11.09.2012 Aufrufe

Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vergleicht man die Angaben des RBV für das „Altreich“ aus dem Jahre 1938, die von<br />

32.000 Zivilblinden ausgehen, mit dem Ergebnis der „Reichsgebrechlichenzählung“ 1926/27,<br />

bei der 33.192 Zivilblinde eruiert wurden, dann scheint sich die Zahl der Zivilblinden um<br />

r<strong>und</strong> 1.200 verringert zu haben. Für diese angenommene Reduzierung gab es nach damaliger<br />

Ansicht mannigfaltige Gründe, die im Anschluss an das Kapitel über die Ursachen<br />

von Erblindungen erläutert werden.<br />

1.2 Wie wurden Erblindungen bei Zivilblinden verursacht?<br />

Im Folgenden wird ein Überblick darüber gegeben, von welchen Ursachen für eine Erblindung<br />

die Wissenschaft auf Basis des damaligen medizinischen Erkenntnisstandes ausgegangen<br />

ist. Martin Bartels, Leiter der städtischen Augenklinik in Dortm<strong>und</strong> (D), nannte<br />

im Jahr 1939 folgende Hauptursachen:<br />

„Augenverletzungen mit Schädelverletzungen <strong>und</strong> sympathische Augenentzündungen<br />

157 , grüner Star, Vererbung, Arteriosklerose <strong>und</strong> Alterserscheinungen, Tuberkulose<br />

<strong>und</strong> Skrofulose, akute Infektionskrankheiten, Kurzsichtigkeit (Netzhautablösung),<br />

Syphilis, angeboren ohne nähere Angabe, Hirnhautentzündung, Körnerkrankheit.“ 158<br />

Welchen genauen Anteil diese einzelnen Ursachen an der Anzahl von blinden Menschen<br />

hatten, kann nicht dargestellt werden, da dazu keine weiteren zeitgenössischen Informationen<br />

gef<strong>und</strong>en wurden. Bemerkenswert dabei ist, dass Bartels auch noch die „Körnerkrankheit“<br />

als eine der Hauptursachen von Erblindungen nennt. Gemeint ist hiermit das Trachom.<br />

Dabei handelt es sich um eine Virusinfektion des Auges. Diese verursacht eine schwere<br />

Entzündung der Bindehaut. Bei der Abheilung kann es zur Narbenbildung kommen. Im<br />

Endstadium ist eine Erblindung durch ein Übergreifen der Infektion auf die Hornhaut<br />

möglich. 159 Das Trachom ist eine sehr ansteckende Krankheit. Schon zur Zeit des Ersten<br />

Weltkrieges kam es endemisch in der Bevölkerung vor. 160 In der <strong>Zwischen</strong>kriegszeit kam<br />

es allerdings zu einem deutlichen Rückgang der Erkrankungszahlen. 161 Auf Gr<strong>und</strong> der<br />

in der NS-Zeit darstellt. Die Darstellungen beruhen auf den Erfahrungen der blinden Überlebenden der<br />

NS-Zeit <strong>und</strong> die Autoren zitieren aus vielen Quellen des Blindenwesens. Zu dem gleichen Ergebnis kommt<br />

auch Gabriel Richter. Vgl. Richter, Blindheit, S. 4.]<br />

157 Bei dieser Erkrankung, heute „Sympathische Ophthalmie“ genannt, kommt es zu einer schweren Entzündung<br />

des eigentlich ges<strong>und</strong>en Auges nach schwerer Traumatisierung des anderen Auges, was zu einer<br />

Erblindung führen kann. Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, S. 218–219.<br />

158 Bartels, Hygiene, S. 1–15, hier S. 3. [Aus dem Text geht nicht hervor, ob die Angaben nach der Häufigkeit<br />

der angenommenen Ursachen aufgelistet sind.]<br />

159 Vgl. Pschyrembel, Wörterbuch, S. 1676. Das Trachom kommt in unseren Breitengraden nicht mehr vor.<br />

Es ist aber in allen tropischen <strong>und</strong> subtropischen Regionen mit mangelhafter Hygiene sehr verbreitet <strong>und</strong><br />

mit 400 bis 500 Millionen erkrankten Menschen auf der Erde weltweit heute die häufigste Ursache für<br />

Erblindungen.<br />

160 Auch Soldaten erkrankten daran <strong>und</strong> wurden schließlich in eigenen Trachomformationen zusammengeschlossen<br />

<strong>und</strong> meist in staubfreien Gebirgsgegenden eingesetzt. Vgl. <strong>Hoffmann</strong>, Kriegsblinde, S. 43–45.<br />

161 Vgl. ÖStA, AdR, BM f. soz. V., Volksges<strong>und</strong>heit, Kt. 2429, Zl. 251642/39 Landeshauptmannschaft Niederdonau<br />

an das Ministerium für innere <strong>und</strong> kulturelle Angelegenheiten vom 24.1.1939, Betreff: Trachombekämpfung<br />

im Gebiete des ehemaligen Burgenlandes.<br />

45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!