V. Zusammenfassung und Schluss-BetrachtungSchlingensief, dessen Talkshow, seine öffentlichen Happenings und natürlich auchseine Containershow psychologischen Gruppentherapien zur Selbst- wie auch zurGemeinschaftserfahrung im größeren Stil ähneln, spricht davon, dass es in unsererGesellschaft heutzutage wahnsinnig schwierig ist authentisch zu sein, vor allem imMedium Fernsehen (vgl. Edda Baumann, ARTE, 2002).Für Schlingensief spiegelt sich die lebensweltliche Realität, mit der sich auch er inseinen Fernsehbezogenen Projekten immer wieder auseinandersetzt, nicht in dermedialen Welt des „Reality-TV“, geschweige denn wird sie ihr gerecht, obwohl diesdas Anliegen vieler Programmchefs zu sein scheint. Es existiert ein Drang derZuschauer nach Wirklichkeit, der das Fernsehen beherrscht, wobei diese sich aber<strong>zum</strong>eist doch nur mit der bloßen Inszenierung der Wirklichkeit begnügen.Schlingensiefs Inszenierungen funktionieren als ein offenes, selbst regulierendesSystem, in dem er sich beispielsweise als Talkmaster selbst hineinbegibt, umeinen Großteil der Inszenierung von außen kommen zu lassen. SeineSelbstinszenierung und die eventuelle Selbstdarstellung der Prominenten in seinenShows, werden von ihm selbst oder von seinen Schauspielern und Anhängernbehindert, von Zeit zu Zeit bewusst gestört oder ins Leere laufen gelassen. Es gehtsehr oft um eine ständige Beschmutzung und gewollte Veränderung dervorherrschenden Persönlichkeitsstrukturen spezifischer Personen, der Öffentlichkeitallgemein und verschiedener Institutionen. Alles muss in Bewegung bleiben,man darf sich nicht auf jedweder Lorbeeren ausruhen und einem eventuellenNarzissmus, von wem auch immer, wird strickt entgegen gearbeitet.Andererseits erkennt Schlingensief die Fernsehwelt als eigene Realität an, die er inseinen Prozess der Verbindung von Leben und Kunst bzw. Theater mit einbezieht.So steht Paul Virilios Gedanke vom Verschwinden des Wirklichen im Strudel dervirtuellen Realitäten (1993) paradoxerweise gegen das Vorhaben desperformativen Realitätsfernsehens, wobei Schlingensief in seinem „Reality-TV“107
eher von bestimmten, bedenklichen Realitäten ausgeht, die einer extravagantkünstlerischenwie auch provokativeren Darstellung benötigen. Diese versucht ermit den gleichen Mitteln des Fernsehens, doch mit einem sozial ambitioniertenCharakter, umzusetzen. Er versteht das Fernsehen eben nicht nur als Produzentreiner Unterhaltung und auch nicht die dort gezeigte Realität als angenehm undakzeptierbar, sondern er sieht darin ein Instrument, Realität zu offenbaren und zubenennen, um sie dann anzuprangern, zu verneinen und sie am liebsten zuverändern.Somit wird Fernsehen bei Schlingensief manchmal zu einem Gemeindehaus, indem er seiner sündigen oder auch unwissenden Fernsehgemeinde eine lautstarkePredigt hält. Die Presse betitelte ihn einmal als „Kinskiverschnitt mit Jesus –Programm“ (Süddeutsche Zeitung, 15.3.2002), ganz christlich, prophetisch undebenso expressiv-kämpferisch. Im Zeitalter der „säkularen Beichte“ in Talkshows(Moritz, 1997) ist Schlingensief derjenige, der sie <strong>zum</strong>indest abnimmt. Er ist der„Rosenkranz“, den wir beten sollen, wobei er sich z. B. in seiner Sendung U3000selbst erniedrigt und „mea culpa“ schreit.Schlingensief nutzt den Erfolg von anderen bzw. beobachtet sehr gut welcheFernsehformate zu welcher Zeit populär sind. In der Zeit des Talkshowboomsbringt er „Talk 2000“ ins Fernsehen, nach „Big Brother“ veranstaltet er „Ausländerraus“, passend zu „Wer wird Millionär“ schreibt er das Theaterstück „Ouiz 3000 –Du bist die Katastrophe“ und nach „Popstars“ läuft „Freakstars 3000“ über denBildschirm. Ohne diese Masche wäre er nicht so erfolgreich und ohne den immeröfter eingeschlagenen Weg über das Fernsehen nicht so bekannt.Da Schlingensief die Gesellschaft und ihre Politik kritisiert, kritisiert er auch denMenschen als potenziellen Nutzer und somit auch sich selbst. Diese Kritikbeinhaltet zwangsläufig auch das televisionäre Medium, wobei es Schlingensiefeben nicht um das Medium selbst und seinen Möglichkeiten geht, dessen Mittelner sich in vielerlei Hinsicht arriviert bedient, sondern um die Kultur- und108
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nur einen für meine Zwecke ausreic
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II. Zum „performativen Realitäts
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Einleitung„Babysitter der Moderne
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Seit der ersten richtigen Talkshow
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I. Normative Muster schlingensiefsc
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„Lindenstrasse“, die er als zum
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seine Theaterstücke und Filme inte
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Er lässt aus mehreren Personen ein
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„Friedenshase“ bezeichnet. Schl
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Mit diesem Format versucht Schlinge
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Mit Argwohn betrachtet Schlingensie
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Zudem beinhaltet „Freakstars 3000
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folgenden Worten seine Unterstützu
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Castingshow“ sowie „Beziehungs-
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darzustellen, die das Gewohnte der
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Der Erfinder der Reality-Soap „Bi
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