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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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der „Untersteiermark“ hin. 1806 Der 1921 geborene Johann J. war nach einem genehmigten<br />

Urlaub nicht in das Reservelazarett für Kriegsblinde in Wien zurückgekehrt. Das Gericht der<br />

Division 438 in Klagenfurt traf am 11. Jänner 1945 aber den Beschluss, von einer Verfolgung<br />

abzusehen. In einer Sitzung zur „Berufsberatung“ für Johann J. vom 24. Jänner 1945, die<br />

ohne den Betroffenen stattfand, informierte der Chefarzt die „Berufsberatungskommission“<br />

über diesen Beschluss. Zur Urteilsbegründung heißt es in dieser Notiz: „In der Begründung<br />

wird darauf verwiesen, daß J[…] Kriegsblinder ist, der für einen Dienst in der Wehrmacht<br />

nicht mehr in Frage kommt.“ 1807 Johann J. dürfte daraufhin aus der Wehrmacht entlassen<br />

worden sein. Der Akt gibt keinen Aufschluss darüber, inwieweit versorgungsrechtlich mit<br />

Johann J. weiter verfahren wurden.<br />

Ebenfalls einen Sonderfall stellten erblindete Angehörige der SS-Formationen dar. Darauf<br />

wird in Kapitel III.8 eingegangen. 1808<br />

4.3 Hilfsmittel <strong>und</strong> Führh<strong>und</strong>e<br />

Eine wichtige Voraussetzung für die berufliche <strong>Integration</strong> Kriegsblinder <strong>und</strong> anderer<br />

Kriegsopfer mit körperlichen Beeinträchtigungen war der Einsatz von Hilfsmitteln. 1809 Um<br />

die beruflichen Möglichkeiten der Betroffenen zu verbessern, intensivierte das NS-Regime<br />

die Entwicklung von neuen Behelfen. Für einarmige Betroffene wurde beispielsweise 1943<br />

eine Schreibmaschine erf<strong>und</strong>en, die mit einem Fußpedal bedient werden konnte. Mit der<br />

unversehrten Hand konnten die Buchstabentasten gedrückt werden. Die Umschalttaste für<br />

Klein- <strong>und</strong> Großbuchstaben oder Sonderzeichen wurde durch das Fußpedal betätigt. Dies<br />

erhöhte die Schreibgeschwindigkeit. 1810<br />

Noch 1944 richtete das OKW unter Leitung von Oberstabsarzt Dr. Ernst Rühe eine<br />

„Arbeitsgemeinschaft für Blindenbetreuung“ 1811 ein, die vorhandene Blindenhilfsmittel auf<br />

weitere technische Verbesserungsmöglichkeiten überprüfen <strong>und</strong> neue entwickeln sollte.<br />

Bei der Entwicklung <strong>und</strong> Herstellung von Hilfsmitteln ergaben sich allerdings einige<br />

Schwierigkeiten, die nicht nur durch den kriegswirtschaftlichen Mangel an Rohstoffen <strong>und</strong><br />

Materialien gekennzeichnet waren. Die Herstellungskosten von Hilfsmitteln waren meist<br />

sehr hoch. Gleichzeitig war die zu produzierende Stückzahl relativ niedrig. Eine Se ri en fabri<br />

ka tion war daher nicht gewinnorientiert möglich <strong>und</strong> die Kosten für ein einzelnes Gerät<br />

konnten unerschwinglich werden. 1812<br />

1806 Die Untersteiermark (Spodnja Štajerska) war Teil der ab 1941 besetzten Verwaltungsbezirke <strong>und</strong> Regionen<br />

von Slowenien. Vgl. weiterführend dazu auch die im folgenden Sammelband angegebene Literatur:<br />

Jochem, Seiderer, Entrechtung.<br />

1807 ÖStA, AdR, Gruppe Landesverteidigung, HVA, Ostmark-Kriegsblinde, Kt. 2, Akten betreffend Soziale<br />

Fürsorge Johann J, AZ VIa-Bl/NW/1945, HVA Wien, Berufsbetreuung Kriegsblinder, Beratung im Reservelazarett<br />

IXa in Wien vom 24.1.1945.<br />

1808 Vgl. Jähnl, Kriegsblinden, S. 114.<br />

1809 Vgl. Kapitel III.4.2.3, III.4.3.<br />

1810 Vgl. o. A., Eine Schreibmaschine für Kriegsversehrte, S. 58.<br />

1811 O. A., Arbeitsgemeinschaft für Blindenbetreuung, S. 78.<br />

1812 Vgl. Moser, Das elektrische Auge, S. 9–10; o. A., Rechenmaschine für Blinde, S. 23–26.<br />

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