Mit Argwohn betrachtet Schlingensief denVorgang des schlichten Abfragens von Quiz -Kandidaten, die am eigentlichen Medienprozessnicht wirklich beteiligt sind. Da er vehementgegen jegliche Verdrängung vorgehen will,spricht er in seinem Format „Quiz 3000“vorwiegend ernste Themen an und unterscheidetsich dadurch von der Jauchschen Vorlage deutlich, obgleich er dessen Settinggekonnt nachahmt. 6 In seinen Quizfragen kommen Themen wie z. B. die deutscheAsylpolitik, der überall existierende Fremdenhass, die florierende Rüstungsindustrieund die US amerikanische Außenpolitik vor. Einige Fragen behandelnauch die sinnlose Verschwendung von Steuergeldern, die Ungerechtigkeiten in derGesetzgebung, die NS – Vergangenheit Deutschlands oder beispielsweise dieaktuelle Suizidrate in der Bevölkerung. Auch die Korruption in der Politik und dieIntrigen der Mächtigen sind Themen beim schlingensiefschen Millionenquiz.Vereinzelt wurden Kandidaten - einfache Menschen – gebeten, auch persönlicheFragen zu äußern, die sie gegebenenfalls immer schon beschäftigten oder quälten.Johannes Gawerts Gedanken über die Unterhaltungsindustrie machenSchlingensiefs Absichten und seine Sorgen über die Gesellschaft sehr deutlich undanschaulich: „Die platte Lustigkeit verdrängt, ignoriert oder vergisst einfach alles,was jenseits des Hier und Jetzt liegt, besonders alles Negative. […] Dass sie (dieLustigkeit im Fernsehen und die Spaßgesellschaft) trotzdem florieren, verdankensie einem anthropologischen Alzheimer, dessen fatalen Segnungen sich kaumjemand entziehen kann. Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“(Johannes Gawert, 2000, S.2). Schlingensief weiß, dass auch er daran womöglichnichts verändern wird, doch will er dennoch vehement gegen dieses schleichendeVergessen vorgehen.6 „Quiz 3000“ wurde am 15. und 16. März 2002 an der Berliner Volksbühne uraufgeführt.23
1.3.6 „Freakstars 3000“Das schlingensiefsche Fernsehprojekt „Freakstars 3000“ für das die Casting- bzw.Talentshow „Popstars“ auf dem Sender RTL2 Pate stand und zugleich persifliertund kritisch in Frage gestellt wurde, widmet sich der Randgruppe der Behinderten.Die Bezeichnung „Freak“, die im Englischen auch Missgeburt bedeutet, wirdheutzutage leider allzu oft als herablassende Chiffre missbraucht, die genausoeinen Menschen mit körperlichen und geistigen Defiziten meint als auch einensolchen, der nicht den gesellschaftlich anerkannten Normen oder dem Idealbildeines erfolgreichen, unabhängigen und schönen Menschen entspricht.Schlingensief transportiert das Konzept - „Casting“, Trainingslager, Showauftritte,Jury - in ein Behindertenwohnheim. Es werden, gemäß der Vorlage, die einzelnenKandidaten auch in ihrer gewohnten Umgebung gefilmt und <strong>zum</strong> Schluss wird eineBand mit dem Namen „Mutter sucht Schrauben“ (siehe Abbildung S.25) formiert,die schließlich auch eine gemeinsame CD produziert. Die sechsteilige Sendung,die im Juni 2002 auf VIVA Plus ausgestrahlt wurde, verstand sich alsAufklärungsshow bzw. als Behindertenmagazin. Behinderte Menschen, dieansonsten immer übergangen werden, wurden bewusst in den kreativen Prozessmit einbezogen. Die Frage, „Wer ist hier eigentlich krank“, war für Schlingensiefwohl eine der zentralsten in diesem Projekt. Eine andere Frage, die sich ergibt unddie Schlingensief sicherlich gestellt wissen wollte, ist die nach denAuswahlkriterien. Geht es bei „Popstars“ wirklich darum, Talenten ein Forum zubieten oder, geht es nicht eher um Quoten-Kriterien? Schlingensief setzt demKünstlichen und dem Erfolg Heuchelnden im Fernsehen die Echtheit undWahrhaftigkeit von behinderten Menschen entgegen, die sich nicht verstellen undnicht auf Profit aus sind, sondern – unabhängig von ihrem Talent - Spaß an Musikhaben. Er gibt ihnen die Möglichkeit einmal im Mittelpunkt zu stehen. Ein Castingan einem Ort, in den die Gesellschaft die vermeintlich Talent- und Hoffnungslosensteckt, in einem Behindertenwohnheim. Wenn man sich zusätzlich noch dieSendung „Deutschland sucht den Superstar“ vor Augen hält, könnte man sichfragen, ob nicht auch bei der Sendung „Popstars“ eher die Macher als dieGemachten die eigentlichen Superstars sind.24
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sie nur, und gibt ihr aber eine neu
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aus kurzen Projekten, die finanziel
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nochmals eingehen werde. Jede Sendu
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Individualität und Selbstbezogenhe
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4.1.4 Kurze Analyse von „Talk 200
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Schlingensief thematisiert. Das Fam
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4.2. „Ausländer Raus - Bitte lie
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Begaffen der Asylanten selbst beoba
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Paul Virilio bezeichnet in seinem 1
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den „Schrei nach Liebe aus dem As
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Seine sozialethischen Anliegen bind
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