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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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linder Menschen jüdischer Herkunft unter dem NS-Regime. Über die vom DÖW erstellten<br />

Deportationslisten <strong>und</strong> der Datenbank mit den österreichischen Opfern des Holocausts ließ<br />

sich fallweise das Schicksal blinder Menschen jüdischer Herkunft, die namentlich bekannt<br />

waren, eruieren.<br />

Am umfangreichsten dokumentiert wird die Versorgung blinder Menschen jüdischer<br />

Herkunft zwischen 1938 <strong>und</strong> 1942 durch den erhaltenen Bestand der IKG Wien im „Central<br />

Archives of the history of jewish people“ (CAHJP) in Jerusalem. 51 Die dort archivierten<br />

Listen über blinde Menschen ermöglichten, ergänzt durch entsprechende Dokumente aus<br />

dem WStLA <strong>und</strong> des ÖStA, eine namentliche Erfassung von blinden <strong>und</strong> sehbehinderten<br />

Menschen jüdischer Herkunft. Ob betreffende Personen „blind“ oder „sehbehindert“ waren,<br />

konnte auf Gr<strong>und</strong> fehlender Angaben dazu, allerdings nicht unterschieden werden. 52<br />

Im „B<strong>und</strong>esarchiv Deutschland“ am Standort Berlin Lichterfelde (BAB) konnten<br />

durch die digitale Registrierung der Bestände der Abteilung R „Deutsches Reich“ viele<br />

relevante Dokumente verschiedenster NS-Ministerien wie dem Reichsverkehrsministerium,<br />

Reichsfinanzministerium, Reichsministerium für Volksaufklärung, Reichswirtschaftsministerium<br />

<strong>und</strong> der Reichstheaterkammer eingesehen werden. Während die im<br />

ÖStA aufbewahrten Quellen in erster Linie Auskunft über den Zeitraum 1938 bis 1940<br />

gaben, informierten diese Bestände über die Versorgung Kriegsblinder <strong>und</strong> Zivilblinder<br />

im „Deutschen Reich“ darüber hinaus bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Besonders<br />

aussagekräftig waren dabei Unterlagen aus dem Bestand des „Deutschen Gemeindetags“<br />

(DGT). Nach der Machtübertragung an Adolf Hitler 1933 hatten die bis dahin in Deutschland<br />

bestehenden sechs kommunalen Spitzenverbände ihre Selbständigkeit verloren. Der<br />

DGT wurde zur einzigen von der NSDAP anerkannten, korporativen Vertretung aller<br />

deutschen Städte- <strong>und</strong> Gemeindeverbände. Diese Studie zeigt, dass dieser Bestand nicht<br />

nur für kommunale <strong>und</strong> regionale Fragestellung relevant ist. 1940 wurde im DGT etwa<br />

eine „Arbeitsgemeinschaft für Blindenfürsorge <strong>und</strong> Blindenbildung“ eingerichtet, in der<br />

auch VertreterInnen aus der „Ostmark“ eingeb<strong>und</strong>en wurden. 53 Die diversen Schreiben<br />

von <strong>und</strong> an den DGT sowie erhaltene Protokolle der verschiedenen Gremien verdeutlichen<br />

zeitgenössische Probleme in der Versorgung blinder Menschen, ihre <strong>Integration</strong> in<br />

die Arbeitswelt, Bestimmungen bezüglich der Bildungsmöglichkeiten, die Arbeitsweise<br />

des „Reichsbann B“ für blinde Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in der „Hitler-Jugend“ sowie<br />

versorgungsrechtliche Gr<strong>und</strong>sätze des NS-Regimes in Bezug auf blinde Menschen im<br />

gesamten „Deutschen Reich“.<br />

Allerdings weist auch der Bestand im BAB erhebliche Lücken auf. Vom „Hauptamt für<br />

Volkswohlfahrt“ ist beispielsweise kein für diese Studie relevantes Schriftgut erhalten. Auch<br />

die Dokumente der Reichsjugendführung der „Hitler-Jugend“ sind im Laufe des Zweiten<br />

Weltkrieges vernichtet worden. Eine weiterführende Recherche über den „Reichsbann B“<br />

der „Hitler-Jugend“ war deshalb im BAB nicht möglich.<br />

51 Die Mikroficheablichtungen dieses Bestandes sind zwar ebenfalls in Wien archiviert, waren aber nach<br />

Anfrage der Autorin zum erforderlichen Zeitpunkt für die Fragestellung dieser wissenschaftlichen Arbeit<br />

nicht zugänglich.<br />

52 Abgesehen von wenigen Ausnahmen gestattet das CAHJP keine Einsicht der Originaldokumente. Deshalb<br />

erfolgte lediglich die Sichtung von Mikrofiche-Bändern, die stellenweise auf Gr<strong>und</strong> mangelnder<br />

Qualität schwer lesbar, zum Teil gänzlich unleserlich waren. Vgl. Kapitel IV.1.3.<br />

53 Vgl. Kapitel II.3.5.2.<br />

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