J ... I - Digitale Bibliothek Braunschweig
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<strong>Braunschweig</strong>er Ludolphus Borchdorp gelangt und dann seinem Sohn Ludolph nach Krakau<br />
zum Studium zusammen mit der Handschrift BJ 568 mitgegeben worden ist. Es sind<br />
aber auch andere Wege denkbar.<br />
Ungewöhnlich ist der Besitz eines Astrolabiums in einem Einbecker Kloster für diese<br />
Zeit jedenfalls nicht. Nicht so sehr, weil Fragen der Zeitrechnung immer von Interesse<br />
waren, sondern weil es nicht weit von Erfurt liegt. Erfurt (rp = 51°) aber war schon im<br />
Jahrhundert vor der offiziellen Gründung seiner Universität als Stätte der Wissenschaft<br />
von Bedeutung, vor allem besaß es auch eine astronomische Tradition. Sie spiegelt sich<br />
etwa im Jahr 1350 in Quaestiones de sphaera materiali, die Magister Themo Judaei apud<br />
Scotos disputierte. 8 ) Das Erfurter Schotten kloster hatte diesen jungen Astronomen und<br />
Mathematiker aus Paris für kurze Zcit zum Leiter seiner Schule machen können 9 ).<br />
Der genuine Ort für die Diskussion mathematisch-astronomischer Probleme gehört<br />
jedoch in den Raum der Universität, sie ist nicht im Kloster zu Hause. Entsprechend gibt<br />
es kaum Handschriften, die eine Beschäftigung mit mathematischen Problemen im Kloster<br />
vermuten lassen. lO ) Die Krakauer Handschrift BJ 568 stammt dementsprechend auch nicht<br />
von einem Klosterbruder, sondern von einem Arzt, der Mathematik in Erfurt und Medizin<br />
in Padua studiert hat und sich auch, nachdem er Arzt in <strong>Braunschweig</strong> geworden war, mit<br />
mathematischen Problemen weiterbeschäftigt hat.<br />
Damit ist der zweite Ludolphus, der nach der Erfurter Matrikel die Zunamen Berchdorp<br />
de Brunsvig führt, ins Blickfeld getreten. 11) Drei Jahre früher (Wintersemester 1439)<br />
als der bedeutende Mathematiker Christian Roder aus Hamburg (Wintersemester 1442)<br />
beginnt er sein Studium, wird im Herbst 1441 Baccalaureus, 1445 Magister. Alles weitere<br />
8) Wilhelm Sch u m, Beschreibendes Verzeichniß der amplonianischen Handschriften-Sammlungzu<br />
Erfurt, Berlin lRR7, S. 216n und 266n. Incipit der Handschriften 2°313und2°380: Annogracie<br />
1350 fuit disputata questio apud Scotos in Erfordia per magistrum Themonem, cuius tytulus est clericus:<br />
Ulrum supposita verilale Iheologicarum necessarium sillunam vel aliquem planelarum . ..<br />
9) Vgl. Geschichte Thüringens. Hrsg. von Hans Pa tze und Walter Sch lesinger, 2. Band, 2.<br />
Teil, Köln-Wien 1973, S. 161-162.<br />
10) Nach Eröffnung dcs Lehrbetriebes der Universität Erfurt im Jahr 1392 erfuhren die mathematisch-astronomischen<br />
Studien ihren Höhepunkt in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Sie fanden ihren<br />
Niederschlag bezeichnenderweise nur indirekt in der <strong>Bibliothek</strong> des Klosters Clus bei Gandersheim,<br />
von dem ja die bedeutende Rcformbewegung der Bursfelder Kongregation ihren Ausgang nahm. Eine<br />
Abhandlung über Zeitrechnung, die von dem Erfurter Magister Goswin Kempkin aus Neuß verfaßt<br />
war, wurde von dem Magister Andreas Soteflesch wohlgemerkt in seiner Erfurter Zeit abgeschrieben<br />
und dann nach seinem Eintritt in das Cluser Kloster im Jahr 1460 diesem übergeben. Mit diesem Schritt<br />
wandelte sich jedoch das geistige Interesse von Soteflesch. Seine Kodizesabschriften sind fortan ganz<br />
im Sinne der Konzeption des Reformklosters nicht mehr wissenschaftlichen, sondern erbaulichen<br />
Charakters. Der Text über die Zeitrechnung bildet somit einen Fremdkörper im Armarium und kann<br />
nicht als Beleg für mathematische Interessen im Reformkloster des ausgehenden 15. Jahrhunderts<br />
herangezogen werden. Zu Andreas Soteflesch vgl. vor allem Hermann Herbst, Das Benediktinerkloster<br />
Klus bei Gandersheim und die Bursfelder Reform, Leipzig 1932, S. 77-!l4, zu WOLFENBÜT<br />
TELCod. Guelf. 666 Helmst. S. 79-81. Zu Magister Goswin Kempkin vgl. Erich Kleineidam, Universitas<br />
studii Erffordensis. Teil 2, Leipzig 1969, S. 69 (Erfurter theologische Studien. Bd. 22).<br />
11) Acten der Erfurter Universität. Bearb. von Hermann Weißen born, Teil 1, Halle 1881, S.<br />
177,2. Spalte, Zeile 48 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen. Bd. 8).<br />
116<br />
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042616