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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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hatten. 396 Nach den NS-Richtlinien zählte demnach fast die Hälfte der blinden Menschen<br />

zu den so genannten „Ballastexistenzen“.<br />

3.3.1 Die Rolle der NSV im „ostmärkischen“ Blindenwesen<br />

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ kontrollierte die NSV sämtliche Ein- <strong>und</strong> Ausgänge<br />

auf den Konten der Blindenvereine, bis der Stillhaltekommissar eine endgültige Verfügung<br />

über die betreffende Organisation getroffenen hatte. Diese Aufgabe übernahm der kommissarische<br />

Leiter für das Blindenwesen in der „Ostmark“ bei der NSV Gauverwaltung Wien,<br />

Wilhelm Delasbe. Seine Tätigkeit endete 1938, da das Blindenwesen zu diesem Zeitpunkt<br />

nahezu vollständig gleichgeschaltet worden war. 397 Dementsprechend konnten die Vereine<br />

schon unmittelbar nach dem „Anschluss“ ihre Tätigkeit ohne Zustimmung der NSV nicht<br />

mehr ausüben. 398<br />

Diese Gleichschaltung hatte weitreichende Folgen für die Vereinstätigkeit: Der RBV <strong>und</strong><br />

seine regionalen Vertretungen, in der „Ostmark“ „Gaubünde“ genannt, mussten der NSV<br />

Tätigkeitsberichte vorlegen <strong>und</strong> den NSV-Richtlinien konform agieren. Publikationen wie<br />

zum Beispiel die RBV-Zeitschrift „Die Blindenwelt“ wurden zensuriert. 399 Damit wurde es<br />

den blinden FunktionärInnen unmöglich gemacht, sich gegen das Regime oder zum Beispiel<br />

das GzVeN zu äußern. Mit der Rotensterngasse 25 verfügte der RBV „Ostmark“ im Gegensatz<br />

zum DBV zwar über eine eigene Geschäftsstelle außerhalb des NSV-Hauptsitzes, 400<br />

der RBV besaß aber nur nach seinem äußeren Erscheinungsbild Selbständigkeit. Praktisch<br />

agierte er ebenfalls als Abteilung der NSV. 401<br />

Die Blindenfürsorgevereine wurden dagegen allerdings direkt unter die Aufsicht des<br />

Leiters des Amtes für Volkswohlfahrt des jeweiligen Gaues gestellt <strong>und</strong> dem DBV „angeschlossen“.<br />

Anhand des „Odilien-Blindenvereines“, Träger der „Odilien-Blindenanstalt“ in<br />

Graz, kann die Auswirkung dieser Vorgehensweise aufgezeigt werden. 402 Der Stillhaltekommissar<br />

ordnete am 14. November 1938 an, dass dieser Blindenfürsorgeverein zwar weiter<br />

bestehen bleiben könne, aber seine Satzung ändern müsse. Dies geschah im Rahmen einer<br />

vorgedruckten, standardisierten Anordnung, was darauf schließen lässt, dass die darin enthaltenen<br />

Bestimmungen auch für andere Fürsorgevereine galten. 403 Mit den Vorschriften zur<br />

Änderung der Satzungen wurde die Selbständigkeit des Vereines aufgehoben. Das Amt für<br />

Volkswohlfahrt in Graz konnte die Rechnungslegung der Geschäftsführung einsehen <strong>und</strong><br />

Maßnahmen des Vereines untersagen, wenn sie den „Gr<strong>und</strong>sätzen einer planwirtschaftlichen<br />

396 Vgl. Pielasch, Jaedicke, Geschichte des Blindenwesens, S. 147.<br />

397 Vgl. ÖStA, AdR, Bürckel-Materie, Kt. 196, Zl. 4351/13, M. Abt. 2/9689/38, Abschrift Wiener Magistratsabteilung<br />

2 an den Minister für innere <strong>und</strong> kulturelle Angelegenheiten vom 7.1.1939, Betreff: Bericht über<br />

Zentralbibliothek für Blinde in Österreich.<br />

398 Vgl. BAB, DGT, R 36/1762, Arbeitsgemeinschaft für Blindenfürsorge <strong>und</strong> Blindenbildung, Nr. III, 2512/40,<br />

Niederschrift über die erste Tagung der Arbeitsgemeinschaft am 25. Oktober 1940 in Berlin, S. 8.<br />

399 Vgl. Malmanesh, Blinde, S. 127–130 <strong>und</strong> S. 160–171.<br />

400 Es ist nicht bekannt, dass der DBV nach dem Vorbild des RBV über einen eigenen Sitz in der „Ostmark“<br />

verfügte.<br />

401 Vgl. Jaedicke, Geschichte des deutschen Blindenwesens, S. 321.<br />

402 Vgl. Liebmann, Behindertenbetreuung, S. 77–106.<br />

403 Vgl. Liebmann, Behindertenbetreuung, S. 77–106, hier S. 86.<br />

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