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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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6.3 Deportationen in die <strong>Vernichtung</strong>slager aus Wien<br />

„Es ist unleugbar, dass die Umsiedlung […] den Blinden<br />

um ein Vielfaches schwerer trifft. Der Blinde,<br />

aus seiner im [sic!] bekannten Umgebung herausgenommen<br />

<strong>und</strong> in eine ihm unbekannte verpflanzt,<br />

ist […] ein verlorener Mensch.“ 2544<br />

Bereits im Oktober 1938, im Rahmen der Vertreibung von Personen jüdischer Herkunft<br />

mit polnischen Pässen, darunter auch Menschen, die aus den Alters- <strong>und</strong> Blindenheimen<br />

stammten, dürften – nach Angaben von Herbert Rosenkranz – die ersten blinden Personen<br />

jüdischer Herkunft in Zugwaggons aus Wien deportiert worden sein. 2545 Die Deportationen<br />

aus Wien setzten früher ein als im übrigen Reichsgebiet. Im Oktober 1939 organisierte die<br />

SS den Transport von Männern jüdischer Herkunft im arbeitsfähigen Alter nach Nisko am<br />

San (Polen) 2546 . Der Massentransport in die <strong>Vernichtung</strong>slager Osteuropas begann 1941. 2547<br />

Anfang 1941 waren in Wien wieder Transporte ins „Generalgouvernement“, den nach<br />

dem Überfall auf Polen 1939 durch deutsche Truppen besetzten Gebieten in Osteuropa, 2548<br />

aufgenommen worden. Die zur „Umsiedlung“ bestimmten Personen waren zum Großteil<br />

über 60 Jahre alt. Unter ihnen befanden sich unter anderem Menschen mit Beeinträchtigungen<br />

<strong>und</strong> Kriegsgeschädigte. 2549 Die Betroffenen wurden zunächst in einem<br />

„Sammellager“ zusammengefasst. Eines war in einem ehemaligen Schulgebäude in der<br />

Castellezgasse 35 untergebracht. 2550 Dort befanden sich nach Aussagen von Leo Demm im<br />

Februar 1941 zwei blinde Menschen, drei waren bereits deportiert worden. 2551 In einem<br />

emotionalen Appell, der an Josef Löwenherz gerichtet worden sein dürfte, 2552 bat er, wie<br />

bereits erwähnt, 2553 diesen um Hilfe, um weitere Deportationen von blinden Menschen<br />

zu verhindern. 2554<br />

Tatsächlich dürfte es sich bei den im Februar 1941 deportierten blinden Menschen<br />

jüdischer Herkunft zunächst nur um Einzelfälle gehandelt haben. Mitte Oktober 1941<br />

kam es zu einer Vereinbarung der IKG mit der „Zentrale für die jüdische Auswanderung“,<br />

nach der sechs verschiedene Gruppen von Menschen jüdischer Herkunft zunächst von den<br />

2544 CAHJP, A/W 273, HMB 2502, Nr. 617, Selbsthilfegruppe der jüdischen Blinden an Herrn Doktor vom<br />

25.2.1941, Betreff: Umsiedlung der Juden.<br />

2545 Vgl. Rosenkranz, Verfolgung <strong>und</strong> Selbstbehauptung, S. 158.<br />

2546 Teil des späteren „Generalgouvernement“.<br />

2547 Zu den Deportationen vgl. auch folgende Überblicksdarstellungen: Fre<strong>und</strong>, Safrian, Verfolgung der österreichischen<br />

Juden, S. 767–794; Fre<strong>und</strong>, Safrian, Vertreibung <strong>und</strong> Ermordung.<br />

2548 Vgl. Schmitz-Berning, Vokabular, S. 265–266.<br />

2549 Vgl. Rosenkranz, Verfolgung <strong>und</strong> Selbstbehauptung, S. 260.<br />

2550 Die anderen „Sammellager“ waren in der Sperlgasse 2a, in einem Gebäude in der Malzgasse 7 <strong>und</strong> in der<br />

Miesbachgasse 8 in Wien untergebracht. Vgl. Fre<strong>und</strong>, Safrian, Vertreibung <strong>und</strong> Ermordung, S. 15.<br />

2551 Vgl. Kapitel 5.2.1 [Angabe zum Ehepaar Drab in den Fußnoten].<br />

2552 In dem Originaldokument ist der Empfänger nicht namentlich verzeichnet, aber es wird angenommen,<br />

dass es sich um Josef Löwenherz gehandelt hat. Vgl. Duizend-Jensen, Jüdische Gemeinden, S. 78; Exenberger,<br />

Jüdische Blinde in Wien.<br />

2553 Vgl. Kapitel IV.5.2.1.<br />

2554 Vgl. CAHJP, A/W 273, HMB 2502, Nr. 617, Selbsthilfegruppe der jüdischen Blinden an Herrn Doktor vom<br />

25.2.1941, Betreff: Umsiedlung der Juden.<br />

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