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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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diese konnte allerdings erst ab 1. November 1938 bezogen werden. Die städtische Wohnhäuserverwaltung<br />

wendete sich daher am 19. Juli 1938 an das Büro des Vizebürgermeisters,<br />

um zu erreichen, dass das blinde Ehepaar die Wohnung nicht bereits Ende Juli verlassen<br />

musste <strong>und</strong> bis zum Einzug in die neue Wohnung am Neusserplatz dort wohnen bleiben<br />

konnte. Die Magistratsabteilung verwies dabei „auf die besonders berücksichtigungswürdigen<br />

Umstände“ 2218 , weil sich das blinde Ehepaar in fremder Umgebung nicht zurechtfinden<br />

würde. Dem Antrag wurde nicht stattgegeben. Bereits am 23. Juli 1938, das heißt acht Tage<br />

bevor die Frist zum Verlassen der Wohnung am 31. Juli auslief, bewilligte das zuständige<br />

Bezirksgericht in Fünfhausen die zwangsweise Räumung der betreffenden Wohnung. 2219<br />

Familie Wald verließ am 16. August 1938 ihre Gemeindewohnung. 2220 Es gelang ihnen,<br />

unter nicht bekannten Umständen unterzutauchen <strong>und</strong> sie überlebten. Nach dem Ende<br />

des Zweiten Weltkrieges setzte Jakob Wald seine Funktionärstätigkeit im österreichischen<br />

Blindenvereinswesen fort. 2221<br />

3.3 Die Verfolgung von Kriegsblinden jüdischer Herkunft<br />

3.3.1 Besonderheiten bei der Vertreibung von Kriegsblinden aus Wiener Gemeindewohnungen<br />

Eine andere Vorgehensweise zeigten die NS-Behörden bei den Vertreibungen von Kriegsblinden<br />

jüdischer Herkunft aus ihren Gemeindewohnungen. 2222 Wie bereits erwähnt, waren<br />

von den Kündigungen der NS-Stadtverwaltung vier Kriegsblinde betroffen. Für diese Studie<br />

konnten allerdings nur die Dokumente im DÖW zu einem dieser Betroffenen eingesehen<br />

werden, die anderen Unterlagen waren ebenfalls im WStLA nicht mehr auffindbar. 2223 Diese<br />

Akten dokumentieren die Vertreibung von Julius Grünwald, der mit seiner Frau <strong>und</strong> zwei<br />

erwachsenen Kindern 1938 in der Enenkelstraße 35 im 16. Wiener Gemeindebezirk lebte.<br />

Im Gegensatz zu den bereits geschilderten Fällen von Zivilblinden jüdischer Herkunft wurde<br />

Grünwald mehrfach gestattet, seinen Räumungstermin aufzuschieben. Außerdem bekam<br />

er bis Dezember 1938 zwei Ersatzwohnungen zugewiesen. 2224 Grünwald lehnte es allerdings<br />

ab, dort einzuziehen. Dies hing mit dem baulichen Zustand dieser Unterkünfte zusammen.<br />

Es zählte zur damals gängigen Praxis der NS-Behörden, von den Kündigungen betroffenen<br />

ehemaligen Teilnehmern des Ersten Weltkrieges jüdischer Herkunft minderwertige Unterkünfte<br />

in einem alten, baufälligen Haus oder in einer Baracke anzubieten. 2225<br />

2218 DÖW, Wiener M. Abt. 21, XV L/2/38, M. Abt. 21 an das Büro des Vizebürgermeisters vom 19.7.1938, Betreff:<br />

Jakob Wald Kündigung.<br />

2219 DÖW, Wiener M. Abt. 21, XV L/2/38, GZ 4 C 676/38, Bezirksgericht Fünfhausen, Bewilligung der zwangsweisen<br />

Räumung vom 23.8.1938.<br />

2220 Vgl. DÖW, Wiener M. Abt. 21, XV L/2/38, Dienstzettel an Betriebsbuchhaltung – Wohnhäuser vom<br />

18.11.1938, Betreff: Auszug der Mietpartei Jakob Wald.<br />

2221 Vgl. Bachleitner, Vogel, Jakob Wald, S. 32–33.<br />

2222 Vgl. Exenberger, Koß, Ungar-Klein, Kündigungsgr<strong>und</strong> Nichtarier, S. 64–71.<br />

2223 Vgl. Kapitel IV.3.2.<br />

2224 Vgl. DÖW, Wiener M. Abt. 21, XV/A/5/38, Dienstzettel an die M. Abt. 21/I Verwaltung vom 23.12.1938,<br />

Betreff: Julius Grünwald, Delogierung der Partei.<br />

2225 Vgl. Exenberger, Koß, Ungar-Klein, Kündigungsgr<strong>und</strong> Nichtarier, S. 67.<br />

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