«WENN DAS BAUERN- STERBEN IM GLEICHEN TEMPO WEITERGEHT, KÖNNTE AUCH DIESE WEIDE BALD EINEM GOLFPLATZ WEICHEN», SO DAS DÜSTERE SZENARIO VON ÖKONOM THOMAS VERAGUTH. DIE BAUERN ENTDECKEN DEN MARKT SAFTIG GRÜN ODER GRAU IN GRAU? FÜR DIE SCHWEIZER LANDWIRTE HAT DIE ZUKUNFT EINE UNGEWISSE FARBE.
ECONOMIC RESEARCH VON THOMAS VERAGUTH, ECONOMIC RESEARCH Stellen Sie sich vor, wir befinden uns im Jahre 2027 und der letzte Bauer hat soeben seinen Hof an einen Sportclub verkauft. Vielleicht erscheint Ihnen diese Vision einer Schweiz ohne Bauern absurd. Wenn jedoch die Zahl der Landwirte auch künftig im selben Tempo schrumpfen würde wie zwischen 1965 und 1<strong>99</strong>6, als sich ihre Zahl halbiert hat, gäbe es im Jahre 2027 tatsächlich keinen Schweizer Bauern mehr. Die traditionelle Politik ist gescheitert Es sind gut 100 Jahre her, seit die Schweizer Bauern erstmals die Konkurrenz aus dem Ausland zu spüren bekamen und der Staat protektionistische Massnahmen ergriff. Seither woben die Agrarpolitiker ein immer engmaschigeres Netz von Regelungen, um die einheimische Landwirtschaft zu schützen und zu stützen. Die Kernelemente dieser Politik waren garantierte Abnahmepreise, der Schutz vor ausländischer Konkurrenz durch Zölle, restriktive Importquoten und technische Handelshemmnisse sowie Subventionen für die Produzenten und die Produktvermarktung im Ausland. Der technische Fortschritt und die vom Gesetzgeber gewährten Produktionsanreize bewirkten, dass die Bauern die Produktion ausdehnten. Auch setzten sie die aus dem technisch-biologischen Fortschritt hervorgegangenen Hilfsmittel (Zucht, Dünger, Pflanzenschutz, Mechanisierung) immer intensiver ein. Doch wurde es von Jahr zu Jahr kostspieliger, die Agrarüberschüsse zu verwerten. Die Einführung von Milchkontingenten und Produktionslenkungsmassnahmen entpuppten sich dabei als reine Symptombekämpfung. Überdies erwiesen sich die Produktionsmethoden zunehmend als ökologisch bedenklich. Diese politischen Massnahmen konnten letztlich den Rückgang der Bauernbetriebe nicht stoppen. Umgekehrt belasteten sie Steuerzahler wie Konsumenten – als Folge der überhöhten Preise. Den Abschluss dieser Epoche bildete das Jahr 1989, als die Endproduktion der Landwirtschaft ihren Höchststand erreichte. Seitdem wurde Landwirtschaftspolitik schrittweise neu ausgerichtet. GATT erhöht den Reformdruck Um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, hat der Bundesrat die Agrarpolitik 2002 (AP 2002) formuliert. Sie zielt auf eine marktwirtschaftliche Erneuerung der Landwirtschaft ab. Damit legt der Bund den Grundstein, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Ernährungssektors zu steigern. Die Schweizer Politiker setzten sich allerdings erst für eine Reform der Agrarpolitik ein, als eine Liberalisierung im Rahmen der Uruguay- Runde des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade, seit 1<strong>99</strong>5 World Trade Organization, WTO) unausweichlich erschien. Von der Publikation des siebten Landwirtschaftsberichts, der die politische Wende einläutete, bis zur definitiven Inkraftsetzung des neuen Landwirtschaftsgesetzes verstrichen beinahe sieben Jahre. Dieses Gesetz gilt nun seit dem 1. Januar 1<strong>99</strong>9, und seit Mai 1<strong>99</strong>9 ist auch die liberalisierte Milchordnung in Kraft. Der Staat zieht sich langsam zurück Die neue Agrarpolitik wird durch folgende Kernelemente geprägt: Die Preis- und Absatzgarantien des Bundes fallen grundsätzlich weg, wenn auch mit unterschiedlichen Anpassungsfristen. Neu steuert der Markt die Preise und Absatzmengen im Inland. Die landwirtschaftlichen Produzenten und ihre Organisationen müssen nun- DIE NEUNZIGERJAHRE SETZTEN DEN BAUERN ZU Die Landwirtschaft verlor zwischen 1<strong>99</strong>0 und 1<strong>99</strong>6 13 Prozent ihrer Arbeitskräfte. 1<strong>99</strong>6 zählte man noch 225 000 Beschäftigte, die in fast 80 000 Betrieben tätig waren. Seit 1989 befindet sich auch die landwirtschaftliche Produktion auf Talfahrt und ist nominal um 23 Prozent gesunken. Dabei wurzelt dieser Rückgang fast ausschliesslich in sinkenden Preisen. Sie sind zwischen 1<strong>99</strong>0 und 1<strong>99</strong>8 um 22 Prozent gefallen und befinden sich damit heute auf dem Niveau von 1976. Der Erlös aus der Milchproduktion, die beinahe 36 Prozent der gesamten Endproduktion ausmacht, war 1<strong>99</strong>8 16 Prozent tiefer als neun Jahre zuvor. Noch stärker geschrumpft sind der Getreide- und Kartoffelanbau sowie die Rindvieh- und Schweinehaltung, deren Anteil an der Endproduktion 1<strong>99</strong>8 etwa 26 Prozent betrug. Die Produktionsmenge von Zuckerrüben, Obst, Beeren und Eiern, Ölsaaten, Tabak oder Wein blieb in den letzten Jahren hingegen beinahe konstant. Dabei erzielten die Produzenten von Gemüse, Obst und Beeren 1<strong>99</strong>8 höhere Produktionserlöse als 1989. Das Gleiche gilt für die Schaf- und Geflügelzüchter. Die sinkenden Preise schlagen sich wegen der stagnierenden Produktion unmittelbar in rückläufigen Umsätzen nieder. Dies wiederum wirkt sich direkt auf die Einkommenslage der Bauern aus. Die Wertschöpfung zu Marktpreisen sank zwischen 1989 und 1<strong>99</strong>8 um 35 Prozent. Der Rückgang des gesamten Einkommens aus landwirtschaftlicher Tätigkeit betrug trotz einer Verdoppelung der Subventionen immer noch 20 Prozent. 1<strong>99</strong>7 und 1<strong>99</strong>8 erreichten die Subventionen historische Rekordwerte, mit einem geschätzten Anteil von 32,1 Prozent an der Endproduktion. 35 CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |<strong>99</strong>