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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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Die Vorstöße gegen das traditionelle Vereinswesen erfolgten nicht nur auf organisatorischer<br />

Ebene, sondern waren ebenfalls finanzieller Natur. Durch das Sammlungsgesetz<br />

wurde die Spendenwerbung gesetzlich reglementiert. Davon profitierte vor allem das „Winterhilfswerk“<br />

(WHW). Die Vereine mussten starke Einnahmeeinbußen hinnehmen. Hinzu<br />

kam die Reduzierung der Zuschüsse öffentlicher Fürsorgeträger. Gefördert werden sollten<br />

nur mehr Projekte, die den rassenbiologischen <strong>und</strong> bevölkerungspolitischen Gr<strong>und</strong>sätzen<br />

entsprachen. Hauptaufgabe der „freien Blindenwohlfahrtspflege“ war dementsprechend<br />

die berufliche <strong>Integration</strong> blinder Menschen. Durch den Verlauf des Zweiten Weltkrieges<br />

kamen zu dieser Kernaufgabe neue Agenden hinzu. Die im NS-Blindenwesen tätigen Organisationen<br />

mussten Unterbringungsmöglichkeiten für evakuierte oder durch Luftangriffe<br />

obdachlos gewordene blinde Menschen schaffen. Durch die Tatsache, dass viele Soldaten<br />

von der Front erblindet heimkehrten, übernahmen auch diejenigen Vereine, deren Kompetenz<br />

eigentlich in der Unterstützung von Zivilblinden lag, Aufgaben bei der Versorgung<br />

der Kriegsblinden. 366<br />

Kriegsbedingt wurden zudem die Vereinstätigkeiten stark beeinträchtigt. Sitzungen<br />

konnten kaum mehr durchgeführt werden. Durch die völlige oder teilweise Zerstörung<br />

von Einrichtungen kam die Arbeit gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gänzlich zum<br />

Erliegen. Auf die hier im Überblick dargestellten Ereignisse gehen die folgenden Kapitel<br />

näher ein.<br />

3.2 Die Gleichschaltung der Vereine<br />

Das autonome Vereinsleben stand der NS-Ideologie entgegen. Am 16. März 1938 verordnete<br />

Josef Bürckel daher die Stilllegung jeder organisatorischen Tätigkeit von Vereinen <strong>und</strong> Verbänden<br />

bis zur Durchführung der Volksabstimmung über den „Anschluss“. Am 18. März<br />

1938 wurde der NSDAP-Mann Albert <strong>Hoffmann</strong> zum Stillhaltekommissar für Vereine,<br />

Organisationen <strong>und</strong> Verbände ernannt <strong>und</strong> dem „Reichskommissar für die Wiedervereinigung<br />

Österreichs mit dem Deutschen Reich“ unterstellt. Er sollte das Vereinswesen<br />

gemäß den nationalsozialistischen Interessen neu regeln <strong>und</strong> die NSV als führende Kraft<br />

der „freien Wohlfahrtspflege“ etablieren. Der Stillhaltekommissar wurde so zur „Schaltstelle<br />

der NSV-Interessen“ 367 in Österreich.<br />

Die rechtliche Gr<strong>und</strong>lage dafür bildete das Gesetz vom 17. Mai 1938 über die Überleitung<br />

<strong>und</strong> Eingliederung von Vereinen, Organisationen <strong>und</strong> Verbänden. 368 Am 1. Dezember 1939<br />

wurde dieses Gesetz wieder aufgehoben. Die Tätigkeit des Stillhaltekommissars war damit<br />

offiziell beendet. Davor wurden alle Vereine, welche die Meldung bei der Behörde unterlassen<br />

hatten, aus dem Vereinskataster gestrichen. Noch anhängige Fälle wurden durch die<br />

Aufbaufonds-Vermögensverwaltungsgesellschaft, die Nachfolgeeinrichtung des Stillhalte-<br />

366 Vgl. BAB, DGT, R 36/1762, AZ Nr. III 719/43, DGT an die Verwaltungen der Provinzial- bzw. Bezirksverbände,<br />

Betreff: Arbeitsgemeinschaft für Blindenfürsorge <strong>und</strong> Blindenbildung vom 4.10.1943.<br />

367 Hansen, Wohlfahrtspolitik, S. 180.<br />

368 Vgl. GBlÖ, Nr. 136/38, Gesetz über die Überleitung <strong>und</strong> Eingliederung von Vereinen, Organisationen <strong>und</strong><br />

Verbänden vom 17. Mai 1938.<br />

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