11.09.2012 Aufrufe

Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

die vorliegende Fassung der Statuten gestimmt hätten. 2159 Außerdem sah der „Verband der<br />

Blindenvereine Österreichs“ die Interessen blinder Menschen dadurch geschädigt, dass „eine<br />

bestimmte Gruppe von Blinden von der Berufsfürsorge“ 2160 ausgeschlossen werden würde. 2161<br />

Keine Bedenken gegen die Statuten äußerte allerdings die B<strong>und</strong>es-Polizeidirektion Wien am<br />

3. Juli 1937. 2162 Das Obermagistrat erteilte dieser Argumentation folgend die Zustimmung<br />

zur Änderung der Statuten am 15. Juli 1937. 2163<br />

Als mögliche Hintergründe für die Entscheidung der „Interessengemeinschaft für blinde<br />

Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer“, einen „Arierparagraphen“ einzuführen, nennt der „Verband<br />

der Blindenvereine“ Österreichs in dem bereits zitierten Schreiben vom Juli 1937 wirtschaftliche<br />

Interessen:<br />

294<br />

„Von Seite der Interessengemeinschaft wird wohl erklärt, daß diese Bestimmung aus<br />

rein wirtschaftlichen Gründen in das Statut aufgenommen sei <strong>und</strong> daß damit keinerlei<br />

politische Tendenzen verfolgt werden.“ 2164<br />

Da zu diesem Zeitpunkt im benachbarten Deutschland bereits die „Nürnberger Rassengesetze“<br />

in Kraft waren, hatte die Entscheidung, „nichtarische“ Mitglieder auszuschließen,<br />

allerdings sehr wohl eine politische Dimension. Wie bereits erwähnt, handelte es sich bei<br />

der „Interessengemeinschaft blinder Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer“ vermutlich um ein Auffangbecken<br />

für zu diesem Zeitpunkt blinde illegale Mitglieder der NSDAP. 2165<br />

Diese Ausgrenzung von blinden Menschen jüdischer Herkunft war allerdings kein Spezifikum<br />

des Blindenwesens. Bereits im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert bemühten sich Antisemiten, „Organisationen<br />

dazu zu bringen, Juden nicht aufzunehmen.“ 2166 Neben antisemitischen Parteien <strong>und</strong> Vereinen,<br />

die Jüdinnen <strong>und</strong> Juden auf Gr<strong>und</strong> ihrer Statuten eine Mitgliedschaft „prinzipiell untersagten“,<br />

„verwiesen beginnend mit dem Jahr 1877 die national gesinnten Korporationen der Studenten in<br />

2159 Vgl. WStLA, M. Abt. 119, A 32, Zl. 7554/27, Interessengemeinschaft der blinden Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer,<br />

Verband der Blindenvereine Österreichs an den Wiener Magistrat, Abt. 2 vom 5.7.1937, Betreff:<br />

Interessengemeinschaft blinder Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer.<br />

2160 WStLA, M. Abt. 119, A 32, Zl. 7554/27, Interessengemeinschaft der blinden Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer,<br />

Verband der Blindenvereine Österreichs an den Wiener Magistrat, Abt. 2 vom 5.7.1937, Betreff: Interessengemeinschaft<br />

blinder Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer.<br />

2161 Eine weitere Eingabe erfolgte durch den „B<strong>und</strong> der österreichischen Gewerbetreibenden“ am 30. Juni 1937.<br />

Dieser stimmte erst nach einer Änderung der Statuten zu, die allerdings nicht im Zusammenhang mit der<br />

Einführung des „Arierparagraphen“ stand. Dieser Umstand blieb in dieser Stellungnahme unerwähnt.<br />

WStLA, M. Abt. 119, A 32, Zl. 7554/27, Interessengemeinschaft der blinden Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer,<br />

GZ 1801-Org/1937 Dr. H/R, B<strong>und</strong> der österreichischen Gewerbetreibenden an Mag. Abt. 2, vom 30.6.1937,<br />

Betreff: Verein Interessengemeinschaft blinder Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer, Umbildung.<br />

2162 Vgl. WStLA, M. Abt. 119, A 32, Zl. 7554/27, Interessengemeinschaft der blinden Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer,<br />

V. B. 3765/37, B<strong>und</strong>es-Polizeidirektion in Wien an Mag. Abt., vom 3.7.1937, Betreff: Verein Interessengemeinschaft<br />

blinder Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer, Umbildung.<br />

2163 Vgl. WStLA, M. Abt. 119, A 32, Zl. 7554/27, Interessengemeinschaft der blinden Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer,<br />

Bescheid M. Abt. 2/4019/37 vom 15.7.1937, Betreff: Umbildung wird nicht untersagt.<br />

2164 WStLA, M. Abt. 119, A 32, Zl. 7554/27, Interessengemeinschaft der blinden Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer,<br />

Verband der Blindenvereine Österreichs an den Wiener Magistrat, Abt. 2 vom 5.7.1937, Betreff: Interessengemeinschaft<br />

blinder Musiker <strong>und</strong> Klavierstimmer.<br />

2165 Vgl. Kapitel II.11.2.<br />

2166 Lichtblau, Macht <strong>und</strong> Tradition, S. 212–229, hier S. 216.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!