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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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In den Bestimmungen des WFVG stand der Gedanke der Rehabilitation <strong>und</strong> In tegra<br />

ti on in die Arbeitswelt vor dem der Rentenversorgung. 1440 Hauptziel des NS-Regimes<br />

war es, dass möglichst alle Betroffenen einem Beruf nachgingen. 1441 Während erblindete<br />

Soldaten nach dem IEG als „Hilfslose“ <strong>und</strong> nach dem RVG als „erwerbsunfähig“ 1442 eingestuft<br />

wurden, 1443 galten sie nach der Einschätzung der zuständigen Beamten der na tional<br />

so zia lis ti schen Kriegsopferversorgung als „arbeitsverwendungsfähig“ 1444 . Das WFVG<br />

sollte das nationalsozialistische Leistungsprinzip umsetzen. Renten bekamen durch die<br />

NS-Propaganda ein negatives Image. Anton Schanzer, ein selbst Kriegsversehrter Dissertant<br />

der Wirtschaftswissenschaften schrieb ihnen 1944 beispielsweise eine „lähmende Wirkung<br />

auf den Lebens- <strong>und</strong> Arbeitswillen“ 1445 zu.<br />

Die im Folgenden beschriebenen Versorgungsansprüche <strong>und</strong> -leistungen für Kriegsblinde<br />

waren auch von propagandistischem Kalkül indiziert: Kriegserblindete zogen nach<br />

ihrer Entlassung aus der Wehrmacht große Aufmerksamkeit in der Bevölkerung auf sich,<br />

da der Verlust des Sehvermögens als eine der schlimmsten Formen einer Behinderung galt.<br />

Kriegsblinde sollten sich daher in ihrem Umfeld nach dem geleisteten Militärdienst über<br />

ihre Versorgungsleistungen möglichst positiv äußern:<br />

204<br />

„Denn ist erst einmal ein Kriegsversehrter unzufrieden, so zieht das die Mißstimmung<br />

seiner Angehörigen <strong>und</strong> Bekannten nach sich, die in ihm ein bedauernswertes Wesen<br />

sehen, dem geholfen werden muß.“ 1446<br />

Das NS-Regime befürchtete einen Stimmungsumschwung seiner AnhängerInnenschaft,<br />

wenn die Kriegsversehrten nicht, wie propagandistisch versprochen, bestmöglich versorgt<br />

gewesen wären. Dies hätte nach Meinung von beispielsweise Schanzer die „Geschlossenheit<br />

des Volksbewußtseins“ 1447 beeinträchtigt.<br />

2.2 „Reichsversorgungsgesetz“ (RVG)<br />

Die Kriegsopfer des Ersten Weltkrieges in Deutschland wurden nach den Bestimmungen<br />

des RVG versorgt. Das Gesetz war im Mai 1920 erlassen worden. 1448 R<strong>und</strong> ein Jahr nach der<br />

1440 Vgl. Schwendy, Fürsorge <strong>und</strong> Versorgung, S. 90–100, hier S. 90; Diehl, The Thanks of the Fatherland, p. 50.<br />

1441 Vgl. o. A., Gauleiter der Ostmark vor Kriegsblinden, in: Der Kriegsblinde, Nr. 3, Jg. 23 (1939), S. 73–74.<br />

1442 Vgl. <strong>Hoffmann</strong>, Blinde Menschen in der „Ostmark“, S. 270–271.<br />

1443 Vgl. <strong>Hoffmann</strong>, Kriegsblinde, S. 142.<br />

1444 BAB, DGT, R 36/1762, Arbeitsgemeinschaft für Blindenfürsorge <strong>und</strong> Blindenbildung, Hauptfürsorgestelle<br />

für Kriegsbeschädigte <strong>und</strong> Kriegshinterbliebene, Tagesordnung <strong>und</strong> Niederschrift über die Tagung am 10.<br />

<strong>und</strong> 11.11.1942, Betreff: Erblindete Soldaten, S. 6; Kapitel III.2.3.<br />

1445 Schanzer, Rückführung <strong>und</strong> Einsatz, S. 65.<br />

1446 Schanzer, Rückführung <strong>und</strong> Einsatz, S. 61.<br />

1447 Schanzer, Rückführung <strong>und</strong> Einsatz, S. 53.<br />

1448 Viele Kriegsopfer empfanden die Bestimmungen des RVG als unzureichend, auch wenn die Höhe der zugebilligten<br />

Renten durchaus höher war, als in anderen Ländern wie England oder Frankreich. James Diehl<br />

ging daher davon aus, dass nicht nur durch die Weltwirtschaftkrise bedingte Rentenkürzungen, sondern<br />

auch andere Gründe dafür verantwortlich waren, dass dieses Gesetz von einigen Betroffenen negativ beurteilt<br />

wurde: „[…] it failed to meet the psychological needs of German war victims.“ Vgl. Diehl, Disabled<br />

Veterans, pp. 705–736, hier p. 718; Cohen, Disabled Veterans, insb. pp. 4–6.

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