Zu einer noch bedenklicheren und schockierenderen Vision im Blick auf dieEntwicklung der Reality-Soap kam der Regisseur Peter Weirs bereits 1998. Mitseinem Film „Die Truman Show“ setzte er sich mit dem Realitätsfernsehen und mitdem Kampf der TV-Anstalten um Einschaltquoten - mit welchen Mittel auch immer- auseinander. Diese „Truman Show“, die mehr als realitätsnah über die TV-Bühnegeht, konzentriert sich auf eine einzige Person, Truman Burbank. Verkörpert vonJim Carrey, weiß Burbank jedoch nicht, dass er die Hauptperson in einer Serie ist,geschweige denn, dass er seit seiner Geburt durch 5000 Kameras gefilmt wird undsein ganzes Leben auf eine gigantische Inszenierung beruht. Die Stadt auf derInsel Seehaven in der er von Beginn an wohnt, und die Natur, die ihm samt ihrerWitterungsveränderungen vertraut ist, entstammen einem übergroßenFernsehstudio. Jeder Mensch, dem er in seinem 10.909 Tage alten Leben jebegegnete, ist lediglich ein Akteur in diesem Schauspiel. Christof, der Erfinderdieser 24-Stunden-Life-Reality-Show – dargestellt von Ed Harris - spricht vonTruman, wie von seinem Baby, sozusagen über eine Mediennabelschnur versorgtund dank ihrer groß und kräftig geworden. Nichts ist gestellt, sondern nurkontrolliert. Für Christof ist die von ihm konzipierte „lebenslange“ Serie das besteBeispiel eines durchschnittlichen amerikanischen Lebens, welches er – inBüroräumen hoch über Trumans „Fernsehkäfig“ residierend und Gott gleich -Quoten gerecht manipuliert. Auch wenn es sich hierbei um eine besonderspervertierte Form einer „Reality-Soap“ handelt und um den krankhaften Drangeines Senders, absolut authentisches Unterhaltungsfernsehen zu bieten, schwingtbei diesem Hollywoodfilm eine klare fernsehkritische Grundstimmung mit, die dieGrundsätze aktueller Programmentwicklung als überaus bedenklich einstuft. ImFalle von Truman Burbank ist jedoch ein „Happy End“ zu verzeichnen, da er beimNachdenken über sich und sein Dasein der Inszenierung seines Lebens auf dieSchliche kommt und es letztendlich schafft, aus dieser Inszenierung und somit ausdem Fernsehstudio auszubrechen.Die Idee, das Konzept einer „Reality-Soap“ mit einem sozialen Aspekt, einer realengesellschaftlichen Notsituation zu verbinden, hatte drei Jahre nach Schlingensiefbezeichnenderweise auch die Produktionsfirma Endemol, die eigentlichen Erfinder105
der „Reality-Soap“. Die allgemeine Arbeitslosigkeit, genau genommen dieJobmisere in den neuen Bundesländern, ist Hauptinhalt dieser Sendung, die aufMDR vierzehntätig läuft. Am Beispiel der thüringischen Kleinstadt Artern, die fürihre sehr hohe Arbeitslosigkeit bekannt ist, kann der Zuschauer ablesen, wie dieArbeitslosen mit dem täglichen Frust, mit Enttäuschungen, mit Geldmangel und mitständig enttäuschten Hoffnungen umgehen und wie sie sich mit dem Arbeitsamt,mit Bewerbungen und mit Absagen herumärgern müssen. Der „Spiegel“ weistdarauf hin, man könne angesichts von vier Millionen Arbeitslosen auch mitHoffnungslosigkeit Fernsehen machen, Jedoch handele es sich laut Endemolhierbei nicht um einen Fall von Fernseh-Zynismus, sondern das „Arbeitslosen TV-Projekt“ solle einem Nutzen dienen und keine „schmierige Gefühlspatina“ besitzen.Dabei solle es ernst und anspruchsvoll zu gehen und mehr einer „Doku“ als einer„Soap“ entsprechen. Zu dieser neuen „Reality-Soap“, mit dem Namen „Artern -Stadt der Träume“ findet Endemol folgende Worte: „die Kameras […] sollen diegebeutelten Bewohner nicht bloßstellen oder gar ausbeuten. Nein, sie sollen ihnenhelfen“ (Der Spiegel Nr. 43, 21.10.02).Schlingensief jedenfalls hat mit seiner Aktion „AusländerRaus!“ sicherlich der Asylpolitik positive Impulse gegeben und<strong>zum</strong>indest vor Ort betroffenen Menschen konkrete Hilfe geleistet.Darüber hinaus hat er es verstanden mit diesemHappening in Österreich auch die Diskussion über dieproblematischen Seiten der Regierungskoalition neu zubeleben. In meinen Augen kann kein Zweifel daran bestehen,dass diese schlingensiefsche Aktion die bislang erfolgreichste war, ein sehr großesöffentliches Aufsehen hervorrief und sehr viele Menschen erreichte.106
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François Michel CroissantTelevisio
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II. Zum „performativen Realitäts
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Einleitung„Babysitter der Moderne
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Seit der ersten richtigen Talkshow
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I. Normative Muster schlingensiefsc
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„Lindenstrasse“, die er als zum
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seine Theaterstücke und Filme inte
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Er lässt aus mehreren Personen ein
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„Friedenshase“ bezeichnet. Schl
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Zudem beinhaltet „Freakstars 3000
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folgenden Worten seine Unterstützu
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Castingshow“ sowie „Beziehungs-
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