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Fachliteratur<br />
Ulm o<strong>de</strong>r auch Reutlingen wer<strong>de</strong>n auf 50<br />
bis etwa 90 Seiten Fragen wie Finanzierung,<br />
Benutzungsmodalitäten, Bestand,<br />
Rezeption und so weiter beantwortet. Dieser<br />
topografi sche Teil wird dann jeweils in<br />
einem eigenen Abschnitt über die speziellen<br />
Merkmale <strong>de</strong>r Bibliotheken und die<br />
Lektürepraxis zusammengefasst.<br />
Sieben Thesen zu<br />
<strong>de</strong>n Arbeiterbibliotheken<br />
Die Autorin hat noch vor <strong>de</strong>r Drucklegung<br />
ihrer Arbeit sieben Thesen zur Diskussion<br />
gestellt, die als eine Quintessenz<br />
<strong>de</strong>r von ihr gewonnenen Erkenntnisse gelten<br />
können. Sie seien nachstehend zitiert.<br />
Vielleicht regen sie <strong>de</strong>n einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Leser zu Wi<strong>de</strong>rspruch o<strong>de</strong>r zu Ergänzungen<br />
an.<br />
1. Die zwischen 1848 und 1918 von <strong>de</strong>n<br />
Arbeiterbildungsvereinen eingerichteten<br />
Bibliotheken entwickelten trotz äußerst<br />
schlechter Grundbedingungen und Erfolgsaussichten<br />
eine dauerhafte Wirksamkeit,<br />
was sie zu einem originären und permanenten<br />
Vereinselement wer<strong>de</strong>n ließ.<br />
2. Obgleich nicht mehr fl ächen<strong>de</strong>ckend<br />
in Verbandsstrukturen eingebun<strong>de</strong>n, gaben<br />
die nicht-sozial<strong>de</strong>mokratischen und<br />
schon bald unpolitischen Arbeiterbildungsvereine<br />
ihren Bibliotheken zwischen<br />
1868/70 und 1918 weiterhin eine inhaltlich<br />
nahezu i<strong>de</strong>ntische, vor allem an <strong>de</strong>r<br />
zeitgenössischen Mo<strong>de</strong>lektüre <strong>de</strong>s Bürgertums<br />
ausgerichtete Prägung.<br />
3. Die Bibliotheken <strong>de</strong>r Arbeiterbildungsvereine,<br />
<strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie und <strong>de</strong>r Gewerkschaften<br />
unterschie<strong>de</strong>n sich zwischen<br />
1890 und 1918 trotz sehr differenter Bestandsprofi<br />
le in ihrer Nutzung und somit<br />
auch in ihrer bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Wirkung nur wenig.<br />
1 Johannes Langfeldt: Zur Geschichte <strong>de</strong>s Büchereiwesens.<br />
In: Johannes Langfeldt [Hrsg.]:<br />
Handbuch <strong>de</strong>s Büchereiwesens. Wiesba<strong>de</strong>n:<br />
Harrassowitz. Halbband 1 (1973), hier S.<br />
367–386<br />
2 Ulrich Hohoff: Quellen zur Geschichte <strong>de</strong>r<br />
Volksbibliotheken in Württemberg und Hohenzollern<br />
1806–1918. Ein sachthematisches<br />
Inventar. Mit einem Beitrag von Peter Vodosek.<br />
Hrsg. von <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sarchivdirektion Ba<strong>de</strong>n-<br />
Württemberg. Stuttgart: Kohlhammer,<br />
1990 (Veröffentlichungen <strong>de</strong>r Staatlichen<br />
Archivverwaltung Ba<strong>de</strong>n-Württemberg; 40).<br />
– Das Inventar war das Ergebnis eines DFG-<br />
Projektes, das 1987/88 von <strong>de</strong>r Fachhoch-<br />
schule für Bibliothekswesen Stuttgart wissenschaftlich<br />
betreut wur<strong>de</strong>.<br />
3 Von <strong>de</strong>r Studie ausgeschlossen bleiben die<br />
Arbeiterbildungsvereine in konfessioneller<br />
Trägerschaft.<br />
BuB | 63 (2011) 3<br />
4. Obgleich <strong>de</strong>r Mangel an bedarfsgerechten<br />
Volksbibliotheken für alle Arbeiterbildungsvereine<br />
bei <strong>de</strong>r Gründung von<br />
Bibliotheken handlungsleitend war, ließ<br />
Nicht zuletzt war es Ziel <strong>de</strong>r<br />
Studie, zu ähnlichen Untersuchungen<br />
in weiteren <strong>de</strong>utschen Regionen und<br />
Län<strong>de</strong>rn anzuregen. Es wäre aber zu<br />
prüfen, ob eine auf Stichproben<br />
basieren<strong>de</strong> Arbeit nicht auch zielführend<br />
sein könnte.<br />
die Einrichtung einer örtlichen, kommunalen<br />
Volksbibliothek im späten 19. o<strong>de</strong>r<br />
frühen 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt zunächst keinen<br />
<strong>de</strong>r noch bestehen<strong>de</strong>n Arbeiterbildungsvereine<br />
von seiner eigenen Bibliotheksarbeit<br />
abrücken.<br />
5. Die zahlreichen, auf Selbsthilfe- o<strong>de</strong>r<br />
Unterstützungsmaßnahmen beruhen<strong>de</strong>n<br />
und oft sehr mangelhaften Vereinsbibliotheken<br />
erwiesen sich vor allem in<br />
Klein- und Mittelstädten nicht selten als<br />
kontraproduktiv für die Einrichtung einer<br />
öffentlichen Bibliothek unter kommunaler<br />
Trägerschaft.<br />
6. Die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Arbeiterbildungsvereine<br />
besaßen 1870 allesamt eine für<br />
die Periodika- und Kleinschriftenlektüre<br />
hinreichen<strong>de</strong> Lesefähigkeit. Nicht wenige<br />
von ihnen verfügten sogar über einen fortgeschrittenen<br />
Alphabetisierungsgrad, <strong>de</strong>r<br />
es ihnen ermöglichte, auch umfangreiche<br />
und inhaltlich komplexe Texte (etwa in<br />
Sach- und Lehrbüchern) zu erfassen.<br />
7. Die längst überkommenen Bibliotheken<br />
<strong>de</strong>r Arbeiterbildungsvereine bergen in<br />
ihrer frühen, bis 1870 typischen Ausprägung<br />
und Nutzung wertvolle Impulse und<br />
Erfahrungsmomente für die gegenwärtige<br />
Bibliotheksarbeit.<br />
Was (noch) fehlt<br />
Am Schluss ihres Buches formuliert Brünle<br />
eine Reihe von Forschungs<strong>de</strong>si<strong>de</strong>raten.<br />
Dazu zählt sie eine eingehen<strong>de</strong> Auswertung<br />
örtlich überlieferter Ratsprotokolle,<br />
eine systematische Auswertung <strong>de</strong>r Tagespresse<br />
und <strong>de</strong>r Amtsblätter und nicht<br />
zuletzt einen genaueren Blick auf das Verhältnis<br />
<strong>de</strong>r Bibliotheken <strong>de</strong>r Arbeiterbildungsvereine<br />
zu <strong>de</strong>r am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
einsetzen<strong>de</strong>n Gründung kommunaler<br />
Volksbibliotheken. Aufgrund <strong>de</strong>s<br />
vorhan<strong>de</strong>nen Archivmaterials ließe sich<br />
auch die allmählich einsetzen<strong>de</strong> staatliche<br />
Bibliotheksför<strong>de</strong>rung erhellen.<br />
Nicht zuletzt war es Ziel <strong>de</strong>r Studie, zu<br />
ähnlichen Untersuchungen in weiteren<br />
Magazin Lesesaal | BuB225 BuB 225<br />
<strong>de</strong>utschen Regionen und Län<strong>de</strong>rn anzuregen.<br />
Erst am En<strong>de</strong> einer solchen fl ächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n<br />
Erfassung könnten dann<br />
zutreffen<strong>de</strong> Aussagen über Wirkung und<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Bibliotheken <strong>de</strong>r Arbeiterbildungsvereine<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n. Allerdings<br />
erscheint eine solche Prämisse <strong>de</strong>m<br />
Rezensenten unrealistisch, da <strong>de</strong>r Aufwand<br />
dafür nicht geleistet wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Vielmehr wäre zu prüfen, ob eine auf<br />
Stichproben basieren<strong>de</strong> Arbeit nicht auch<br />
zielführend sein könnte.<br />
Der Vollständigkeit halber sind noch<br />
das Quellen- und Literaturverzeichnis von<br />
36 Seiten sowie die 160 [!] Seiten Anlagen<br />
mit Karten, Übersichten, Titellisten und<br />
Diagrammen zu erwähnen.<br />
Wichtige Informationsquelle<br />
Es ist legitim, wenn sich diejenigen, die<br />
das voluminöse Werk zur Hand nehmen,<br />
fragen Cui bono?. Zugegebenermaßen<br />
kann eine solche im doppelten Wortsinn<br />
gewichtige Kost keine Unterhaltungslektüre<br />
sein, obgleich die Verfasserin in<br />
Auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Bibliotheksgeschichte<br />
gibt es keine vergleichbar<br />
umfassen<strong>de</strong>, grundlegen<strong>de</strong> Untersuchung<br />
gibt. Sie hat Mo<strong>de</strong>llcharakter<br />
für nachfolgen<strong>de</strong> Analysen.<br />
<strong>de</strong>n darstellen<strong>de</strong>n Passagen eine ausgesprochen<br />
lesbare Prosa schreibt. Wer am<br />
Thema allgemein interessiert ist, fi n<strong>de</strong>t<br />
in <strong>de</strong>n zusammenfassen<strong>de</strong>n Abschnitten<br />
viel Lesenswertes, nicht nur zur Bibliotheks-,<br />
son<strong>de</strong>rn auch zur politischen, zur<br />
Sozialgeschichte sowie zur Geschichte <strong>de</strong>s<br />
Lesens.<br />
Im Übrigen ist es eine wichtige Informationsquelle,<br />
zum Teil mit Nachschlagecharakter<br />
für weitere Forschungen. Sie hat<br />
Mo<strong>de</strong>llcharakter für nachfolgen<strong>de</strong> Analysen.<br />
Es darf noch hinzugefügt wer<strong>de</strong>n,<br />
dass es auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Bibliotheksgeschichte<br />
keine vergleichbar umfassen<strong>de</strong>,<br />
grundlegen<strong>de</strong> Untersuchung gibt.<br />
Peter Vodosek<br />
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