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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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5.2 Kriegsblinde HandwerkerInnen 1844<br />

5.2.1 Umschulung von Trafikanten nach dem „Anschluss“<br />

Viele Kriegsblinde des Ersten Weltkrieges hatten vor ihrer Entlassung aus dem Militärdienst<br />

zwar eine Handwerksausbildung erhalten, 1845 aber da weit mehr als die Hälfte der Betroffenen<br />

eine Tabaktrafik erhielten, waren sie durch die Einnahmen aus diesem Geschäft <strong>und</strong> ihre<br />

Renten nach dem IEG ausreichend versorgt <strong>und</strong> mussten nicht in einem Handwerksberuf<br />

arbeiten. Nach dem „Anschluss“ <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Änderungen des Tabaktrafikmonopols<br />

<strong>und</strong> den Auswirkungen der kriegsbedingten Regulierung der Tabakwarenzuteilung<br />

wurden die Tabakverschleißgeschäfte, wie in Kapitel III.5.5 ausführlich geschildert<br />

wird, zunehmend unrentabel. Die NSKOV „Fachabteilung erblindeter Krieger“ führte daher<br />

auf Kosten der Versorgungsämter ab 1941 entsprechende Lehrgänge zur Ausbildung in<br />

Blindenhandwerksberufen insbesondere für Kriegsblinde des Ersten Weltkrieges aus allen<br />

„Alpen- <strong>und</strong> Donaureichsgauen“ durch. 1846 Die Ausbildung zu Bürstenmachern übernahm<br />

der Kriegsblinde des Ersten Weltkrieges Albin Sackl. Der Bürstenmachermeister wurde für<br />

diese Tätigkeit von Graz nach Wien geholt. 1847 Ort, Häufigkeit <strong>und</strong> Umfang dieser Kurse<br />

sind nicht bekannt. Allerdings geht aus den Akten im ÖStA hervor, dass die Kriegsblinden<br />

des Ersten Weltkrieges nach Beendigung ihrer Ausbildung eine vollständige Werkzeuggarnitur<br />

zur Ausübung ihres Handwerkes erhielten. Zunächst allerdings nur leihweise. Das<br />

HVA „Ostmark“ übernahm erst die Kosten für die Gerätschaften, wenn die Kriegsblinden<br />

tatsächlich ihre Arbeit aufnahmen. Dies geht beispielsweise aus einem standardisierten<br />

Schreiben an den kriegsblinden Klagenfurter Trafikanten August Z. hervor. Mit 46 Jahren<br />

musste der im Ersten Weltkrieg vollständig erblindete Vater von vier Kindern noch einen<br />

neuen Beruf erlernen. 1848 Es ist vorstellbar, dass diese Umstände zu Unmut unter den Betroffenen<br />

geführt haben könnten, der allerdings nicht dokumentiert ist.<br />

5.2.2 Berufliche Situation der kriegsblinden HandwerkerInnen<br />

Zivilblinde, die als HandwerkerInnen arbeiteten, waren entweder in einer Werkstatt<br />

angestellt oder selbständig. 1849 Der Großteil der kriegsblinden HandwerkerInnen war in<br />

Heimarbeit für die „Kriegsblindenarbeitsgemeinschaft“ der NSKOV tätig. Sie erhielten<br />

von dieser Stelle nicht nur Arbeitsaufträge, sondern auch ihren Arbeitslohn ausbezahlt.<br />

Die NSKOV vertrieb die handwerklichen Produkte der Kriegsblinden aus der „Ostmark“<br />

über eine zentrale Verkaufsstelle in Wien. Abnehmer waren hauptsächlich die Wehrmacht,<br />

1844 Da auch durch die Auswirkungen des Krieges erblindete Zivilpersonen, darunter waren auch Frauen, in<br />

diesem Berufszweig ausgebildet wurden, wird die Formulierung HandwerkerInnen gewählt.<br />

1845 Vgl. <strong>Hoffmann</strong>, Kriegsblinde, S. 81–96.<br />

1846 Vgl. o. A., Zur Chronik des Blindenwesens. Wien, in: Die Blindenwelt, Nr. 4, Jg. 29 (1941), S. 103.<br />

1847 Vgl. Jähnl, Kriegsblinden, S. 115; o. A., Reichsstatthalter u. Gauleiter Dr. Jury bei kriegsblinden Handwerkern,<br />

S. 71.<br />

1848 Vgl. ÖStA, AdR, Gruppe Landesverteidigung, HVA, Ostmark-Kriegsblinde, Kt. 4, Akten betreffend Soziale<br />

Fürsorge Anton Z.<br />

1849 Vgl. Kapitel II.6.2.<br />

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