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224 224 BuB | Magazin Lesesaal<br />
»… <strong>de</strong>n Samen <strong>de</strong>r<br />
Humanität und<br />
Menschenverbrü<strong>de</strong>rung<br />
zu streuen«<br />
Untersuchung zu Arbeiterbildungsvereinen<br />
und ihren Bibliotheken<br />
– ein wenig bekanntes<br />
Kapitel <strong>de</strong>r Bibliotheksgeschichte<br />
Brünle, Elke: Bibliotheken von Arbeiterbildungsvereinen<br />
im Königreich Württemberg<br />
1848–1918. Wiesba<strong>de</strong>n: Harrassowitz,<br />
2010 (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft;<br />
20). 753 Seiten: Übersichten,<br />
Karten, Abbildungen, Tabellen und Diagramme.<br />
– gebun<strong>de</strong>n 86,– Euro<br />
Privatanschrift <strong>de</strong>s Rezensenten: Prof. Dr. Peter<br />
Vodosek, Seestraße 89, 70174 Stuttgart;<br />
vodosek@hdm-stuttgart.<strong>de</strong><br />
Die Geschichte <strong>de</strong>r Arbeiterbibliotheken,<br />
um diesen verallgemeinern<strong>de</strong>n<br />
Terminus zu gebrauchen,<br />
war innerhalb <strong>de</strong>r zünftigen<br />
Bibliothekshistoriografi e lange Zeit eine<br />
Quantité négligeable. Aus nahe liegen<strong>de</strong>n<br />
Grün<strong>de</strong>n nahm man sich nach 1945 zuerst<br />
in <strong>de</strong>r DDR <strong>de</strong>s Themas an, sah man doch<br />
eine Traditionslinie zu <strong>de</strong>n Staatlichen<br />
Allgemeinbibliotheken im ersten <strong>de</strong>utschen<br />
Arbeiter- und Bauernstaat.<br />
Hier leisteten insbeson<strong>de</strong>re Othmar<br />
Feyl und Horst Gebauer mit mehreren<br />
Veröffentlichungen ab 1956 Pionierarbeit.<br />
Bedauerlicherweise stießen sie nach<br />
einiger Zeit auf politische Grenzen. In <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>srepublik lieferte wohl als Erster<br />
Johannes Langfeldt 1973 im Rahmen <strong>de</strong>s<br />
»Handbuchs <strong>de</strong>s Büchereiwesens« einen<br />
substanziellen Beitrag. 1<br />
Intensive Forschung<br />
Wenn man von Arbeiterbibliotheken<br />
spricht, muss man wissen, dass sie gewissermaßen<br />
eine Teilmenge <strong>de</strong>s komplexen<br />
Themenfel<strong>de</strong>s »Arbeiterbildung« sind.<br />
Ihre Träger waren (auch kirchliche und<br />
bürgerliche) Arbeiterbildungsvereine, die<br />
Arbeiterparteien (vornehmlich die SPD<br />
und ihre Vorläufer) sowie die freien Gewerkschaften.<br />
Während sich die Geschichtsschreibung<br />
<strong>de</strong>r DDR aus i<strong>de</strong>ologischen Grün<strong>de</strong>n<br />
vor allem auf die einschlägigen Aktivitäten<br />
<strong>de</strong>r sozial<strong>de</strong>mokratisch orientierten<br />
Organisationen richtete, befasste man<br />
sich in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik mit <strong>de</strong>m Gesamtphänomen.<br />
Allerdings sah man sich<br />
hier mit <strong>de</strong>m Problem konfrontiert, dass<br />
sich »die Quellenlage zu <strong>de</strong>n Arbeiterbildungsvereinen<br />
und insbeson<strong>de</strong>re zu ihren<br />
Bibliotheken« als mehr als dürftig erwies.<br />
Dass Elke Brünle nach 15 Jahren intensiver<br />
Archivforschung trotz dieser Ausgangssituation<br />
eine breit angelegte Studie<br />
von 750 Seiten für das Königreich Württemberg<br />
vorlegen kann, war zwei Glücksfällen<br />
zu verdanken. Zum einen stand ihr<br />
das 1990 erschienene sachthematische Inventar<br />
»Quellen zur Geschichte <strong>de</strong>r Volksbibliotheken<br />
in Württemberg und Hohenzollern<br />
1806–1918« zur Verfügung. 2 Zum<br />
an<strong>de</strong>ren weckte ein Zufallsfund, die Autorin<br />
spricht von einem »Dachbo<strong>de</strong>nfund«,<br />
im Jahre 1994, ein Bibliotheksfragment<br />
<strong>de</strong>s Arbeiterbildungsvereins Rottweil, ihr<br />
Interesse.<br />
Alles »an<strong>de</strong>re« war dann die Arbeit von<br />
mehreren Jahren, wie man leicht ermessen<br />
kann, wenn man das Quellenverzeichnis<br />
mit drei staatlichen, 14 kommunalen und<br />
auch privaten Archiven sowie etlichen<br />
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Fachliteratur<br />
Bibliotheken durchgeht. Gewissermaßen<br />
als Fingerübung begann sie zunächst mit<br />
einer Magisterarbeit, die sie anschließend<br />
zu einer Dissertation ausbaute, die 2009<br />
von <strong>de</strong>r Johannes Gutenberg-Universität<br />
zu Mainz angenommen wur<strong>de</strong>. Für die<br />
nun vorgelegte Druckfassung wur<strong>de</strong>n<br />
kleinere Ergänzungen und ein nachträglich<br />
aufgetauchtes Bibliotheksfragment<br />
aus Rottweiler Privatbesitz eingearbeitet.<br />
Folgen <strong>de</strong>r Revolution von 1848<br />
Was ist nun aus dieser in je<strong>de</strong>r Hinsicht<br />
außergewöhnlichen Arbeit – das Thema<br />
an sich, Breite und Tiefe sowie Umfang<br />
– zu erfahren? Nach einem ausführlichen<br />
Forschungsbericht beginnt Brünle mit einer<br />
terminologischen und theoretischen<br />
Annäherung an die Begriffe Arbeiter, Arbeiterbildung<br />
und Arbeiterbildungsvereine.<br />
3<br />
Für die nachfolgen<strong>de</strong>n Kapitel nimmt<br />
sie eine chronologische Zweiteilung vor.<br />
»Die württembergischen Arbeiterbildungsvereine<br />
und ihre Bildungsbemühungen«<br />
und »Die Bibliotheken und die<br />
Lektürepraxis in württembergischen Arbeiterbildungsvereinen«<br />
wer<strong>de</strong>n für die<br />
Jahre 1848 bis 1852 (Kapitel 3 und 4) und<br />
1862 bis 1918 (Kapitel 5 und 6) getrennt<br />
behan<strong>de</strong>lt.<br />
Warum diese Zäsur? Die Erklärung<br />
liegt auf <strong>de</strong>r Hand: Die erste Konstituierungsphase<br />
wird durch die auf die Revolution<br />
von 1848 folgen<strong>de</strong> Reaktionszeit<br />
unterbrochen. Dadurch unterschei<strong>de</strong>t sich<br />
für diese bei<strong>de</strong>n Zeitabschnitte auch die<br />
Quellenlage.<br />
In <strong>de</strong>n Kapiteln 3 und 5 wer<strong>de</strong>n in einer<br />
Reihe von Unterabschnitten die übergrei-<br />
Wenn man von Arbeiterbibliotheken<br />
spricht, muss man wissen,<br />
dass sie gewissermaßen eine Teilmenge<br />
<strong>de</strong>s komplexen Themenfel<strong>de</strong>s<br />
Arbeiterbildung sind.<br />
fen<strong>de</strong>n Themen wie Bildungsinitiativen,<br />
Bildungsziele und praktische Bildungsarbeit<br />
untersucht. In <strong>de</strong>n Kapiteln 4 und<br />
6 schließt sich die Darstellung einzelner<br />
Ortsvereine an. Kapitel 4 erfasst die Städte<br />
Stuttgart und Ulm sowie, nach <strong>de</strong>r damaligen<br />
Kreiseinteilung geordnet, zehn weitere<br />
Kommunen. Kapitel 6 weist Bibliotheken<br />
in 31 Gemein<strong>de</strong>n nach.<br />
Die Beschreibungen und Analysen sind<br />
wie<strong>de</strong>rum, <strong>de</strong>r Quellensituation entsprechend,<br />
unterschiedlich ausführlich. Im<br />
günstigsten Fall wie etwa bei Stuttgart,<br />
BuB | 63 (2011) 3