J ... I - Digitale Bibliothek Braunschweig
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der 70er Jahre zum erbitterten, kompromißlosen Gegner des im kursächsischen Kryptocalvinismus<br />
gipfelnden Philippismus entwickelte und zum Vorkämpfer für ein unverfälschtes<br />
niedersächsisches Luthertum wurde 6 ). Zusammen mit Mörlin erklärte er sich in den sog.<br />
Lüneburger Städteartikeln von 1561 gegen den vordringenden Melanchthonismus und<br />
setzte im städtischen "Corpus Doctrinae" von 1563/64 ebenfalls streng lutherische Maßstäbe<br />
7 ). Nach seiner Ernennung zum Stadtsuperintendenten 1567 entwickelte er neben seinen<br />
kirchenleitenden Aufgaben im eigenen geistlichen Ministerium und neben bedeutsamer<br />
literarischer Produktivität unerhört vielseitige und verantwortungsvolle Aktivitäten<br />
außerhalb <strong>Braunschweig</strong>s zunächst als Mitrcformator und kirchenpolitischer Berater im<br />
Fürstentum <strong>Braunschweig</strong>-Wolfenbüttel, als frequentierter Gutachter in dogmatischen<br />
und kirchlichen Fragen sowie seit 1574 neben Jakob Andreae als Mitverfasser und Redaktor<br />
der Konkordienformel mit deren ApologieR). Pausenloses Gefordertsein, mühsame<br />
Reisen und anstrengendes Taktieren vor allem im Zusammenhang mit dem lutherischen<br />
Einigungswerk zehrten an seinen Kräften. Zwar brachte ihm seine berufliche Tüchtigkeit<br />
nicht nur Ansehen, sondern auch Wohlstand - jede abgelehnte auswärtige Berufung vermehrte<br />
das Gehalt 9 ), Herzog Julius von <strong>Braunschweig</strong>-Wolfenbüttel und Kurfürst August<br />
von Sachsen ehrten ihn mit reichen Sonderzuwendungen, Herzog Albrecht von Preußen<br />
zahlte ihm sogar seit 1552 jährlich 200 Taler fürs KaIcnder- und Horoskopschreiben IO )-,<br />
doch mit gerade 57 Jahren war er ein körperlich gebrochener Mann.<br />
Zu Beginn des Jahres 1580 ergriffen ihn heimtückische Fieberschübe, die seine<br />
Gesundheit zunehmend untergruben und ihn 1584 zur Amtsniederlegung zwangen, bis er<br />
nach zwei weiteren Jahren beschwerlichen geistigen und physischen Siechtums starb. Seine<br />
Frau Anna, geb. Jäger, überlebte ihn um 17 Jahre.<br />
Als die ersten Anzeichen der Krankheit auftraten, bestellte Chemnitz sein Haus und<br />
faßte sein Testament ab. Es enthält ein theologisches Bekenntnis nebst Hinweisen für die<br />
künftige Konfessions- und Kirchenpolitik in der Stadt <strong>Braunschweig</strong>, Begräbnisanweisungen,<br />
Bestimmungen über die Aussetzung von drei Legaten für mildtätige Zwecke sowie<br />
schließlich genaue vermögensrechtliche Anordnungen für die Familie. Während die vorreformatorischen<br />
Testamente hauptsächlich fromme Stiftungen für das Seelenheil des<br />
Erblassers zum Inhalt hatten, nahm man in reformatorischer Zeit, dem Beispiel Luthers 11 )<br />
und Melanchtons 12 ) folgend, bei Testamentsabfassungen gern die Gelegenheit wahr, der<br />
Nachwelt auch das geistige Erbe in Form eines Bekenntnisses l3 ) oder dureh den Hinweis<br />
6) Vgl. R. Cal i n ich, Kampf und Untergang des Melanchthonismus in Kursachsen in den Jahren<br />
1570-1575, Leipzig 1866; J. Mager, Die Konkordienformel. ..<br />
7) Vgl. I. Mager, Das Corpus Doctrinae der Stadt <strong>Braunschweig</strong> im Gefüge der übrigen niedersächsischen<br />
Lehrschriftensammlungen, in: Die Reformation in der Stadt Braullschweig. Festschrift<br />
1528-1978, <strong>Braunschweig</strong> 1978,113-116.<br />
8) Vgl. dazu im einzelnen I. Mager, Die Konkordienformel. ..<br />
9) Chemnitz berichtet darüber selbst in einem autobiographischen Fragment, mitget. bei<br />
Rehtmeyer, a.a.O., 294.<br />
10) Rehtmeyer,a.a.0.,291.<br />
11) Vgl. WAB 6., Nr. 1988, S. 408f.; WAB 9, Nr. 3699, S. 572-574.<br />
12) Vgl. CR 3, 825-828; CR 9,1098-1100.<br />
11) Testamenturn Doctoris Georgii Maioris, Wittcnberg 1570.<br />
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042616