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Barbara Hoffmann Zwischen Integration, Kooperation und Vernichtung

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5. Die berufliche Situation Kriegsblinder<br />

5.1 Einführung<br />

Wie im vorhergehenden Kapitel über die Rehabilitation erblindeter Soldaten festgestellt,<br />

wurden die meisten zu Handwerkern ausgebildet. 1827 Das Blindenhandwerk galt allerdings<br />

als unrentabel, da die hergestellten Produkte in industrieller Fertigung wesentlich kostengünstiger<br />

erzeugt werden konnten. 1828 Dementsprechend versuchte das NS-Regime insbesondere<br />

für die Kriegsblinden neue Berufsmöglichkeiten zu schaffen. Dabei gingen die<br />

Bemühungen weit über diejenigen für die Zivilblinden hinaus. Nicht nur Stenotypist oder<br />

Telefonist galten für Kriegsblinde als Berufe der Zukunft, in diesen Berufszweigen wurde<br />

ihnen sogar eine Beamtenlaufbahn in Aussicht gestellt. Viele Kriegsblinde arbeiteten beispielsweise<br />

bei der „Deutschen Reichspost“. 1943 waren von den 97 dort beschäftigen blinden<br />

Menschen 79 im Ersten <strong>und</strong> 14 im Zweiten Weltkrieg erblindet. Nur vier Zivilblinde waren<br />

bei der „Deutschen Reichspost“ beschäftigt. 1829<br />

Auch die Wehrmacht sollte möglichst viele Kriegsblinde beschäftigen, etwa im<br />

Nachrichtenwesen oder bei entsprechenden sprachlichen Kenntnissen als Dolmetscher<br />

oder als Masseure 1830 in den Reservelazaretten. 1831 Der Kriegsblinde Oskar C. erhielt<br />

beispielsweise 1942 eine Ausbildung zum Heilmasseur in Wien <strong>und</strong> arbeitete dann in<br />

einem Fachlazarett für Rheumakranke in Baden. 1832 Kriegsblinden sollte außerdem die<br />

Absolvierung eines neuen Studienganges der R<strong>und</strong>funkwissenschaften ermöglicht werden.<br />

1833 Die zuständigen Stellen im Kriegsblindenwesen glaubten auch, Kriegsblinde<br />

im Pressewesen als Schriftleiter oder Lektor einsetzen zu können, wenn sie durch ein<br />

Studium auf diese Tätigkeiten entsprechend vorbereitet würden. 1834 Dass Kriegsblinde<br />

tatsächlich in diesem Berufsfeld tätig waren, kann allerdings nicht belegt werden. Nach<br />

der Einschätzung von Pielasch <strong>und</strong> Jaedicke zeigten die Kriegsblinden auf Gr<strong>und</strong> ihrer<br />

besseren Arbeitsmöglichkeiten im Vergleich zu den Zivilblinden das „Bild einer fortgeschrittenen<br />

sozialen <strong>Integration</strong>“. 1835<br />

Die Einbindung von Kriegsblinden in das Berufsleben verlief allerdings nicht ohne<br />

Schwierigkeiten. Auf diese Probleme geht Kapitel III.5.4 ein. Eine besondere Herausforderung<br />

an das NS-Kriegsblindenwesen war es, Berufe zu finden, die auch von den zahlreichen<br />

Kriegsblinden mit mehrfachen Beeinträchtigungen ausgeübt werden konnten.<br />

1827 Über die berufliche <strong>Integration</strong> ziviler Kriegsblinder kann auf Gr<strong>und</strong> der Quellenlage keine Aussage gemacht<br />

werden, weshalb sich dieses Kapitel hauptsächlich auf die berufliche <strong>Integration</strong> der ehemaligen<br />

Soldaten bezieht. Vgl. Kapitel III.4.2.4, III.9.<br />

1828 Vgl. Kapitel II.6.1, II.6.2.<br />

1829 Vgl. Webers, Beschäftigung von Kriegsblinden, S. 90–92, hier S. 90–91.<br />

1830 Vgl. Baer, Der kriegsblinde Masseur, S. 103–105.<br />

1831 Vgl. Schwendy, Versorgung <strong>und</strong> Fürsorge, S. 105–108; Christmann, Der Blinde im Dienst, S. 102–103.<br />

1832 Vgl. ÖStA, AdR, Gruppe Landesverteidigung, HVA, Ostmark-Kriegsblinde, Kt. 1, Akten betreffend Soziale<br />

Fürsorge Oskar C.<br />

1833 Vgl. Kapitel II.6.6.<br />

1834 Vgl. BAB, DGT, R 36/1762, Arbeitsgemeinschaft für Blindenfürsorge <strong>und</strong> Blindenbildung, Hauptfürsorgestelle<br />

für Kriegsbeschädigte <strong>und</strong> Kriegshinterbliebene, Niederschrift über die Tagung am 10. <strong>und</strong> 11. 11.<br />

1942, Betreff: erblindete Soldaten, S. 4.<br />

1835 Pielasch, Jaedicke, Geschichte des Blindenwesens, S. 163.<br />

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