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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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6.7 Blinde MusikerInnen<br />

Blinde Menschen hatten, nach der Auffassung vieler PädagogInnen, bedingt durch ihr<br />

angeblich „feines“ Gehör ein besonderes „musikalisches Talent“. Sie wurden daher zu OrganistInnen,<br />

KlavierspielerInnen, SängerInnen oder MusiklehrerInnen ausgebildet.<br />

Auch unter dem NS-Regime wurde der Auftritt von blinden MusikerInnen bei Konzerten<br />

als eine wichtige Erwerbstätigkeit angesehen. Der freie Verkauf von Eintrittskarten<br />

für diese Veranstaltungen von Haus zu Haus wurde aber nach der Einführung des<br />

Sammlungsgesetzes 862 1934 verboten. Die Konzerte wurden zu genehmigungspflichtigen<br />

Veranstaltungen. 863 Durch die erste Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes<br />

vom 1. November 1933 mussten alle MusikerInnen in der Reichsmusikkammer<br />

Mitglied sein, um eine Erlaubnis zum Auftritt zu erhalten. 864 In der Reichsmusikkammer<br />

wurde 1935 das „Blindenkonzertamt“ eingerichtet, dass die Durchführung von Auftritten<br />

blinder MusikerInnen beaufsichtigte. 865 Geregelt wurden diese Veranstaltungen durch die<br />

„Richtlinien für die Genehmigung von Blindenkonzerten“ 866 . Als „Blindenkonzerte“ galten<br />

öffentliche Auftritte, bei denen eine oder mehrere blinde KünstlerInnen mitwirkten. Die<br />

Unkosten durften 70 Prozent nicht überschreiten, damit den mitwirkenden blinden KünstlerInnen<br />

wenigstens 30 Prozent der Bruttoeinnahmen zufallen würden. 867 Als Genehmigungsbehörden<br />

fungierten größtenteils die Innenministerien der einzelnen Reichsgaue. 868<br />

Am 23. Juni 1939 erhielt das „Blindenkonzertamt“ neue Satzungen, wodurch es von einem<br />

Aufsichtsorgan zu einer neuen Einrichtung wurde, die für alle durch die blinden KünstlerIn<br />

nen bedingten Sonderaufgaben der Reichsmusikkammer zuständig war. 869<br />

Nach dem „Anschluss“ wurde das „Blindenkonzertamt“ auch in der „Ostmark“ tätig. Die<br />

ersten Konzerte konnten in den „Alpen- <strong>und</strong> Donaureichsgauen“ ab April 1940 durchgeführt<br />

werden. Die Gesamtzahl der Konzerte mit blinden KünstlerInnen im „Deutschen Reich“<br />

stieg dadurch von 672 im Geschäftsjahr April 1939 bis März 1940 auf 1.003 Veranstaltung<br />

1940/41. R<strong>und</strong> 100 blinde KünstlerInnen waren daran insgesamt beteiligt. Im Geschäftsjahr<br />

1943/44 konnte die Rekordzahl von 1.517 Veranstaltungen erreicht werden. Der Umsatz<br />

betrug über 1,8 Millionen RM. Blinde MusikerInnen kamen so auf ein Jahresdurchschnittseinkommen<br />

von mehr als 8.300 RM. 870 Sie gehörten damit zu den SpitzenverdienerInnen<br />

unter den blinden Menschen. Dafür mussten sie aber ihre künstlerische Freiheit aufgeben,<br />

862 Vgl. Kapitel II.3.7.<br />

863 Vgl. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 151/09 Bü 314, 18: Vollzug des Sammlungsgesetzes vom 5. November<br />

1934; II.3.3a, zitiert in: Schrenk, Rudolf Kraemer, S. 219.<br />

864 Vgl. [D] RGBl., Teil 1, Erste Verordnung zur Durchführung des Reichkulturkammergesetzes vom 1. November<br />

1933, S. 797–800.<br />

865 Vgl. Brüggemann, Die blinden Musiker, S. 57–63, hier S. 60.<br />

866 R<strong>und</strong>erlass des Reichs- <strong>und</strong> Preußischen Minister des Inneren vom 17.10.35 V W 6000 a/5.10–Ministerialblatt<br />

der inneren Verwaltung Nr. 43 v. 23.10.1935, S. 1291, zitiert in: Brüggemann, Die blinden Musiker,<br />

S. 57–63, hier S. 61.<br />

867 Vgl. R<strong>und</strong>erlass des Reichs- <strong>und</strong> Preußischen Minister des Inneren vom 17.10.35 V W 6000 a/5.10–Ministerialblatt<br />

der inneren Verwaltung Nr. 43 v. 23.10.1935, S. 1291, zitiert in: Brüggemann, Die blinden<br />

Musiker, S. 57–63, hier S. 61.<br />

868 Vgl. Schrenk, Rudolf Kraemer, S. 220.<br />

869 Vgl. Stoeckel, Die Förderung blinder Musiker, S. 267–270, hier S. 267 [Stoeckel war Referent an der Reichsmusikkammer].<br />

870 Vgl. Schrenk, Rudolf Kraemer, S. 221–222.<br />

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