ebook - Enterprise 2.0 - VOSS
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14 Podiumsdiskussion 193<br />
Herr Roebers:<br />
Was Herr Buhse eben gesagt hat, finde ich ganz wichtig und unterstreiche das auch.<br />
Ein Unternehmen muss die Fähigkeit haben zu oszillieren zwischen den beiden<br />
Zuständen, hierarchienah, rigide und kreativ Web <strong>2.0</strong> und laissez-faire. Es gibt<br />
Situationen – die haben wir auch erlebt in der Zeit, seitdem wir es eingeführt haben<br />
–, in denen das Wort des Kommandeurs auf der Brücke gilt. Da muss es schnell<br />
gehen, und da kann ich nicht erst einen langwierigen Aushandlungsprozess laufen<br />
lassen, sondern muss sehr schnell hierarchisch durchgreifen. Dann aber auch wieder<br />
zurückschwingen zu können, ist eine wichtige Eigenschaft. Wir haben das mittlerweile<br />
auch für Teilbereiche und Abteilungen, und andere Organisationseinheiten<br />
hinter uns, und es ist viel leichter als ich gedacht habe. Interessant daran war, dass<br />
das Einschwingen in den Hierarchiemodus und ‚Befehl‘ und ‚Gehorsam‘ von den<br />
Mitarbeitern initiiert wurde, weil die gesagt haben, wir sind hier in einer Situation,<br />
die gerade außer Kontrolle gerät, und es sind schnelle Handlungen gefragt. Das<br />
hat mich am meisten an der Situation fasziniert. Deswegen glaube ich, dass es<br />
Situationen gibt, wo <strong>Enterprise</strong> <strong>2.0</strong> auch einmal wieder Zurückschwingen können<br />
muss.<br />
Herr Klotz:<br />
Man sollte eines sehr klar sehen: Kulturen, Verhaltensweisen und Wertesysteme<br />
kann man nicht so einfach ändern. Das entwickelt sich. Das sind lebendige Prozesse,<br />
die ihre Zeit brauchen. Was man aber ändern kann, sind Organisationsstrukturen und<br />
diese wiederum beeinflussen Verhaltensweisen. Um es mal sehr einfach zu<br />
zeichnen: In einer strikten Hierarchie bekomme ich als dominierende Verhaltensweise<br />
Opportunismus. Denn als Opportunist fahre ich in der Hierarchie meist recht<br />
gut – ich muss immer nur das machen, was den Vorgesetzten gut gefällt. Ob das für<br />
die Organisation insgesamt gut ist, ist aber eine ganz andere Frage. Und eine Veränderung<br />
von Organisationsstrukturen führt früher oder später immer auch zu einem<br />
kulturellen Wandel. Ein schönes Beispiel hierfür ist etwa der dänische Hörgerätehersteller<br />
Oticon. Dabei zeigt sich auch, dass tief greifende Veränderungen fast<br />
immer nur dann stattfinden und erfolgreich sind, wenn das Unternehmen schon mit<br />
dem Rücken an der Wand steht. Oticon stand mal kurz vor der Pleite und dann wurde<br />
dort wirklich alles radikal umgeschmissen. Dabei wurden alle Hierarchiestufen,<br />
Abteilungen, Statussymbole und sonstige Relikte der Industrieära abgeschafft.<br />
Heute gibt es bei Oticon auch keine Planstellen mehr, sondern eine offene und flexible<br />
Projektorganisation, die unter dem Begriff „Spaghetti-Organisation“ Wirtschaftsgeschichte<br />
schrieb. Damit wurde ein phänomenaler Kulturwandel eingeleitet,<br />
aufgrund dessen Oticon heute die Innovationspotenziale aller Beschäftigten viel<br />
besser ausschöpft als zuvor. Weit über dem Branchendurchschnitt liegende Ergebnisse<br />
sprechen heute für sich und zeigen, dass radikaler Hierarchieabbau die vielleicht<br />
effektivste Form des Innovationsmanagements ist. Und hierbei wird die Parallele<br />
zu den neuen Arbeitsformen im Internet deutlich – deshalb glaube ich auch,<br />
dass ein Kulturwandel stattfinden wird, wenn sich neue Koordinationstechniken und<br />
damit neue Organisationsformen durchsetzen. Natürlich braucht das alles viel Zeit,