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BuB | Lesesaal Schwerpunkt 176 Schule und Bibliothek Unterstützung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben als Erziehungseinrichtungen von jungen Menschen auf deren Weg in die Gesellschaft. Da sie als Schulen selber dazu angehalten werden, Verantwortung für ihre Erfolge und Misserfolge zu übernehmen, fordern sie auch zunehmend klare Aussagen dazu, was Kooperationen für ihre Ergebnisse beitragen können. Governance Die Situation in Schulen wird zunehmend komplexer. Konnten sich Öffentliche Bibliotheken lange darauf konzentrieren, den Unterricht zu unterstützen, wird den Schulen heute eine Verantwortung für weit breitere Bereiche zugeschrieben. Durch die zunehmende Einrichtung von Ganztagsschulen, deren außerunterrichtlicher Bereich auch von immer mehr nicht-pädagogischem Personal getragen wird, und zudem die bildungspolitische und zivilgesellschaftliche Forderung, immer mehr Gruppen in die Schule einzubeziehen, nehmen immer mehr Personen an den Entscheidungsprozessen über die Arbeit in Schulen und die Zusammenarbeit von Schulen mit anderen Einrichtungen – zum Beispiel Bibliotheken – teil. Die Forschungsrichtung der Erziehungswissenschaften, die sich vorrangig mit der Neuen Steuerung und der Zunahme von beteiligten Gruppen befasst, ist die relativ junge Governance-Forschung. 2 Diese versucht herauszuarbeiten, in welchen Prozessen von welchen beteiligten Gruppen welche Entscheidungen getroffen werden, die dann Bildungseinrichtungen und Bildungsprozesse formen. Bei allen unterschiedlichen Ansätzen und Fragestellungen, weist die Governance- Forschung beständig nach, dass alle Akteure in diesen Entscheidungsprozessen akteurslogisch, also aus ihrer Perspektive und mit ihren Theorien zu Lern- und Bildungsprozessen, handeln. Das ist wenig überraschend, aber doch bedeutend: Je mehr Akteure an der Ausgestaltung eines Bildungssettings teilhaben, umso mehr ist In der Berliner Uhlenhorst Grundschule erfolgte eine Einbindung der Schulbibliothek in das Schulprofil. dieses Bildungssetting ein Kompromiss und die Ausgestaltung desgleichen von den lokalen Anforderungen geprägt. Das bedeutet auch, dass die beteiligten Einrichtungen und Personen gerade nicht ihre Vorstellungen vollständig durchsetzen können. Schulbibliotheken in Berlin Als Beispiel dafür, was dies für Bibliotheken heißen kann, sollen kurz die Schulbibliotheken in Berlin herangezogen werden. Hierzu liegt vom Autor dieses Textes eine, wenn auch eingeschränkte, Datensammlung vor. 3 Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Zahl der Schulen mit Schulbibliothek in Berlin von 2008 bis 2010 von 17,4 Prozent der Schulen auf 29,4 Prozent zugenommen hat. Gleichwohl gab es nur wenig spezifi sche Arbeit von Öffentlichen Bibliotheken in Berlin für diese Schulbibliotheken. Vielmehr sind diese Einrichtungen fast alle das Ergebnis von Aushandlungsprozessen in Schulen zwischen den Lehrkörpern, engagierten Eltern und anderen Ehrenamtlichen, Schulvereinen, den Schülerinnen und Schülern und – sehr selten – Öffentlichen Bibliotheken. Das Ergebnis sind gerade nicht Schulbibliotheken, die sich ähneln oder sich gar an den Vorstellungen von Öffentlichen Bibliotheken orientieren, sondern Einrichtungen, die sich auf die lokalen Anforderungen einlassen. Und interessanterweise sind diese Schulbibliotheken in Schulen soweit akzeptiert, dass sie beständig neu gegründet werden. Nach Auswertung der Daten, kann man zeigen, dass sich für Berlin mindestens fünf unterschiedliche Modelle differenzieren lassen: Schulbibliotheken als (a) Orte des guten Unterrichts, (b) Lese-Lern-Räume, (c) offene Lernräume, (d) schulfreie Räume in Schulen und (e) kleine Stadtteilbibliotheken. Einzig die wenigen Einrichtungen, die dem Modell (e) folgen, beziehen sich da- Öffentliche Bibliotheken können Schulen unterstützen, wenn sie akzeptieren, dass sie Teil eines wachsenden Netzwerks von Einrichtungen sind, die in Schulen mitarbeiten. bei auf bibliothekarische Vorstellungen, kaum eine der Schulbibliotheken arbeitet erkennbar mit Öffentlichen Bibliotheken zusammen. Aber es geht hier nicht darum, diese Differenzierung weiter zu besprechen, wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass die Interaktion von unterschiedlichen Gruppen zu sehr unterschiedlichen 2 Vgl. Herbert Altrichter, Thomas Brüsemeister, Jochen Wissinger [Hrsg.]: Educational Governance. Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem. Wiesbaden: VS, 2007 (Educational Governance; 1) 3 Die gesamten Daten und deren Interpretation fi nden sich in: Karsten Schuldt / Schulbibliotheken in Berlin 2008–2010. Übersicht zu den grundsätzlichen Entwicklungen und der Anzahl der Schulbibliotheken in Berlin. Berlin: Humboldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät I, Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, 2010 (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft; 274) www.B–u–B.de BuB | 63 (2011) 3
Schwerpunkt Schule und Bibliothek Lesesaal | BuB 177 Dr. Karsten Schuldt ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Interdisziplinären Zentrum für Bildungsforschung der Humboldt-Universität zu Berlin und Redakteur der Zeitschrift »LIBREAS – library ideas«. Promotion zu Bildungseffekten Öffentlicher Bibliotheken, Arbeiten unter anderem zu Schulbibliotheken. Aktuelles Forschungsinteresse: Armut und Öffentliche Bibliotheken. – Kontakt: Karsten. Schuldt@gmx.net Einrichtungen führt, die allesamt bibliotheks-ähnlich sind, wenn sie auch nicht alle als bibliothekarische Räume begriffen werden. Herausforderungen Schulen stehen, das sollte klar geworden sein, unter dem Druck, sich zu profi lieren und autonom Verantwortung für die Gestaltung von Lernprozessen zu übernehmen. Öffentliche Bibliotheken können Schulen dabei unterstützen, wenn sie akzeptieren, dass sie Teil eines wachsenden Netzwerks von Einrichtungen sind, die in Schulen mitarbeiten. Hinter diese Situation kommt man nicht mehr zurück – eine exklusive Beziehung von Schulen und Öffentlichen Bibliotheken wird es nicht BuB | 63 (2011) 3 mehr geben, auch nicht bei Themen, die von Bibliotheken als Kernbereiche angesehen werden, wie die Literaturvermittlung oder die Informationskompetenz. Dies ist ein Ergebnis der fortschreitenden Differenzierung der Gesellschaft und der zunehmend geforderten Eigenverantwortung von Schulen. Drei Leitlinien lassen sich für eine solche Arbeit benennen: � Ziel sollte es immer sein, die Schülerinnen und Schüler direkt oder indirekt – über eine Verbesserung des Unterrichts Ziel sollte es immer sein, die Schülerinnen und Schüler direkt oder indirekt beim Lernen und Ausprägen der eigenen Identität zu unterstützen. und der Lernumgebung Schule – beim Lernen und Ausprägen der eigenen Identität zu unterstützen. � Wichtig ist den Schulen der lokale Rahmen. Sie müssen eigenständig Lernprozesse planen und durchführen sowie aktiv ein Profi l entwickeln. Kooperationen sind deshalb auch immer weniger standardisierbar: Die Anforderungen und Ziele in den einzelnen Schulen sind schon sehr ausdifferenziert und sollten sich weiter ausdifferenzieren. � Schulen und kleinteilige einzelne Klassen wollen nicht alles nutzen, was Bibliotheken an Unterstützung anbieten können. Es geht darum, einerseits klar zu machen, welchen Sinn ein bibliothekarisches Angebot hat. Andererseits geht es immer um eine Kompromisslösung: Nicht alles, was die eine Seite als sinnvoll ansieht, muss von der anderen als sinnvoll verstanden werden. Dabei sind Bibliotheken bei der Zusammenarbeit mit Schulen vor allem unterstützende Einrichtungen. � Schwerpunkt Themenschwerpunkte in BuB Heft 11-12/2010: Kulturelle Bildung Heft 1/2011: Barrierefreiheit in Bibliotheken Heft 2/2011: Konzepte für Zweigstellen Heft 3/2011: Schule und Bibliothek Heft 4/2011: Bibliotheksethik Heft 5/2011: 100. Bibliothekartag in Berlin www.B–u–B.de
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