11.09.2012 Aufrufe

Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Tatsächlich war dies ein wichtiges Steuerungselement zur Ausrichtung des Vereinswesens<br />

nach nationalsozialistischen Vorstellungen. Ausgenommen von der Genehmigungspflicht<br />

<strong>und</strong> den umfassenden Kontroll- <strong>und</strong> Aufsichtsmaßnahmen dieses Gesetzes waren<br />

nur Sammlungen <strong>und</strong> Veranstaltungen der NSDAP sowie ihrer Untergliederungen <strong>und</strong><br />

angeschlossenen Verbände. 533<br />

Das Sammlungsgesetz sah aber nicht nur staatliche Aufsichts- <strong>und</strong> Kontrollbefugnisse,<br />

sondern auch Strafsanktionen bei Verstößen vor. § 13 des Sammlungsgesetzes regelte, dass<br />

ein Verstoß gegen das Sammlungsgesetz mit Gefängnis bis zu sechs Monaten <strong>und</strong> mit<br />

Geldstrafe oder mit einer dieser beiden Strafen geahndet werden konnte. Von diesen Regelungen<br />

betroffen war auch der Verein „Zentralbibliothek für Blinde in Österreich“, der<br />

nach dem „Anschluss“ im Frühsommer 1938 ein Spendenschreiben 534 ohne Genehmigung<br />

versandt hatte. 535 Der „Minister für innere <strong>und</strong> kulturelle Angelegenheiten“ veranlasste<br />

daraufhin eine Unterbindung der Sammlungstätigkeit. 536 Die Wiener Magistratsabteilung<br />

2 führte eine Untersuchung durch. Von einer Strafverfügung wurde allerdings mit der<br />

Begründung Abstand genommen, die eingenommenen Gelder seien nicht „missbräuchlich“<br />

verwendet worden. Sämtliche Ausgaben des Vereinskontos erfolgten erst nach deren<br />

Genehmigung durch den kommissarischen Leiter des Blindenwesens der NSV, Gau Wien,<br />

Wilhelm Delasbe.<br />

Im Zuge der Ermittlungen wurden auch Erich Chalupka, der Leiter des Vereines bis<br />

zum „Anschluss“, <strong>und</strong> sein Nachfolger Gustav Adolf Besser, der spätere Leiter des RBV-<br />

Gaub<strong>und</strong>es Wien, einvernommen. Sie sagten aus, dass Spendenaufrufe nur an ehemalige<br />

Förderinnen <strong>und</strong> Förderer des Blindenwesens versandt worden seien, soweit sie der Leitung<br />

bekannt waren. 537 Es handelte sich bei der betreffenden Sammlung also nur um eine Aktion<br />

mit geringer Reichweite. Das dürfte die Behörden dazu bewogen haben, von einer Strafverfolgung<br />

abzusehen. Der Verein wurde schließlich gelöscht <strong>und</strong> in den RBV „eingegliedert“.<br />

Nachdem die Gleichschaltung des Blindenwesens in Österreich abgeschlossen worden<br />

war, suchten auch die beiden großen Dachorganisationen, der DBV <strong>und</strong> der RBV, um<br />

Sammlungsgenehmigungen an. Diese wurden dann, wenn überhaupt, erst im Laufe des<br />

Jahres 1939 erteilt. Über ein Jahr hatten die Vereine der „Ostmark“ damit kein Einkommen<br />

durch Spenden, was sich auf ihre Handlungsmöglichkeiten fatal ausgewirkt haben dürfte.<br />

533 Die Sammlungstätigkeiten dieser Organisationen wurden durch die Sammlungsordnung der NSDAP, die<br />

in Österreich am 11. Oktober 1938 in Kraft trat, geregelt. Vgl. GBlÖ, Nr.528/1938, Einführung der Sammlungsordnung<br />

der NSDAP im Lande Österreich vom 10. Oktober 1938.<br />

534 Eine Kopie des Schreibens befindet sich im nachfolgend zitierten Akt im ÖStA. Das Schreiben ist allerdings<br />

nicht datiert, sondern enthält nur den Hinweis „Datum des Poststempels“. Beim Reichskommissar<br />

für die „Wiedervereinigung“ Österreichs mit dem Deutschen Reich ist es am 5. September 1938 eingegangen.<br />

Vgl. ÖStA, AdR, Stiko Wien, Kt. 367, Zl. 22/F, Sg. 21, AZ 19, Spendenschreiben der Zentralbibliothek<br />

für Blinde in Österreich eingegangen am 5.9.1938.<br />

535 Vgl. ÖStA, AdR, Bürckel-Materie, Kt. 196, Zl. 4351/13, GZ II/5-247.264-1938, Der Minister für innere <strong>und</strong><br />

kulturelle Angelegenheiten an das Magistrat Wien eingegangen am 4. 11. 1938, Betreff: Übermittlung<br />

Spendenaufruf der Dr. Kal Glossy’schen Zentralbibliothek für das Blinden.<br />

536 Vgl. ÖStA, AdR, Bürckel-Materie, Kt. 196, Zl. 4351/13, GZ II/5-261.018/1938, Der Minister für innere<br />

<strong>und</strong> kulturelle Angelegenheiten an den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs vom<br />

3.12.1938, Betreff: Dr. Karl Glossy’sche Zentralbibliothek für Blinde.<br />

537 Vgl. ÖStA, AdR, Bürckel-Materie, Kt. 196, Zl. 4351/13, M. Abt. 2/9689/38, Abschrift Wiener Magistratsabteilung<br />

2 an den Minister für innere <strong>und</strong> kulturelle Angelegenheiten vom 7.1.1939, Betreff: Bericht über<br />

die Zentralbibliothek für Blinde in Österreich.<br />

94

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!