Hessischer Mittelstandsbericht 2006 - HA Hessen Agentur GmbH
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<strong>Hessischer</strong> <strong>Mittelstandsbericht</strong> <strong>2006</strong> – Familienunternehmen<br />
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sein. 56 Eine moralische Verpflichtung, die eigenen beruflichen Interessen und Ziele<br />
zurückzustellen, empfinden jedoch zunehmend weniger Nachkommen. Mit zunehmendem<br />
Bildungsniveau sind unter Umständen kleinere Familienunternehmen auch<br />
nicht ausreichend attraktiv, um eine Alternative zu den anderweitigen Karrieremöglichkeiten<br />
zu bieten. 57 Ist das Familienunternehmen hingegen (zu) groß, kann das<br />
Interesse an einer Übernahme in der Familie auch abnehmen, da sich der Nachwuchs<br />
den hohen Anforderungen, die die Führung des Unternehmens erfordert,<br />
nicht gewachsen sieht. 58 Kein Interesse an der Übernahme des elterlichen Unternehmens<br />
ist allerdings nicht mit der Abkehr von einer selbständigen Tätigkeit<br />
gleichzusetzen: Antworten des Seniors wie „Mein Sohn betreibt sein eigenes Unternehmen<br />
sehr erfolgreich“ oder „Die Erben haben alle andere Berufe und sind selbständig<br />
tätig“ zeigen dies.<br />
Diese Wahlfreiheit – eines der Prinzipien unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung<br />
– spiegelt sich auch im nächsten Grund wider: 31 % der Unternehmen geben<br />
als Hauptgrund für das Nichtzustandekommen der Nachfolge aus dem Kreis<br />
der Familie an, dass die Kinder eine andere Ausbildung gewählt und letztlich andere<br />
Berufe ergriffen haben – mithin ihren eigenständigen beruflichen Weg beschritten<br />
haben. Sie folgen damit dem Beispiel bekannter Unternehmerkinder wie<br />
z. B. Rolf Gerling (Versicherung) und Alfred Ritter (Schokolade), die nicht in das elterliche<br />
Unternehmen eingestiegen sind. So enttäuschend es für manchen Familienunternehmer<br />
auch sein mag, wenn das Lebenswerk nicht – oder unter anderem<br />
Namen – fortgeführt wird, zum Teil wird dies von den Eltern auch ausdrücklich begrüßt<br />
(„Die Kinder sollen eigene Wege gehen“, „Jeder Mensch sollte seinen Beruf<br />
selbst wählen!“). Zumal es zweifelhaft ist, ob ein Nachfolger erfolgreich sein kann,<br />
dessen eigene Interessen und Wünsche womöglich nie ernsthaft zur Debatte standen,<br />
sondern der eher aus Loyalität zur Familie die Nachfolge übernimmt. Allerdings<br />
ist mit der Wahl einer „anderen“ Ausbildung eine spätere Übernahme des elterlichen<br />
Unternehmens nicht von vorneherein ausgeschlossen, sondern die Entscheidung<br />
reift erst im Laufe der Ausbildung oder „beim Erfahrung sammeln“ in beruflicher Tätigkeit<br />
außerhalb des Familienunternehmens. So wurde von einem Unternehmer<br />
darauf verwiesen, dass trotz eines „exotischen“ Studienfachs die Tochter erfolgreich<br />
als Juniorchefin im elterlichen Industriebetrieb tätig sei. Anders stellt sich dies bei<br />
Berufsbildern mit geregeltem Zugang dar: So wurde mehrmals von hessischen<br />
Rechtsanwälten und Steuerberatern angegeben, dass eine familieninterne Nachfol-<br />
56 Eine empirische Untersuchung zur Unternehmensnachfolge in Baden-Württemberg stützt diese Ansicht. Bei familieninternen<br />
Nachfolgern spielte der Wunsch, sich selbständig zu machen, für die Unternehmensübergabe eine nicht so große<br />
Rolle wie die Verpflichtung gegenüber der Familie und der Unternehmenstradition. Vgl. Landeskreditbank Baden-<br />
Württemberg (Hrsg.) (2002), S. 17.<br />
57 Hierzu ein Bonmot eines Unternehmers: „Aus der Sicht der Eltern ist studieren gefährlich, weil die Kinder dann abhauen.“<br />
Zitiert nach: Wimmer, R., Domayer, E., Oswald, M. u. Vater, G. (2005), S. 274.<br />
58 Vgl. hierzu z. B. Bundesverband der Deutschen Industrie u. Ernst & Young Deutsche Allgemeine Treuhand AG (Hrsg.)<br />
(2001), S. 132.