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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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„Reichsbann B“. Diese Einheit widersprach allerdings dem eigentlichen kolportierten Ziel<br />

der „Hitler-Jugend“, zur „Wehrhaftmachung“ der „ges<strong>und</strong>en deutschen Jugend“ beizutragen.<br />

Die NS-Führung trug diesem Widerspruch schließlich dahingehend Rechnung, dass der<br />

Aufbau des „Bann B“, ab 1938 „Reichsbann B“ genannt, als eigene Abteilung der „Hitler-<br />

Jugend“ eine <strong>Integration</strong> der blinden Jungen <strong>und</strong> Mädchen in die restliche „Staatsjugend“<br />

verhindern sollte.<br />

Maßgeblich für die Kriegsblinden war die NSKOV „Fachabteilung erblindeter Krieger“,<br />

welche die Kriegsblinden in der „Ostmark“ fast vollständig erfasste. Die Rehabilitation von<br />

kriegsblinden <strong>und</strong> „hirnverletzten“ Soldaten galt als besonders aufwendig. Dementsprechend<br />

unterstützte die NSKOV ein behindertenspezifisches Angebot zur besseren <strong>Integration</strong><br />

dieser Kriegsopfer in die Arbeitswelt. Die „Hirnverletzten“ <strong>und</strong> die Kriegsblinden<br />

waren daher die einzigen Gruppen von Kriegsgeschädigten, für die in der NSKOV Spezialabteilungen<br />

zuständig waren.<br />

Eine Aufgabe der NS-Blindenorganisationen war die Verbreitung der NS-Ideologie unter<br />

blinden Menschen. Die auf Kriegsblinde gezielte Propaganda suggerierte ein besonders<br />

hohes Verständnis des Regimes für ihre Anliegen <strong>und</strong> präsentierte beispielsweise Adolf<br />

Hitler als „Schicksalsgenossen“ der Kriegsblinden. Hitler selbst inszenierte seine im Ersten<br />

Weltkrieg durch „Senfgas“ hervorgerufene Bindehautentzündung als vorübergehende<br />

Kriegserblindung.<br />

Kriegsblinde <strong>und</strong> Zivilblinde sollten in möglichst großer Zahl zu AnhängerInnen der<br />

NS-Ideologie werden. Davon versprachen sich die NS-Machthaber eine bereitwilligere<br />

Umsetzung ihrer Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung <strong>und</strong> in Bezug auf die Zivilblinden<br />

unter anderem eine Befürwortung der Rassenhygiene.<br />

Begleitet wurde die NS-Rassenhygiene von einer umfangreichen Medienkampagne, die<br />

Menschen mit einer Beeinträchtigung als „Ballastexistenzen“ diffamierte. Dadurch verstrickte<br />

sich das Regime in massive Widersprüche: Die Veröffentlichung von beispielsweise<br />

zynischen Kosten-Nutzen-Modellen stellte die „Leistungsfähigkeit“ von Menschen mit einer<br />

Beeinträchtigung in Frage, was sich in der Folge negativ auf berufliche <strong>Integration</strong> blinder<br />

Menschen auswirkte. Selbst Kriegsblinde litten unter dieser negativen Darstellung von<br />

Menschen mit einer Beeinträchtigung, da es in der Bevölkerung zum Teil die Vorstellung<br />

gab, die im Krieg erlittenen körperlichen Beeinträchtigungen könnten erblich sein. Darüber<br />

hinaus entsprachen die den Zivilblinden von der Propaganda gemachten Versprechungen,<br />

eine Zwangssterilisation würde ihre „Vollwertigkeit“ nicht beeinflussen, keineswegs den<br />

Tatsachen. Als „erbkrank“ geltende blinde Menschen, auch wenn sie zwangssterilisiert<br />

worden waren, konnte ein angestrebtes Studium untersagt werden. Die Aufnahme von<br />

blinden Jugendlichen, die infolge einer als erblich geltenden Erkrankung erblindet waren,<br />

in den „Reichsbann B“ der „Hitler-Jugend“ war selbst nach einer erfolgten Zwangssterilisation,<br />

umstritten. Die NS-Rassenhygiene führte dazu, dass blinde Menschen in einem<br />

Spannungsfeld zwischen „Brauchbarmachung“ <strong>und</strong> Diskriminierung, Gleichstellung <strong>und</strong><br />

„Minderwertigkeit“, bedroht durch gesellschaftliche Isolation, Zwangssterilisationen <strong>und</strong><br />

„Euthanasie“ lebten.<br />

Zur Gruppe der vom Regime verfolgten blinden Menschen zählten aber nicht nur diejenigen<br />

mit einer als „erblich bedingt“ angenommenen Erblindung, sondern auch jene, die<br />

nach den „Nürnberger Rassengesetzen“ als Jüdinnen <strong>und</strong> Juden galten. Alle NS-Blindenorganisationen<br />

führten den „Arierparagraphen“ ein. Der Weiterbestand jüdischer Verbände<br />

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