vorigen Jahrzehnten, in denen die Berufschancen und die finanziellen Mittel desStaates besser waren und der Gemeinschaftssinn in der Gesellschaft noch eherexistierte, nur noch um sich und seine Zukunft. Schlingensief, der in den 70 Jahrenaufgewachsen ist, ruft in der heutigen Vergnügungs- bzw. Spaßgesellschaft <strong>zum</strong>sozialen Denken und Handeln auf. Er bedient sich durchaus der gängigen Mitteldes Humors, der Übertreibung und einer unterhaltenden Fernsehinszenierung,aber immer mit einem bitter ernsten Hintergrund.Sein Ausruf „Tötet Helmut Kohl“ auf der Dokumenta X, der in vielen anderenInszenierungen und Happenings auch auf andere Politiker übertragen wurde, istals Kunstform anzusehen, die Schlingensief von einer Bühne herunterschreit undsomit immer im Kontext zu verstehen ist, in einem entsprechenden Rahmen, indem er auch ganze Institutionen und gesellschaftlichen Entwicklungen kritisiert.Schlingensiefs Fernsehen ist keines, das man als „Nebenher- Medium“ nutzenkönnte, dafür ist er zu provokativ, zu alternativ und die jeweiligen Abläufe sind fürdie Zuschauer zu unvorhersehbar, abgesehen davon, dass er zusätzlich auchoftmals den Rezipienten direkt anspricht und mit einbeziehen will, dass in solcherArt und Weise bei anderen entsprechenden Formaten nicht unbedingt vorkommt.Schlingensief macht Kunst im Fernsehen, er überträgt Kunst auf Menschen, die erim Fernsehen darstellt, er gebraucht sie frei nach seinen Vorstellungen. Somitfunktionalisiert er auch Menschen für die Zwecke des Mediums, wie es auch inherkömmlichen Formaten der Fall ist, ob in einer Talkshow oder bei einer „Reality-Soap“, wobei er aber genauso das Medium für die Zwecke des Menschen und derMenschlichkeit funktionalisiert. Schlingensief weiß sehr wohl, dass seine kritischenProvokationen immer im Name der Kunst realisiert werden, also auch unter ihremsicheren Schutzmantel. Talkshows werden bei Schlingensief zu einem virtuellenHappening, wie auch das televisionäre „Big Brother“ zu einem lebensweltlichen,realen, 7 Tage andauernden Kunst- Event wird, ganz nach der Devise von JosephBeuys, Ideen bewegten sich nur durch Menschen fort, während sie in Kunstwerkennur erstarrten und am Ende zurückblieben (Diwo, 1993).111
Schlingensiefs Fernsehen ist „virtuelle Sozialarbeit“, quasi christlicheGruppenstunde und Ensemblespiel, entsprechend der heutigen ästhetischenDarstellungsmuster des Entertainment-TV.Grimm spricht von einer Orientierungshilfe, die das Fernsehen den Nutzernanbietet. Demgegenüber sprechen Medienmacher von Realitätserfahrungen, diedie Talkshows und auch „Big Brother“ liefern, was die Rezipienten schließlich ansolche Formate binden sollen. Für Schlingensief gehen eine solche Orientierungbzw. ein solcher Realitätsbegriff in die falsche Richtung. Nach seiner Auffassungwerden die Zuschauer nicht richtig sensibilisiert für das, auf was es im Lebenankommen sollte. Der amerikanische Sprachwissenschaftler Avram NoamChomsky äußert sich folgendermaßen: „Die Massenmedien im eigentlichen Sinne,haben im wesentlichen die Funktion, die Leute vom Wichtigsten fernzuhalten“ 24 .Nach Theodor Wiesengrund Adorno, dem bedeutenden Philosophen undSoziologen der Frankfurter Schule, habe das Publikum ein Recht darauf nichtangeschmiert zu werden, auch wenn es darauf bestehe angeschmiert zu werden 25 .Dieses Bonmot könnte auf die Arbeit von Schlingensief gemünzt sein undcharakterisiert zudem das heutige Konsum- und Medienzeitalter auf nahezuunnachahmliche Weise.Die Medienpädagogik fordert kritische und kompetente Mediennutzung, die Medienselbst sprechen von ihrer objektiven und kritischen Auseinandersetzung mit derRealität und dem Nutzer verspricht man, dem politisch-öffentlichen Auftrag gerechtzu werden und zur allgemeinen Aufklärung und Erziehung durchBildungsförderndes Fernsehen beizutragen. Schlingensief erscheint hier als „Mannmit der Moralkelle“, wie Ihn der Journalist Peter Kümmel („Die Zeit“, 21.3 2002)einmal nannte. Er fordert ebenfalls von jedem eine kritische Betrachtung derMedien, aber vor allem auch der zwischenmenschlichen, politischen undkulturellen Realität, die tendenziell nur noch über die Medien vermittelt werde.Letztlich will er mit seinen Beiträgen eine allgemein kritische, gegebenenfalls sogar24 Entnommen der Internetseite www.aphorismen.de , 20.05. 200325 Entnommen der Internetseite www.aphorismen.de, 18.05.2003112
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François Michel CroissantTelevisio
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Seit der ersten richtigen Talkshow
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I. Normative Muster schlingensiefsc
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„Lindenstrasse“, die er als zum
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seine Theaterstücke und Filme inte
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Er lässt aus mehreren Personen ein
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„Friedenshase“ bezeichnet. Schl
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folgenden Worten seine Unterstützu
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Castingshow“ sowie „Beziehungs-
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