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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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Am 1. Juni 1939 forderte der Stillhaltekommissar dann, dass sein Beschluss vom Juni<br />

des Vorjahres sich auch in den Statuten des „Israelitischen Blindeninstituts“ niederschlagen<br />

sollte: Das „Israelitische Blindeninstitut“ sollte zunächst fortbestehen, aber mit der Auflage,<br />

sich in „Jüdische Blindenanstalt, Taubstummen- <strong>und</strong> Krüppelhilfe Hohe Warte“ 2439 umzubenennen<br />

<strong>und</strong> die Statuten entsprechend abzuändern. 2440<br />

Obwohl der Stillhaltekommissar die Erweiterung des Betätigungsfeldes verlangt hatte, nahm<br />

er der Einrichtung gleichzeitig die finanziellen Möglichkeiten, ihre Aufgaben zu erfüllen, denn<br />

das unbewegliche Vermögen, die bereits aufgezählten Häuser, die zum Besitz des „Israelitischen<br />

Blindeninstitutes“ zählten, wurden mit Bescheid vom 25. Mai 1939 von der „Aufbaufonds-Vermögensverwaltung<br />

Ges. m. B. H. Wien“ 2441 eingezogen. 2442 Die vollständige Liquidierung erfolgte<br />

Ende 1939. Aus einer Mitteilung an die Buchhaltungsabteilung vom 2. Dezember 1939 geht<br />

hervor, dass das gesamte Vermögen des „Israelitischen Blindeninstituts“ in der Höhe von RM<br />

308.570,22 in den erwähnten „Aufbaufonds“ eingewiesen worden war. 2443<br />

Ende 1939 bestand das „Israelitische Blindeninstitut“ als „Jüdische Blindenanstalt, Taubstummen-<br />

<strong>und</strong> Krüppelhilfe Hohe Warte“ zwar immer noch als Eintrag im Vereinsregister,<br />

wurde allerdings faktisch bereits nur mehr als „Alters- <strong>und</strong> Siechenheim mit Blindenabteilung“<br />

von der IKG geführt. 1940 erteilte der Stillhaltekommissar an die IKG den Befehl, die<br />

nunmehrige „Jüdische Blindenanstalt, Taubstummen <strong>und</strong> Krüppelhilfe Hohe Warte“ bis<br />

9. September 1940 endgültig aufzulösen. Entsprechend der pseudolegalen Vorgangsweise<br />

des NS-Regimes bei der Verfolgung von Menschen jüdischer Herkunft musste zu diesem<br />

Zweck am 8. September ein Kuratorium zusammenkommen <strong>und</strong> die Auflösung formal<br />

beschließen. An dieser Sitzung nahmen VertreterInnen der IKG unter anderem Viktor<br />

Ornstein, Max Birnstein <strong>und</strong> Karl Weiler sowie der nunmehrige Direktor des „Israelitischen<br />

Blindeninstitut“ Karl Taussig <strong>und</strong> als Vertreter der „Selbsthilfegruppe der jüdischen<br />

Blinden“ Jakob Wald <strong>und</strong> Leo Demm teil. 2444 Siegfried Altmann, der seit 1922 als Direktor<br />

dieser Einrichtung fungiert hatte, war 1939 bereits in die USA geflohen. 2445<br />

erhob die DAF gegen diesen Beschluss Einspruch. Fünf der gekündigten waren so genannte „Gefolgschaftsmitglieder“,<br />

also Mitglieder von NS-Organisationen. Nach Ansicht der DAF stellte die Entlassung<br />

mit einer Kündigungsfrist von 14 Tagen „eine unbillige Härte“ dar, weil sie nun arbeitslos waren. Sie sollten<br />

erst gekündigt werden, wenn sie eine neue Anstellung gef<strong>und</strong>en hatten. Vgl. ÖStA, AdR, Stiko Wien, AC<br />

31, Wien IV, Kt. 558, Mappe B 9, AZ Dr. St/Gr, NSDAP Gau Wien Kreisleitung VIII, DAF, Rechtsberatung<br />

an den Stillhaltekommissar vom 4.2.1939.<br />

2439 ÖStA, AdR, Stiko Wien, AC 31, Kt. 558, Mappe B 9, Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen <strong>und</strong><br />

Verbände, Bekanntmachung vom 1.6.1939; WStLA, M. Abt. 119, A 32, Zl. 2308/22, Bescheid der Magistratsabteilung<br />

2./I/6-21537/39 vom 5.10.1939, Betreff: Umbildung wurde genehmigt. [Zusammen mit den<br />

Statuten auch abgelegt in: ÖStA, AdR, Stiko Wien, AC 31, Kt. 558, Mappe B 9.]<br />

2440 Vgl. ÖStA, AdR, Stiko Wien, AC 31, Kt. 558, Mappe B 9, Einrichtung für jüdische Blinde, Taubstumme<br />

<strong>und</strong> Krüppel, Statuten [1939].<br />

2441 ÖStA, AdR, Stiko Wien, AC 31, Kt. 558, Mappe B 9, Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen <strong>und</strong><br />

Verbände, Bescheid vom 25.5.1939.<br />

2442 Vgl. ÖStA, AdR, Stiko Wien, AC 31, Kt. 558, Mappe B 9, Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen<br />

<strong>und</strong> Verbände, Bescheid vom 25.5.1939.<br />

2443 Vgl. ÖStA, AdR, Stiko Wien, AC 31, Kt. 558, Mappe B 9, Referat IV Ac, Mitteilung an Buchhaltung vom<br />

2.12.1939.<br />

2444 Vgl. WStLA, M. Abt. 119, A 32, Zl. 2308/22, Protokoll über die Sitzung des Kuratoriums der Jüd. Blindenanstalt,<br />

Taubstummen- u. Krüppelhilfe Hohe Warte in Wien vom 8.9.1940.<br />

2445 In den USA betätigte er sich in österreichischen Exilorganisationen, konnte allerdings beruflich als Blindenpädagoge<br />

nicht Fuß fassen. Vgl. Röder, Strauss, Biographisches Handbuch der deutschsprachigen<br />

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