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Credit Suisse bulletin, 1999/04
Credit Suisse bulletin, 1999/04
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ZEIT<br />
VON ANDREAS THOMANN,<br />
REDAKTION BULLETIN<br />
Was hat das neue Hypothekar-Produkt<br />
mit dem ultramodernen Kleinwagen zu<br />
tun, der von tausend Plakatwänden auf<br />
die Passanten herunterblinkt ? Und wo<br />
liegen die Gemeinsamkeiten zwischen<br />
dem Phone-Banking und dem innovativen<br />
Familienauto, das unlängst vom Fliessband<br />
auf die Strasse gerollt ist ? Auf den<br />
ersten Blick gibt es keine. Denn Retail<br />
Banking ist Retail Banking, und Autos sind<br />
Autos. Oder kann man sich etwas Gegensätzlicheres<br />
vorstellen als ein steriles, mit<br />
flimmernden Bildschirmen bestücktes<br />
Grossraumbüro und eine Montagehalle ?<br />
Und doch existiert ein gemeinsamer Nenner:<br />
In beiden Branchen mausert sich die<br />
Zeit je länger, desto mehr zur knappsten<br />
Ressource. Vor allem eine Kennzahl ist<br />
es, nach der sich die Uhren in den modernen<br />
Unternehmen immer mehr richten: die<br />
«Time to Market», die Zeitspanne also von<br />
der Idee bis zum Moment, wo das neue<br />
Produkt oder die neue Dienstleistung die<br />
Feuertaufe des Marktes bestehen muss.<br />
Wer im Rennen bleiben will, muss sich<br />
sputen – ob Retail Banker oder Autofabrikant<br />
–, sonst sieht er bald nur noch die<br />
Rücklichter seiner Mitstreiter. Die CREDIT<br />
SUISSE hatte sich diese Lektion zu Herzen<br />
genommen, als sie im Juni 1<strong>99</strong>7 das Internet<br />
Banking auf dem Schweizer Markt<br />
lancierte. «Insgesamt sieben Monate<br />
brauchten wir, bis die ersten Kunden sich<br />
per Mausklick durch ihre eigenen Finanzen<br />
bewegen konnten», so die Bilanz von<br />
Hanspeter Kurzmeyer, Chef Direct Banking<br />
der CREDIT SUISSE. Das Tempo erstaunt,<br />
zumal die Bank in Sachen Internet damals<br />
Neuland beschritt. Mittlerweile haben die<br />
Direct Banker jedoch im Cyberspace<br />
einiges dazugelernt. Prompt konnten<br />
sie bei ihrem neuesten Wurf, dem youtrade,<br />
einer Internetplattform für den Börsenhandel,<br />
die Time to Market auf vier<br />
Monate verkürzen.<br />
Speedy Gonzalez kommt aus Japan<br />
Von solchen Durchlaufzeiten können die<br />
Autokonstrukteure nur träumen. Allerdings<br />
haben sie auch eine ungleich schwierigere<br />
Aufgabe zu bewältigen, müssen sie doch<br />
ein physisches Produkt zum Laufen bringen.<br />
Am schnellsten macht dies im Moment<br />
Toyota, die Speedy Gonzalez unter den<br />
Automarken. Das Modell Ipsum stand<br />
innerhalb von rekordschnellen 15 Monaten<br />
in den Vitrinen der Autohändler. Die<br />
meisten Marken brauchen heute dagegen<br />
zu Papier bringen. Doch egal, wie gross<br />
die Unterschiede nun sind zwischen den<br />
Branchen: Praktisch überall ist in den<br />
letzten Jahren die Time to Market kürzer<br />
geworden. In der Autobranche ist man bereits<br />
wieder so schnell wie in den Fünfzigerjahren.<br />
«Ein gewaltiger Effort», attestiert<br />
Philip Rowland, Automobilspezialist bei<br />
McKinsey. Tatsächlich haben die fahrbaren<br />
High-tech-Untersätze von heute nur<br />
XENICAL<br />
MEDIKAMENT<br />
15 JAHRE<br />
TIME TO MARKET<br />
<br />
1 0 JAHRE<br />
15 JAHRE<br />
zwei bis drei Jahre, um ihre Karossen<br />
vom Reissbrett auf die Autobahnen zu<br />
befördern.<br />
Doch was sind schon zwei Jahre ? Als<br />
der Pharma-Riese Roche im letzten Jahr<br />
die Schlankheitspille Xenical der Öffentlichkeit<br />
vorstellte, waren 15 Jahre vergangen,<br />
seit die Forscher mit den ersten Substanzen<br />
experimentiert hatten (siehe Box<br />
S.30). Am anderen Ende der Zeitskala befindet<br />
sich der Werbetexter: Der Slogan,<br />
der ihm abends vor dem Einschlafen eingefallen<br />
ist, kann er schon nächstentags<br />
noch wenig gemein mit den relativ simplen,<br />
rundlichen Wagen von damals. «Denken<br />
Sie nur an all die Regulierungen bezüglich<br />
Sicherheit, Benzinverbrauch und Recycling»,<br />
gibt Rowland zu bedenken. «Ganz<br />
zu schweigen von den Konsumenten:<br />
Heutige Autofahrer tolerieren kaum mehr<br />
Pannen.»<br />
Was aber steckt dahinter ? Was ist<br />
die Triebfeder für solch Formel-1-würdige<br />
Leistungen der Entwickler, Informatiker,<br />
Designer, Marketing-Profis, Werber, Logistiker<br />
und Konsorten ? Die Antwort liegt im<br />
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CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |<strong>99</strong>