres Gatten mit Mätressen durchaus nicht gleichgültig<br />
gewesen sind und daß sie Karll. bei solchen Vergnügungen oft in den Weg getreten ist. Mit<br />
einem Anflug von Ironie bemerkt Bode: "Sie war aber keine Frau von Geist, als Königstochter<br />
und Schwester Friedrichs des Großen überaus stolz und in der Hinsicht Nachahmerin<br />
ihres großen Bruders, daß sie Gelehrte in ihre Nähe und an ihre Tafel zog, denen sie<br />
107) Zu Brückmann vgl. Anm. 11.<br />
IM) Stalltarchiv <strong>Braunschweig</strong> H IV (Bollc'sche Sammlung) Nr. 47, besonders Teil 3 und 4. -<br />
Hinweis auf die handschriftlichen Erinnerungen W. Bodes über Herzog Kar! Wilhelm Ferdinand bei<br />
C. Ra u terbe rg, a. a. 0., p. 147, Anm. 50. Zu W. Bolle s. Wilhelm Bode: Stadtdirektor - Historiker<br />
- Sammler. Ausstellungskatalog. Kkine Schriften des Stadtarchivs und der Stalltbihliothek <strong>Braunschweig</strong>,<br />
3,1979.<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042616<br />
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