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198 198 BuB | Lesesaal<br />
Heike Stadler, geboren<br />
1981; absolvierte<br />
an <strong>de</strong>r Fachhochschule<br />
Potsdam berufsbegleitend<br />
die<br />
Fernweiterbildung<br />
Bibliothekswissenschaft<br />
und schloss<br />
im Herbst 2010 mit<br />
<strong>de</strong>m Diplom ab, Diplomarbeit zum Thema<br />
»Öffentliche Bibliotheken im Bürgerhaushalt«;<br />
seit 2004 an <strong>de</strong>r Universitätsbibliothek<br />
Potsdam tätig. – Kontakt:<br />
heike_stadler@yahoo.<strong>de</strong><br />
halt auf die Informationseinrichtung kann<br />
von zwei Zustän<strong>de</strong>n ausgegangen wer<strong>de</strong>n:<br />
� Der Bürgerhaushalt hat keine Auswirkungen<br />
auf bibliothekarische Dienstleistungen.<br />
� Der Bürgerhaushalt hat Auswirkungen<br />
auf bibliothekarische Dienstleistungen.<br />
Diese können positiv, neutral o<strong>de</strong>r negativ<br />
von <strong>de</strong>n jeweiligen Akteuren (Verwaltung,<br />
Bürgerschaft, Bibliothek) bewertet<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>r Diplomarbeit wur<strong>de</strong><br />
unter an<strong>de</strong>rem eine Umfrage durchgeführt,<br />
welche untersuchen sollte, ob und<br />
Der Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg<br />
hat sich bis dato vor allem auf<br />
<strong>de</strong>n Medienbestand ausgewirkt.<br />
welche Auswirkungen <strong>de</strong>r Bürgerhaushalt<br />
bereits auf Öffentliche Bibliotheken in<br />
Deutschland hatte. Die Zielgruppe war<br />
vorrangig das leiten<strong>de</strong> Bibliothekspersonal<br />
von Informationseinrichtungen jener<br />
Städte, in <strong>de</strong>nen bereits erste Erfahrungen<br />
mit <strong>de</strong>m Bürgerhaushalt hätten gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n können. An <strong>de</strong>r Befragung nahmen<br />
2010 teil: Berlin-Lichtenberg, Berlin-<br />
Friedrichshain/Kreuzberg, Ems<strong>de</strong>tten,<br />
Freiburg, Groß-Umstadt, Heilbad Heiligenstadt,<br />
Hil<strong>de</strong>n, Jena und Potsdam.<br />
Bevor auf konkrete Auswirkungen auf<br />
Dienstleistungen in Berlin-Lichtenberg<br />
näher eingegangen wird, kann das Fazit<br />
gezogen wer<strong>de</strong>n, dass das Potenzial<br />
zur Mo<strong>de</strong>rnisierung von kommunalen<br />
Dienstleistungen durch <strong>de</strong>n Bürgerhaushalt<br />
in Deutschland eher schwach ist<br />
beziehungsweise dieses für Öffentliche<br />
Bibliotheken zurzeit so gut wie gar nicht<br />
vorhan<strong>de</strong>n ist. Aus Sicht <strong>de</strong>r Bibliotheken<br />
wird die Einrichtung in je<strong>de</strong>r Stadt<br />
im Rahmen <strong>de</strong>s Partizipationsverfahrens<br />
zwar auf unterschiedliche Art und Weise<br />
thematisiert, konkrete Auswirkungen auf<br />
Dienstleistungen sind <strong>de</strong>nnoch nicht zu<br />
spüren – mit <strong>de</strong>utlicher Ausnahme von<br />
Berlin-Lichtenberg und Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg.<br />
Die Hauptstädter for<strong>de</strong>rten in ihren<br />
Vorschlägen primär die Erhöhung <strong>de</strong>s<br />
Bibliotheksetats, mehr fi nanzielle Mittel<br />
für <strong>de</strong>n Medienerwerb, gaben gar konkrete<br />
<strong>Schwerpunkt</strong>e für die Bestandserweiterung<br />
an o<strong>de</strong>r setzten sich für die<br />
Weiterführung von Projekten ein. In<br />
Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg nutzten<br />
die Bürger <strong>de</strong>n Bürgerhaushalt, um<br />
Schließungen von Bibliotheksstandorten<br />
zu verhin<strong>de</strong>rn. In bei<strong>de</strong>n Berliner Bezirken<br />
ist die Bibliothek im Bürgerhaushalt<br />
angekommen. Das Instrument wird von<br />
<strong>de</strong>r Bürgerschaft genutzt, um <strong>de</strong>utlich zu<br />
machen, dass sie durchaus die schlechte fi -<br />
nanzielle Situation ihrer Öffentlichen Bibliothek<br />
wahrnehmen, ein Legitimationsdruck<br />
ist nicht zu spüren – im Gegenteil!<br />
In Freiburg wur<strong>de</strong> die Bibliothek zum<br />
Diskussionsgegenstand, in<strong>de</strong>m sie zusammen<br />
mit <strong>de</strong>r Volkshochschule und an<strong>de</strong>ren<br />
kulturpädagogischen Einrichtungen<br />
<strong>de</strong>r Stadt als ein Ressort im Haushaltsrechner<br />
angegeben wur<strong>de</strong>. Die Freiburger<br />
Bürger bekamen im Rahmen <strong>de</strong>s Partizipationsverfahrens<br />
online die Gelegenheit,<br />
mittels <strong>de</strong>s Rechners Prioritäten zu setzen,<br />
ohne das gesamte zur Verfügung stehen<strong>de</strong><br />
Haushaltsbudget zu überschreiten. Weitere<br />
Ressorts waren unter an<strong>de</strong>ren Museen<br />
und Archive, Sport und Bä<strong>de</strong>r, Wirtschaft<br />
und Tourismus sowie Theater, Musik und<br />
Kulturpfl ege.<br />
Frauen sind spendabler<br />
Als Ergebnis kann präsentiert wer<strong>de</strong>n,<br />
dass <strong>de</strong>m Ressort Volkshochschule, Bibliothek,<br />
kulturpädagogische Einrichtungen<br />
im Durchschnitt ein Finanzierungsplus<br />
gegenüber <strong>de</strong>m realen Budget von<br />
7,4 Prozent zugesprochen wur<strong>de</strong>. Frauen<br />
sprachen <strong>de</strong>m Ressort eine Etaterhöhung<br />
von 11,2 Prozent, Männer hingegen von<br />
nur 4,5 Prozent zu. Die Auswertung wird<br />
nicht nur nach <strong>de</strong>m Geschlecht, son<strong>de</strong>rn<br />
auch nach <strong>de</strong>m Bildungsabschluss vorgenommen.<br />
So muss man sich in Freiburg<br />
die Frage stellen, warum Bürger mit einem<br />
Hauptschulabschluss beim Ressort Volkshochschule,<br />
Bibliothek, kulturpädagogische<br />
Einrichtungen Kürzungen von 14,3<br />
Prozent vornehmen möchten, während<br />
<strong>de</strong>r allgemeine Trend zu einer Etaterhöhung<br />
geht. 6<br />
In <strong>de</strong>n Kleinstädten wie Groß-Umstadt,<br />
Hil<strong>de</strong>n und Heilbad Heiligenstadt<br />
sehen die Befragten in <strong>de</strong>n zentral<br />
durchgeführten Bürgerveranstaltungen<br />
<strong>www</strong>.<strong>B–u–B</strong>.<strong>de</strong><br />
Politik<br />
eine Gelegenheit, ihre Einrichtung im<br />
Rahmen <strong>de</strong>s Beteiligungsverfahrens <strong>de</strong>r<br />
Bürgerschaft näher vorzustellen. Dass <strong>de</strong>r<br />
Fokus vorrangig auf <strong>de</strong>n Bibliotheksetat<br />
gerichtet wird, fan<strong>de</strong>n alle Umfrageteilnehmer<br />
positiv, da sich diese Möglichkeit<br />
im Alltag sonst nicht bieten wür<strong>de</strong>. Durch<br />
Indirekt hat <strong>de</strong>r Bürgervorschlag<br />
dazu beigetragen, dass eine fremdsprachige<br />
Beratung in <strong>de</strong>n Bibliotheksräumen<br />
angeboten wer<strong>de</strong>n kann.<br />
<strong>de</strong>n Bürgerhaushalt wird <strong>de</strong>r Dialog mit<br />
Nichtbenutzern, Benutzern und Kooperationspartnern<br />
geför<strong>de</strong>rt. Der Ort Bibliothek<br />
wird insgesamt stärker als kommunale<br />
Einrichtung wahrgenommen. In<br />
Städten, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Bürgerhaushalt in<br />
Deutschland quasi geboren wur<strong>de</strong>, wie<br />
zum Beispiel in Ems<strong>de</strong>tten, Groß-Umstadt<br />
und Hil<strong>de</strong>n, hat <strong>de</strong>r Bürgerhaushalt<br />
noch keine Auswirkungen auf die Dienstleistungen<br />
<strong>de</strong>r Bibliothek gehabt.<br />
Der Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg<br />
hat sich bis dato vor allem auf<br />
<strong>de</strong>n Medienbestand ausgewirkt. Da im<br />
Rahmen <strong>de</strong>s Partizipationsverfahrens für<br />
die Umsetzung <strong>de</strong>r Bürgervorschläge keine<br />
zusätzlichen fi nanziellen Mittel vom<br />
Träger zur Verfügung stan<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong><br />
durch gezielte Mittelverteilung im Erwerbungsetat<br />
die Realisierung <strong>de</strong>r Vorschläge<br />
möglich gemacht. Durch <strong>de</strong>n Bürgerhaushalt<br />
konnte zum Beispiel ermittelt wer<strong>de</strong>n,<br />
dass eine Nachfrage nach vietnamesischsprachigen<br />
Medien besteht. Zur Beschaffung<br />
<strong>de</strong>r speziellen Literatur wur<strong>de</strong> Kontakt<br />
zur Berliner Staatsbibliothek aufgenommen.<br />
Des Weiteren wur<strong>de</strong> mithilfe <strong>de</strong>r vietnamesischen<br />
Botschaft ein Buchhändler<br />
in Hanoi gefun<strong>de</strong>n. Die Medienbeschaffung,<br />
vorrangig Bücher und DVDs, wird<br />
seit 2008 jährlich mit cirka 3 000 Euro<br />
unterstützt. In Berlin-Lichtenberg leben<br />
cirka 3 500 vietnamesisch-stämmige Bürger.<br />
Die Ausleihstatistik verrät, dass die<br />
6 Stadt Freiburg im Breisgau: Freiburger Beteiligungshaushalt<br />
2009/2010. Ergebnisbericht<br />
zur Online-Diskussion »Geschlechtersensibler<br />
Beteiligungshaushalt Freiburg<br />
2009/2010«<br />
7 Interview mit Evelin Müller (Bezirksamt<br />
Berlin-Lichtenberg: Amt für Weiterbildung,<br />
Amtsleiterin) am 15. April 2010<br />
8 Bräuner, Sigrid: Bunte Mischung: Stadtbibliothek<br />
Berlin-Lichtenberg startet mit För<strong>de</strong>rgel<strong>de</strong>rn<br />
erfolgreiche Integrationsarbeit. In:<br />
BuB 62(2010)6, S. 456–457<br />
BuB | 63 (2011) 3