8. „Er bringt Inszenierung in den Alltag und Alltag in die Inszenierung“ sagt GeorgSeeßlen (1998) über Sie. Was meinen Sie zu diesem Boom desRealitätsfernsehens und sehe ich das richtig, dass Sie dieses Format auch in ihrenProjekten des Öfteren verarbeiten?Ich verarbeite überhaupt nicht. Ich stelle zur Disposition und mich – denRezipienten – gleich mit. Die Verarbeitung dessen, was ich auf die Bühneoder ins Fernsehen stelle, überlasse ich dem Zuschauer. Die Pflicht desZuschauers, endlich mal was für sein Eintrittsgeld, seine Rundfunkgebührenzu tun, ist seit Artaud sträflich missachtet worden. Zum vermeintlichen Boommeine ich, dass es niemand leichter haben dürfte als die Geschlossenen TV-Anstalten, sich diesen Boom selbst zu vermelden.9. Bei Ihrer Containershow setzten Sie der Banalität des Alltags, die bei Big Brotherzu einem Fernsehereignis hochstilisiert wurde, die Schrecken des Alltags einesAsylbewerbers entgegen, um auf die Ausländerpolitik Österreichs aufmerksam <strong>zum</strong>achen. Warum wählten Sie diese Form mit diesem Background?Weil es <strong>zum</strong> damaligen Zeitpunkt ein umfassender aber auch einfacherDurchspül- und Durchspielmechanismus gewesen ist. Allerorts explodiertedie Spaßgesellschaft und arbeitete sich politisch am gesellschaftlichen Randab. Hier wurde der Rand ins Zentrum der Spaßmacher verschoben. Das warbestimmt brachial, aber brachial war die Realvorlage – und sie ist es noch.10. Sie haben ein Stamm von Schauspielern, die Sie schon Jahre begleiten und jenachdem etwas anderes spielen, in wieweit ist dabei noch Authentizität undSpontaneität da, wenn diese doch nur nach ihrer „Regiepfeife“ tanzen?Sie tanzen ja gar nicht! Improvisation ist ein Begriff, den ich nur ungernverwende, auch wenn er niemals zu vermeiden sein wird. Improvisation ist jaletztlich nichts anderes als ein bewusstes Umgehen von Inszenierung, damitalso selbst schon wieder inszeniert. Eher geht es um Authentizität, umHyperrealität, um Paradoxe, die unseren Alltag, philosophisch: DAS LEBENausmachen. Wenn ein Schauspieler am Abend nicht spielen will, habe ich63
nichts dagegen; wenn er nicht spielen will und trotzdem zur Vorstellungkommt, ist das noch besser. Regiepfeifen haben, glaube ich zu wissen,andere in der Tasche.11. Heiner Müller sagte einmal, „Optimismus ist nur Mangel an Information.“ Ist ihrAnliegen und ihr Antrieb ihre Sendungen zu machen, dass sie die Menscheninformieren wollen und auf Dinge aufmerksam machen, die diese womöglich beiihren „Popstars“, „Daily Talks“, „Zlatkos“ und selbst bei Günther Jauch nichterfahren werden, auf die Gefahr hin ihren Optimismus zu trüben?Wer bei Beschau all solcher Formate noch Optimismus verspürt, der istselber schuld – oder schon tot, ohne dass er es gemerkt hätte. Fernsehengenerell ist ein Nullmedium; wenn Enzensberger jemals Recht hatte, danndamit. Mein telegenes Mittel ist die Affirmation, das Durchspielen derFormate, so wie sind, wenn auf der aufnehmenden Kamera das Rotlichtexplodiert. Auch hier gilt es nicht, zu schockieren, zu moralisieren, sondernsich und andere zu fragen: Warum seid Ihr schockiert, wenn Ihr Euch das,was Ihr ohnehin täglich seht, und ich in Reinform zeige, anschaut?12. Ist Irritation, Widersprüchlichkeit, Provokation, Tabubrüche und betonteKörperlichkeit, wie in ihren Arbeiten, das einzige Mittel, um die Leute <strong>zum</strong> Denkenund Nachdenken zu bringen?Meinen Arbeiten Provokation anzudichten ist ein Mechanismus jener Leute,die nicht hinter die Projekte gucken wollen, weil ihnen die Oberfläche zuunästhetisch, zu trivial, zu peinlich ist. Dabei ist das Leben trivial, peinlich –und macht trotzdem Spaß. Provozieren kann sich – vor dem Hintergrundseines eigenen Horizonts – jeder nur selbst. Selbstprovokation ist Teilmeiner Arbeit; widersprüchlich ist sie, weil wir selbst Widersprüche sind,jeden Tag, auf jeder Bühne.64
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Seit der ersten richtigen Talkshow
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Grausamkeiten, Ungerechtigkeiten un
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Der Leitsatz vieler Medienmacher la
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Diwo, Marion D. G. & Dr. M. Seidel
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Horton, Donald & Wohl, Richard (195
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Scheidt, Wolfgang (2000): „Affekt
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Film- bzw. VideomaterialBaumann von
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Abbildung 7, Seite 22: „Quiz 3000
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