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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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wurden beginnend im Jahr 1938 schrittweise aufgelöst. 2187 In der Folge verarmten viele<br />

Menschen jüdischer Herkunft mit einer Beeinträchtigung völlig, auch weil sie zudem ihr<br />

Anrecht, Arbeitslosengeld zu beziehen, verloren hatten. 2188 Die IKG bemühte sich, für die<br />

blinden Menschen wieder Arbeitsplätze zu finden. Dieses Ansinnen wurde allerdings durch<br />

das NS-Regime stark erschwert <strong>und</strong> es konnte daher nur in Ausnahmefällen gelingen. 2189<br />

Schwerwiegende Folgen hatten für blinde Menschen jüdischer Herkunft die Vertreibungen<br />

aus ihren Wohnungen, da sie dadurch die ihnen vertraute Umgebung, in der sie sich<br />

gut orientieren konnten, verlassen mussten. Auf die Kündigungen von blinden MieterInnen<br />

in Wiener Gemeindewohnungen 1938 geht das folgende Kapitel ein. 1939 wurde mit dem<br />

Gesetz über die „Mietverhältnisse mit Juden“ 2190 der gesetzliche MieterInnenschutz teilweise<br />

aufgehoben <strong>und</strong> die Zusammenlegung von Familien jüdischer Herkunft erzwungen. Die<br />

Verordnung zur Einführung dieser Vorschriften in der „Ostmark“ wurde am 10. Mai 1939<br />

bekannt gemacht. 2191 Dies hatte zur Folge, dass viele Gemeinden BürgerInnen jüdischer<br />

Herkunft aus ihren Wohnungen vertrieben <strong>und</strong> diese gezwungen waren, in engere <strong>und</strong><br />

überfüllte Ausweichquartiere zu ziehen, die häufig wesentlich teurer waren als ihre vorherigen<br />

Unterkünfte. 2192<br />

3.2 Die Vertreibung von blinden Menschen jüdischer Herkunft<br />

aus Wiener Gemeindewohnungen<br />

Zur Zeit des „Anschlusses“ setzten sich die zuständigen NS-Behörden mit der Wohnungsnot<br />

in Wien auseinander, die sich auf Gr<strong>und</strong> der geringen Wohnbautätigkeit in der Zeit des<br />

autoritären „Ständestaates“ verschärft hatte. Der Zuzug von ParteimitarbeiterInnen, Militär-<br />

<strong>und</strong> Verwaltungspersonal aus dem „Deutschen Reich“ <strong>und</strong> die Rückkehr so genannter<br />

„alter Kämpfer“, das heißt ehemalige illegale Mitglieder der NSDAP, die in der „Verbotszeit“<br />

zwischen 1933 <strong>und</strong> 1938 Österreich verlassen hatten, führte zu einem erhöhten Bedarf<br />

an Wohnraum. 2193 Um Wohnungen für ihre Klientel zu beschaffen, vertrieben die NS-<br />

Machthaber MieterInnen jüdischer Herkunft aus Gemeindewohnungen. In der Registratur<br />

der Magistratsabteilung 52 fanden Herbert Exenberger, Johann Koß <strong>und</strong> Brigitte Ungar-<br />

Klein, die diese Zwangsräumungen 1996 untersuchten, 2.064 solcher Kündigungsakten von<br />

MieterInnen jüdischer Herkunft. 2194 Nach ihren Angaben waren auch zehn blinde Männer,<br />

davon vier Kriegsblinde, fünf blinde Frauen <strong>und</strong> eine Hinterbliebene eines Kriegsblinden<br />

betroffen. 2195<br />

2187 Vgl. Kapitel IV.5.<br />

2188 Vgl. CAHJP, A/W 272, HBM 2502, Nr. 236, Selbsthilfegruppe der jüdischen Krüppel in Wien an die Amtsdirektion<br />

vom 8.6.1940, Betreff: Memorandum vom 15.3.1940.<br />

2189 Vgl. Kapitel IV.5.4.<br />

2190 [D] RGBl. Teil I, Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden vom 30. April 1939, S. 864–865.<br />

2191 Vgl. GBlÖ, Nr. 607/1939, Verordnung zur Einführung des Gesetzes über die Mietverhältnisse mit Juden in<br />

der Ostmark vom 10. Mai 1939.<br />

2192 Vgl. Tepperberg, Oberst Otto Grossmann, S. 319–333, hier S. 325–326.<br />

2193 Vgl. Exenberger, Koß, Ungar-Klein, Kündigungsgr<strong>und</strong> Nichtarier, S. 28.<br />

2194 Vgl. Exenberger, Koß, Ungar-Klein, Kündigungsgr<strong>und</strong> Nichtarier, S. 12.<br />

2195 Vgl. Exenberger, Koß, Ungar-Klein, Kündigungsgr<strong>und</strong> Nichtarier, S. 72. Die Originaldokumente zu<br />

den Kündigungen dieser blinden MieterInnen jüdischer Herkunft der zuständigen Wiener Mag. Abt.<br />

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